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Studie: Gewalt gegen Polizisten nimmt zu

26. Mai 2010

Die Polizei, Dein Freund und Helfer – so sehen sich Ordnungshüter am liebsten. Im Einsatz werden sie allerdings immer häufiger als Feinde behandelt. Es gibt aber auch positive Entwicklungen.

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Der niedersächsische Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, hält ein Plakat hoch, auf dem 'Keine Gewalt gegen Polizisten!' steht (Foto: dpa)
Bild: picture alliance / dpa

Demonstrationen, Atommüll-Transporte, Fußballspiele – für Polizisten gibt es viele potenziell gefährliche Einsätze. Beschimpfungen und Körperverletzungen sind an der Tagesordnung. Das wahre Ausmaß der Gewalt ist nun in einer Studie nachzulesen, die vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen erstellt wurde. Die Ergebnisse basieren auf einer Online-Befragung von mehr als 20.000 Polizeibeamten aus zehn von 16 Bundesländern.

Streifenpolizisten als "Helden des Alltags"

Massive Polizeikräfte stehen am 24. Mai 2009 in der Düsseldorfer Altstadt Fußball-Fans gegenüber, nachdem es in der Nacht zu Ausschreitungen gekommen war (Foto: dpa)
Polizei-Einsatz nach Fan-Ausschreitungen in DüsseldorfBild: picture alliance / dpa

Ihre Gegner aus den unterschiedlichsten Milieus schmähen sie als "Bullen" oder Handlanger des "Schweinesystems". Den verbalen Attacken folgen oft tätliche. So habe die Zahl der schweren Körperverletzungen, die zu einer Dienstunfähigkeit von mehr als sieben Tagen führen, um 60 Prozent zugenommen, sagt Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann. Fast alle, die im Streifendienst tätig sind, würden regelmäßig beleidigt. Körperlichen Attacken sei jeder Zweite ausgesetzt, gut ein Viertel der Beamten habe Faustschläge ins Gesicht bekommen.

"Und wir haben sogar Angriffe mit Waffen in einer Größenordnung von acht bis neun Prozent", beschreibt Schünemann die Situation. Streifenpolizisten seien die "Helden des Alltags", meint der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, dessen Team die Gewalt-Studie erstellt hat. Sie würden am meisten und am schwersten verletzt, nicht die mit Helm, Schienbeinschützern und Brustpanzern ausgestatteten Beamten, die bei politischen Demonstrationen und am Rande von Fußballspielen zum Einsatz kämen.

Darüber werde viel im Fernsehen berichtet, nicht aber über den Routine-Dienst. Dabei denkt der Kriminologe vor allem an Streitigkeiten unter Jugendlichen und in Familien. Meistens sei Alkohol im Spiel und senke die Hemmschwelle. Pfeiffers Fazit: "Immer jünger, immer betrunkener und wenn es sich um politische Dinge handelt, dann immer linker."

Information und Aufklärung

Der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, hält in einem Büro Schriftstücke in seinen Händen (Foto: dpa)
Pfeiffer: "Gute Signale, schlechte Signale"Bild: picture alliance/dpa

Um die zunehmende Gewalt gegen Polizisten besser in den Griff zu bekommen, plädiert Pfeiffer für mehr Prävention und Zivil-Courage. Wer Zeuge von Gewalt wird, solle nicht wegschauen, sondern Hilfe herbeirufen. Durch gezielte Information und Aufklärung wirbt das Land Niedersachsen dafür, die Polizei häufiger als Konfliktschlichter in Anspruch zu nehmen. Diese Rolle werde von den Beamten auch angenommen. Es klingt paradox, aber ihr Engagement wirkt sich positiv und negativ zugleich aus.

Vor allem bei Familien-Streitigkeiten würden sich Frauen inzwischen häufiger trauen, die Polizei zu rufen. Das gelte auch für Migranten, wo die Szene besonders gewalttätig sei, sagt Pfeiffer. "So gesehen ist es ein gutes Signal, dass die Polizei immer häufiger kommt. Das schlechte Signal ist, dass sie häufiger massiv angegriffen wird", sagt Pfeiffer.

Beamte mit Migrationshintergrund

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) kratzt sich mit dem Zeigefinger an der linken Wange (Foto: dpa)
Schünemann: "Wir bekennen uns eindeutig dazu"Bild: picture-alliance/ dpa

Niedersachsens Innenminister Schünemann sieht sich durch die Studie in seiner Personalpolitik bestätigt. Seit Jahren würden nehmend Polizisten mit Migrationshintergrund eingestellt. Bis zu zehn Prozent seien das, sagt der Christdemokrat. Er höre immer wieder, das sei sehr hilfreich. Allerdings müssten diese Polizisten noch zielgerichteter eingesetzt werden. "Aber wir bekennen uns eindeutig zu dieser Strategie", betont der Politiker.

Kriminologe Pfeiffer verweist auf Erfahrungen in anderen Ländern, etwa Großbritannien und die USA. Polizisten mit speziellen sprachlichen und kulturellen Kompetenzen können demnach hilfreich sein, Konflikte besser und schneller zu lösen. Das gilt besonders für Gegenden mit hohem Migranten-Anteil. Ein türkisch-deutsches Polizei-Team in einem multi-ethnischen Stadtteil wie Berlin-Kreuzberg hält Pfeiffer für besonders sinnvoll. "Wenn es da einen Konflikt zwischen Türken und Deutschen zu schlichten gibt, dann tun die sich leichter mit einem türkisch sprechenden Polizisten, als wenn es zwei Deutsche sind", glaubt Pfeiffer.

Wende zum Guten?

Trotz der mitunter extremen Brutalität, mit der Polizisten täglich konfrontiert werden, rechnet der Kriminologe langfristig mit einer Wende zum Guten. Denn insgesamt sei die Gewalt rückläufig. Untersuchungen hätten ergeben, dass es einen Verhaltenswandel gibt, und zwar "bis rein in die Familien, wo Gewalt besonders häufig zu beobachten war". Das mache Mut, dass eine Generation heranwachse, die sich weniger feige verhalte, als in Zeiten, in denen autoritäre Erziehung im Vordergrund stand und die Deutschen "Jawohl!" gesagt hätten. Pfeiffers Prognose mag ein kleiner Trost für die Polizisten sein, die im Alltag oft das Gegenteil erleben.


Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Hartmut Lüning