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Studiogast der Woche: Wolfgang Gerke

Fabian Christ9. August 2011

Der Finanz- und Bankenexperte spricht mit uns über die aktuelle Finanzmarkt-Krise.

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DW-TV: Und bei mir im Studio ist Wolfgang Gerke, Finanzexperte, Präsident des Bayrischen Finanzzentrums und ein viel gefragter Mann in diesen Tagen. Herzlich Willkommen! Herr Gerke, wenn wir uns die Zyprier anhören, dann klingt das gar nicht so dramatisch bei ihnen die Lage. Sehen Sie Zypern als nächsten Kandidaten für den Rettungsschirm?

Wolfgang Gerke: Na ich sehe es auch nicht so dramatisch, Zypern hat durchaus gute eigene Chancen aus der Krise herauszukommen. Und dann muss man noch eins dazu sagen: Die Europäische Union kann Zypern problemlos verkraften, da haben wir leider andere Sorgen und die liegen uns viel mehr im Magen als Zypern. Vielleicht ganz gut, dass wir da im Moment nicht drüber gesprochen haben. Ich weiß nicht, vielleicht haben Sie es noch vor...

DW-TV: Ja, Zypern ist im Verhältnis sehr klein. Aber warum sind die Finanzmärkte trotzdem so in Sorge, auch was Zypern betrifft?

Wolfgang Gerke: Ich glaube, dass es ein allgemeiner Trend ist. Man hat gesehen, ein kleines Land wie Griechenland kann auch die anderen Länder mit in Unruhe bringen, weil man sagt jetzt setzt der Dominoeffekt ein. Und dann sagt man jetzt bei Zypern: 'Ach, die auch noch. An die haben wir ja gar nicht gedacht.' Das ist aber eine Übertreibung. Nun hat Zypern Pech gehabt durch diese Explosion, die das Land nun auch noch zusätzlich schädigt.

DW-TV: Es ist eine kleine Volkswirtschaft. Ganz was anderes jetzt auf der anderen Seite jetzt die USA. Da muss man ja sagen, dass seit der Herabstufung der USA jetzt zum Wochenende hin die Nerven blank liegen auf den Finanzmärkten. Am ersten Börstentag danach, also am Montag, wurde weltweit etwa eine Billion Euro in Nichts verwandelt, sozusagen vernichtet. Was wird denn diese Herabstufung für Folgen haben?

Wolfgang Gerke: Das ist ein Sprung den Sie da machen, Frau Böhm: Von Zypern zu den USA. Und in der Tat: Da muss man sich Sorgen machen. Denn es ist die leitende Industrienation immer noch und wenn die diese Probleme hat, dass sich Republikaner und Demokraten nicht einigen können, dass der Präsident eine Rede hält, die wunderschön klingt, in der aber keine Langfristkonzeption drin ist, dann ist die Ratingagentur Standard&Poor's völlig zu Recht den Amerikanern gegenüber skeptischer geworden. Das trifft uns leider auch. Denn wenn die amerikanische Konjunktur nicht läuft, wenn die Amerikaner Schuldenprobleme haben, dann wird es auch unseren Export irgendwann mitberühren.

DW-TV: War denn diese Herabstufung also schon längst fällig?

Wolfgang Gerke: Ich hab die schon immer angemahnt. Die Ratingagenturen haben sich nicht getraut. Sie haben mit zweierlei Maß gemessen: Die Europäer und die Amerikaner. Weil sie auch US-Aktionäre haben. Aber das war mutig von Standard&Poor's, das war richtig, und es ist lächerlich, dass die Politik jetzt auf die Überbringer schlechter Nachrichten einschlägt, sie soll lieber Konzepte vorlegen.

DW-TV: Sie sprachen gerade eben über den Einfluss auf Deutschland. Was konkret für den Export, für jeden Einzelnen, welche Folgen wird das haben?

Wolfgang Gerke: Inflation. Wir kriegen bei der hohen Verschuldung in den nächsten Jahren eine wesentlich höhere Inflationsrate. Das ist für die Sparer eine ganz traurige Nachricht. Sie werden dennoch niedrige Zinsen haben, aber real werden sie Geld verlieren.

DW: Herr Gerke, was halten Sie vom Haircut? Vom klaren Schuldenschnitt in den Euro-Krisenländern?

Wolfgang Gerke: Ja man muss sich dann sehr schnell dazu bekennen. Was wir jetzt gemacht haben, ist, dass wir mit viel Steuergeld permanent gegen den Markt operiert haben. Das geht auf die Dauer nicht gut. Das Geld geht dabei verloren. Man hätte sofort bei Griechenland den Haircut machen müssen. Also: Griechenland einmal aus dem Euro rausnehmen, Griechenland einen Schuldenschnitt, einen Neuanfang geben müssen. Und dann wäre auch das viele Geld von den griechischen Banken in der Zwischenzeit nicht abgerufen worden...

DW-TV: Würde das immer noch Sinn machen? Oder wird das so kommen?

Wolfgang Gerke: Es hat viel Geld gekostet, es macht immer noch Sinn. Vor allen Dingen auch als warnendes Beispiel für andere, die jetzt den Weg Griechenlands gehen und sagen 'Wir wollen auch unter den Rettungsschirm.' Und wenn dann Spanien und womöglich Italien auch noch nachziehen, irgendwann klappt das nicht mehr. Und dann kann man mit Steuergeldern nicht mehr gegen den Markt operieren. Wir missbrauchen einfach auch die Europäische Zentralbank im Moment. In einer Form, die ist inakzeptabel. Sie wird zur Bad Bank Europas gemacht, nur um diese Länder zu retten.

DW-TV: Ja, wenn wir das Ganze jetzt mal auf die USA ziehen, die haben keinen Rettungsschirm, so wie es das in Europa gibt. Die sind normalerweise selbst der Retter. Wäre das aber für die ein Beispiel, so eine Art Rettungsschirm aufzulegen, so wie das in Europa geschehen ist? Oder ginge das gar nicht?

Wolfgang Gerke: Das geht nicht, denn wen sollen sie reinholen? Die sind selber so groß. Man kann sich nicht selber aus dem eigenen Sumpf herausziehen, aus dem Rettungsschirm. Die haben große Chancen die Amerikaner, das ist keineswegs eine verlorene Situation dort, die haben einen riesigen Militärhaushalt. Da kann man rangehen. Die Reichen werden sehr niedrig besteuert, da kann man die Steuern erhöhen. Möglichkeiten gibt es, aber dann muss einfach auch mal der Demokrat und der Republikaner an den Bürger denken und nicht nur an die eigene Partei.

DW: Das heißt, es ist auch an der Politik jetzt die richtigen Wege zu finden. Vielen Dank Herr Gerke für ihren Besuch!