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Studie belegt interethnische Spannungen in Bulgarien

21. Juli 2005

In der bulgarischen Gesellschaft sind rassistische Einstellungen zu beobachten. Das zeigt eine Studie des Bulgarischen Helsinki-Komitees mit erschreckend deutlichen Ergebnissen.

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Alarmierende Ergebnisse aus der Hauptstadt SofiaBild: dpa

Fast Einfünftel der bulgarischen Gesellschaft steht den Roma und den Türken (und im geringerem Umfang den Juden) so feindlich gegenüber, dass sie ihnen sogar das Recht abspricht, in einem Staat zusammen mit den „reinen Bulgaren“ zu leben. Die negative Stimmungen gegenüber den Minderheiten, vor allem den Roma und den Türken gegenüber, seien gleichmäßig in allen Alters-, Sozial- und Bildungsschichten vertreten. Dies bedeute, dass es sich um permanente, tief verwurzelte Vorurteile in einem Teil der bulgarischen Gesellschaft handle. Dies ist eine der Hauptschlussfolgerungen der bulgarischen Experten, die die zwischenethnischen Einstellungen und soziale Distanzen in Bulgarien untersucht haben. Der Vorsitzende des Bulgarischen Helsinki-Komitees (BHK), Krassimir Kanev, sagte: „Das alarmierendste Zeichen ist, dass es zu keiner Veränderung gekommen ist oder dass sich nur sporadisch etwas ändert. 1992 haben 63 Prozent der Bulgaren erklärt, dass sie mit den Roma nicht in einem Viertel leben wollen. 2005 war es der gleiche Anteil.“

Eindeutige Ergebnisse

Auf die Frage „Wollen Sie in einem Land mit den Roma leben?“ antworteten 27 Prozent der Bulgaren mit „Nein“. 18 Prozent wollen nicht mit den Türken zusammen leben, 16 Prozent sind gegen ein Zusammenleben mit den Juden und 13 Prozent hätten nichts dagegen, wenn es keine Armenier mehr im Land gäbe.

„Werden Sie persönlich akzeptieren, dass der Leiter der lokalen Polizeidirektion Roma, Türke oder Jude ist?“ – lautete eine andere Frage der BHK-Studie. Für 82 Prozent der Bulgaren ist es unakzeptabel, dass der Polizeichef Roma ist, 70 Prozent sind gegen Türken und 52 Prozent gegen Juden auf diesem Posten.

Auf die Frage, ob sie einverstanden wären, dass ein Angehöriger der genannten Minderheiten Minister wird, sind 76 Prozent der Bulgaren gegen Roma. 59 Prozent gegen Türken und 49 Prozent gegen Juden.

Verschlechterung befürchtet

BHK-Experte Krassimir Kanev warnt: „Fast Einfünftel der Bulgaren neigt zu extremen Maßnahmen gegen die Roma und fast Einsechstel gegen die anderen ethnischen Minderheiten. Es handelt sich um einen harten rassistischen Kern, einen Kern des Fremdenhasses und der Intoleranz in der bulgarischen Gesellschaft. Die momentane politische Konjunktur und insbesondere der Einzug der ultrarechten Koalition „Attaka“ ins Parlament machen alle Hoffnungen auf eine wesentliche Verbesserung des interethnischen Klimas zunichte. Meiner Meinung nach könnte es sogar zu einer Klimaverschlechterung kommen.“

Zum Glück noch kein Blutvergießen

Die bulgarische Gesellschaft ist an Rassismus erkrankt - so fasst Emil Koen, ein anderer BHK-Experte die Studienergebnisse zusammen. Koen betonte: „Die Situation in Bulgarien ist vergleichbar mit anderen Balkanländern, einschließlich der Türkei und Griechenlands. Es ist auch nicht zu erwarten, dass Bulgarien eine Oase der ethnischen Toleranz auf dem Balkan ist. Richtig ist, Gott sei Dank, dass das so genannte bulgarische ethnische Modell eine beachtliche Errungenschaft ist. Im Gegensatz zu Ex-Jugoslawien ist in Bulgarien nicht zu ethnischen Blutvergießen gekommen. Aber sonst ist die Situation mit den anderen Balkanländern vergleichbar“.

Antoineta Nenkova, Sofia

DW-RADIO/Bulgarisch, 21.7.2005, Fokus Ost-Südost