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Studiogast: Henrik Enderlein

Fabian Christ30. August 2011

Henrik Enderlein, Professor für politische Ökonomie, Hertie School of Governance

https://p.dw.com/p/Rj0l

DW-TV: Herr Enderlein, kann das gelingen, dass man jetzt tatsächlich eine europäische Ratingagentur als relevantes Gegengewicht aus dem Boden stampft, sozusagen gegen die US-Ratingagentur?

Henrik Enderlein: Schwierig. Ratingagenturen zeichnen sich dadurch aus, dass sie den Menschen informationen liefern, auch über einen langen Zeitraum. Da muss man erstmal Vertrauen aufbauen, zeigen dass man das besser kann als die anderen. Das kann man nicht von heute auf morgen schaffen. Ratingagenturen sind auch eigentlich dafür da, Informationen, die sehr komplex sind, bei Unternehmen, bei Staaten zu verdauen. Und dann dem Investor zu sagen: triple A oder double A, also dieses dreifach A oder das doppel A, das ist ein Qualitätsstempel und da ist ja viel Arbeit mit verbunden

DW-TV: Würden Sie sagen, es braucht überhaupt eine europäische Ratingagetur?

Henrik Enderlein: Ich bin da etwas skeptischer als viele andere Personen in dieser Diskussion. Ich glaube, wir haben drei Ratingagenturen, die werden zwar von der falsche Seite bezahlt, was mir hier gefällt, dass die Investoren selber bezahlen, aber grundsätzlich müsste ein Wettbewerb von drei Spielern eigentlich ausreichen. Ich frage mich vielmehr, wer braucht heute diese Ratingageturen? Noch gerade bei den Staaten? Wir haben viel über Griechenland gesprochen, wir haben viel über die USA gesprochen. Es waren doch alle Informationen verfügbar. Man kann alles in der Zeitung lesen, man kann alles im Internet abrufen. Warum ist plötzlich eine Ratingagentur die sagt Griechenland ist nicht mehr tripple B sondern double C, am Markt so prominent? Ich würde mich freuen, wenn die Investoren an den Märkten, die Trailer oder die Founds, einfach weniger Achtung diesen Ratingagenturen schenken und ihre Hausaufgaben lieber selber machen.

DW-TV: Aber wo musste da genau der switch statt finden? Denn im Moment ist diese Macht evident, man kann sie nicht wegreden. Diese Ratingagenturen haben die Macht und die Finanzmärkte sind unglaublich unruhig. Wie kann man da ruhigeres Fahrwasser hinein bringen und diese Macht vielleicht bisschen relativieren?

Henrik Enderlein: Indem die Banken vor allem wieder ihr eigenes Risikomanagement in die Hand nehmen. Bislang war es ja so, dass dann Produkte gekauft wurden, die die Bänker selbst nicht verstanden haben. Dieses CDO oder MB-Asset, diese Produkte, die die Finanzmarktkrise angestoßen haben, und da stand aber das tripple A der Ratingagenturen drauf und dann haben die Bänker gesagt: gut, das nehmen wir uns als sicheres Kapital mit in die Bilanz auf. Ich würde mir wünschen, dass die Banken selbst wissen, was dann in diesen Produkten drin ist und dann müssen sie bewerten können: ist das wirklich dreifach A, ist das wirklich bombensicher oder ist das vielleicht am Ende ein Schrottpapier? Dann muss ich es aber von vorn herein auch so bewerten. Also für mich liegt die Last wirlkich auf der Seite derer, die das Geld am Ende in solche Produkte investieren.

DW-TV: Viele bezeichen die Ratingagenturen im Augenblick als Brandstifter in dieser Krise. Wie sehen Sie das?

Henrik Enderlein: Brandstifter sicher nicht, Brandbeschleuniger vielleicht. Was in einzelnen Situationen ein down-grade, also wenn man auf die false- stuft, oder wenn man das dreifach A wegnimmt, dass man dann sagt: der Preis einer Anleihe fällt noch schneller. Aber wir haben Zeitungen, wir haben Radio, wir haben informationen im Internet, die verfügbar sind. Warum diese Ratingagenturen ein so hohen Wert oder Ansehen genießen, zumindest unter den Marktteilnehmern, das finde ich eigentlich nicht ganz gerechtfertigt.

DW-TV: Was müsste in Ihren Augen an Institution oder auch an Veränderung stattfinden an den Märkten, dass da wieder mehr Ruhe reinkommt?

Henrik Enderlein: Also grundsätzlich ist das gut, dass in Europa mal ein Versuch gemacht wird, sowas aufzubauen. Da ist immer vielleicht Platz für ein vierten Wettbewerber in diesem Umfeld. Aber grundsätzlich müsste die europäische Zentralbank, müssten auch die Banken selbst dafür sorgen, dass Risikomanagment anders gestaltet wird. Wir brauchen diese Ratingagenturen leider deshalb, weil die Bankenregulierung darauf achtet, dass man in den Bankbilanzen auch ein Teil sicherer Papiere hat. Was sind sichere Papiere? Das legt man heute an die Ratingageturen aus, dass sie uns das erklären. Ich würde mich wünschen, dass die Banken oder auch vielleicht staatliche Institutionen wie Zentralbanken sagen, das machen wir selbst.

DW-TV: Wir werden sehen, wie es sich weiter entwickelt. Ganz herzlichen Dank Herr Enderlein.

Henrik Ederlein: Ich danke Ihnen.

Interview: Julia Böhm