1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Studis in Aufruhr

12. November 2009

An den Hochschulen in Deutschland brodelt es. Angesichts überlasteter Studiengänge, sozialer Ungleichheit im Bildungssystem und chronischer Unterfinanzierung der Unis protestieren die Studenten.

https://p.dw.com/p/KVVY
Studenten besetzen das Audimax der Universität Duisburg-Essen (Foto: dpa)
In etwa 20 deutschen Städten protestieren die Studenten: Besetzung des Audimax der Uni in Duisburg-EssenBild: picture alliance/dpa

Der Protest der Studenten richtet sich nicht nur gegen Studiengebühren. Sie fordern umfangreiche Änderungen im Hochschulwesen. Mit den Aktionen solle auf Lippenbekenntnisse in der Bildungspolitik aufmerksam gemacht werden, sagten Studentenvertreter. Um ihre Forderungen nach besseren Studienbedingungen durchzusetzen, besetzten verärgerte Studierende nach Angaben vom Donnerstag (12.11.2009) Hörsäle und Räume von Hochschulen in etwa 20 deutschen Städten. Allein in Berlin und München belagerten mehrere hundert Studierende Gebäude der Universitäten. Politiker äußerten Verständnis für die Aktionen.

Massive Proteste in etwa 20 Städten

Studenten der Humboldt-Universität in Berlin im Audimax (Foto: dpa)
Bildungsstreik: Studenten besetzen Audimax der Humboldt-Universität BerlinBild: picture alliance/dpa

In München halten mehr als hundert Studenten seit Mittwochabend das Audimax der Ludwig-Maximilians-Universität besetzt. Da sich ein besetztes Audimax nicht mehr ignorieren lasse, seien die bisherigen Versuche, Probleme im Bildungssystem totzuschweigen, unmöglich geworden, erklärten die Demonstrierenden. Sie forderten unter anderem ein Mitbestimmungsrecht an allen Entscheidungsprozessen der Universität. Im Audimax wurde in einem offenen Plenum darüber diskutiert. Geplante Vorlesungen mussten ausfallen. Bereits seit einer Woche wird die Akademie der bildenden Künste in München von Studenten besetzt. Eine Universitätssprecherin teilte mit, man sehe dies sehr gelassen, solange keine Gewalt angewendet werde.

In Berlin besetzten Studenten der Freien Universität und der Humboldt-Universität Räume der Hochschulen. Zu den Besetzungen kam es nach Abstimmungen unter den Studenten. Wie lange die Protestaktion andauern sollte, war zunächst nicht absehbar. In Tübingen räumten die Studenten derweil einen besetzten Hörsaal, nachdem die Uni-Leitung die Polizei alarmiert hatte. Die Besetzer protestierten zwar mit Rufen wie "Freie Bildung für alle", räumten dann aber ohne weiteres Einschreiten der Polizei das Gebäude. Dabei riefen sie dann "Wir sehen uns wieder". Auch in Hochschulen in Hamburg, Marburg, Potsdam, Heidelberg, Münster, Bielefeld und Darmstadt sind Räume von Studenten besetzt worden.

Ärger macht sich Luft

Studenten der Humboldt-Universität in Berlin vor Bild einer vermummten Studentin (Foto: dpa)
Protest an der Humboldt-Universität in BerlinBild: picture alliance/dpa

Die Studenten wollen damit angesichts überlasteter Studiengänge ihrer Forderung nach besseren Lernbedingungen sowie mehr Geld für Bildung Ausdruck verleihen und unter anderem auch gegen Studiengebühren protestieren. Gefordert werden auch ausreichend Plätze für "Master"-Abschlüsse und mehr Demokratie im Bildungsbereich. Außerdem geht es um Probleme vor Ort, in Mainz beispielsweise fordern die Hochschulbesetzer auch mehr günstigen Wohnraum für Studenten. Begonnen hatten die Proteste vor drei Wochen in Wien. Für den 17. November kündigten Studentenorganisationen einen Protesttag an hundert Hochschulen an.

Politik zeigt Verständnis

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) rief die Bundesländer auf, bereits verabredete Hochschulreformen rasch umzusetzen. Die Studenten brauchten eine Entschlackung der Studiengänge. Die Länder müssten den jungen Leuten auch zeigen, dass es die Politik ernst meine mit den angekündigten Verbesserungen im Bildungswesen, sagte Schavan im Südwestrundfunk. Der bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) äußerte Verständnis für die Proteste an den Hochschulen.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Kai Gehring erklärte sich solidarisch mit den Protestierenden. Es sei ein starkes Signal, dass die Studierenden durch kreative Protestaktionen von Bund und Ländern Wege aus der sozialen Schieflage und den miserablen Studienbedingungen an den Hochschulen verlangten. Zugleich kritisierte er die Bundesbildungsministerin. Anstatt selbst tatkräftig anzupacken, schiebe Schavan ihre Verantwortung an die Länder und Hochschulen ab.

Unterstützung für die Studenten kam auch von Gewerkschaftsseite. So kritisierte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer die neue Bundesregierung. Einen Dreiklang aus Steuersenkung, Haushaltskonsolidierung und Zukunftsinvestitionen in Bildung werde es nicht geben, sagte er.

Autor: Herbert Peckmann (afp, dpa, ap)

Redaktion: Martin Schrader