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Studentenjob Unternehmensberatung

Linda Csapo8. September 2006

Die Palette akademischer Praktika ist breit und bunt. Doch immer mehr Studenten entdecken die Eigenständigkeit als attraktivere Alternative – und haben als studentische Unternehmensberater europaweit Erfolg.

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Wenn der Campus zu klein wird: Studenten als UnternehmensberaterBild: presse

Alles begann mit einer ausgefallenen Vorlesung: Eigentlich hätte "Wirtschaftsprüfung und Unternehmensberatung" auf dem Lehrplan stehen sollen, doch die Bonner BWL-Studenten Jonas Bauer, 24, und Georg Hürth, 23, standen an jenem Frühsommertag 2006 vor verschlossenen Seminartüren – der Professor war plötzlich krank geworden.

Während die meisten Kommilitonen die unverhoffte Freizeit lieber mit Kaffeetrinken oder Sonnenbaden im Bonner Hofgarten verbrachten, setzten sich Jonas und Georg mit drei anderen Gleichgesinnten zu einer lockeren Aufarbeitung des versäumten Stoffes zusammen. Das Gespräch verselbständigte sich, vage Ideen nahmen feste Formen an, und schließlich wurde noch am selben Tag der Grundstein zu "Aurelius Consult" gelegt, der ersten studentischen Unternehmensberatung in Bonn.

"Aurelius Consult" mag noch in den Kinderschuhen stecken, aber seinen Gründervätern mangelt es nicht an Zuversicht. Schließlich haben sie ihre Unternehmensphilosophie von ihrem Namensgeber, dem großen römischen Kaiser Marcus Aurelius übernommen: "Wer mit Begeisterung, Kreativität und Eigenständigkeit Dinge selbst bewegen möchte, der wird auch erfolgreich sein", so Jonas Bauer. Halbe Sachen sind ihm zuwider, und so ist auch das Ziel von "Aurelius" klar umrissen: "Wir wollen und werden in die Prime League der studentischen Unternehmensberatungen aufsteigen."

Dachverband als Gütesiegel

Studentische Unternehmensberatung Aurelius Consult
Der Gründungsvorstand von "Aurelius Consult"Bild: presse

Zeichen der Zugehörigkeit zu dieser "Prime League" ist eine Mitgliedschaft beim Bundesverband Deutscher Studentischer Unternehmensberatungen, dem BDSU. Als Dachverband vereint der BDSU 26 deutsche Initiativen mit insgesamt über 2000 Studenten und ist selbst wiederum Teil von "Jade", dem "European Confederation of Junior Enterprises" mit Mitgliedern aus 13 europäischen Ländern.

"Eine Aufnahme beim BDSU und somit bei Jade bringt nicht nur Kontakt zu und Austausch mit Gleichgesinnten aus aller Welt, sondern ist gleichzeitig ein verlässliches Gütesiegel nach außen", so Sebastian Bette, zweiter Vorstand des BDSU. Ein anspruchsvolles Aufnahmeverfahren sowie jährliche Überprüfungen bereits eingetragener Mitglieder finden laut Bette die besten automatisch heraus. "Wir dokumentieren die Projekte unserer Mitglieder, führen persönliche Gespräche und haben strenge Richtlinien im Qualitätsmanagement." Unternehmen, die sich Rat von einem BDSU-Mitglied einholten, könnten sich also auf die Zuverlässigkeit der Studenten verlassen.

Die Idee, an der Universität Erlerntes bereits während des Studiums praktisch anzuwenden, entstand zum ersten Mal 1967 in Frankreich – die erste "Junior Enterprise" wurde an der Essec Business School Paris gegründet. Schnell verbreitete sich das Prinzip des "learning by doing" europaweit. Heute verzeichnet das 1992 gegründete "Jade" über 20.000 Studenten und Alumni. Hörer der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten stellen insgesamt zwar die klare Mehrheit, aber Interdisziplinarität ist - wie auch bei den großen Vorbildern – ein entscheidendes Prinzip: Meist treten Wirtschaftstudenten alleine schon aufgrund der akademischen Nähe zum Thema die Initiativen los, begeistern dann aber auch Kommilitonen anderer Fachrichtungen von ihren Ideen.

Wohlwollen von Kunden und Profis

Bundesverband Deutscher Studentischer Unternehmensberatungen e.V.
Netzwerk und Gütesiegel zugleich: BDSU-Mitglieder bei einer KonferenzBild: presse

Doch warum sollten Unternehmen auf den Rat junger Studenten zurückgreifen, die über keine abgeschlossene Ausbildung, zum Teil noch nicht einmal über das Vordiplom verfügen? "Der niedrigere Preis im Vergleich zu den Profis ist nur ein Aspekt von vielen", so Andreas Koch von der Immobiliengesellschaft Sirius in Heidelberg. Als einer der ersten überhaupt gab Koch den "Aurelius"-Neulingen eine Gelegenheit, sich zu beweisen – und würde sich aus dieser Erfahrung heraus jederzeit wieder an Studenten wenden, solange es sich nicht gerade um ein Projekt mit besonders hoher Verantwortung handelt. "Die Studenten sind bestens motiviert und voller Pioniergeist. Außerdem stehen sie auf dem aktuellsten Stand der Forschung und bringen sich mit frischem Wissen ein." Von einer sinnvollen Wechselbeziehung zwischen alteingesessenen Unternehmen und Studenten könnten beide Seiten enorm profitieren. "Jugendlicher Mut und unternehmerische Erfahrung lassen sich wunderbar miteinander koppeln."

Auch die Etablierten im Beratungsgeschäft beäugen die jugendlichen Initiativen mit großem Interesse. McKinsey, einer der GRoßen im weltweiten Beratergeschäft, lädt regelmäßig besonders vielversprechende Studenten zu einem runden Tisch. Auch "Aurelius Consult" hat McKinseys Aufmerksamkeit bereits auf sich gezogen und darf sich dem Unternehmen Mitte September präsentieren – und auf dem edlen Bonner Petersberg schon einmal von der prestigeträchtigen Höhenluft der Global Player schnuppern. "Natürlich sind wir nicht auf gleicher Augenhöhe, aber darum geht es auch gar nicht", so Vorstand Jonas Bauer gelassen. "Diese Treffen nutzt McKinsey in erster Linie dazu, potentielle zukünftige Mitarbeiter kennen zu lernen."

Einsatz, der sich auszahlt

OSCAR Studentische Unternehmensberatung
Größte studentische Unternehmensberatung in Europa: Oscar

Für die Studenten lohnt sich das Engagement also allemal. Kolja von Westerholt war ein Jahr lang der Geschäftsführer von "Oscar", Europas größter und erfolgreichster studentischer Unternehmensberatung mit Sitz in Köln. Oscar unterscheidet sich von den meisten anderen Zusammenschlüssen zwar darin, dass mit 400 Euro Aufwandsentschädigung pro Monat nicht gerade üppige Beratergehälter winken. "Diese knapp bemessene Vergütung ist aber durchaus bewusst gewählt", so von Westerholt. "Wir wollen Leute, die sich nicht nur des Geldes wegen, sondern in erster Linie aus Begeisterung für die Sache einbringen wollen." Die Erfahrungen und Kontakte, die man aus der Zeit bei Oscar für seine berufliche Laufbahn ziehe, seien ohnehin unbezahlbar.

"Man entwickelt bereits während des Studiums eine Eigenständigkeit und ein Selbstbewusstsein, dass sich andere erst beim Berufseinstieg erarbeiten müssen", pflichtet dem auch Jonas Bauer bei. Doch gegen die Tagesgehälter von 250 bis 300 Euro pro Berater sei natürlich gerade angesichts der beschlossenen Studiengebühren nichts einzuwenden.