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Studiogast: Hilmar Schneider, Zukunftsforscher

Markus Kopplin15. Februar 2011

Mit unserem Studiogast sprechen wir über den Trend zu Manufakturen und zum individuellen Produkt.

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DW-TV: Bei uns im Studio ist jetzt Hilmar Schneider vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit, Direktor für den Bereich Arbeitsmarktpolitik. Herr Schneider, ist das unsere Zukunft, zum Beispiel handgemachte Kämme oder generell handgemachte Produkte?

Hilmar Schneider: Es sieht ein bisschen anachronistisch aus, aber es ist Symbol für eine Entwicklung, die sehr weitreichende Folgen hat und die sich zusammenfassen ließe unter dem Stichwort „Individualisierung von Konsum" und damit auch Individualisierung von Produkten. Kämme sind vielleicht eher für eine betuchtere Kundschaft, aber wir beobachten das auch im Bereich der Industrieproduktion. Wenn sie an die Autoherstellung denken oder sie können sich heute sogar ihre Turnschuhe im Internet individuell zusammenstellen lassen. Und die werden dann für Sie individuell hergestellt auf industrieller Produktionsebene.

DW-TV: Also das heißt, wir gehen nicht weg von der Massenproduktion, sondern es gibt nur einen anderen Prozess, eine Umstrukturierung.

Hilmar Schneider. Ja doch, es geht schon weg von der standardisierten Massenproduktion. Es wird zwar nach wie vor zwar nach wie vor industriell gefertigt, aber wir sind in der Lage individuelle Bedürfnisse damit zu bedienen und das macht den Unterschied aus. Dieses Beispiel mit den Kämmen ist eines, was sozusagen mit traditioneller Produktion funktioniert, aber darüber hinaus erfasst das im Grunde unser ganzes Leben und verändert damit aber auch den Arbeitsprozess.

DW-TV: Was heißt das, es verändert den Arbeitsprozess? Inwiefern?

Hilmar Schneider: Weil die Vielfalt der Möglichkeiten so enorm gestiegen ist, erfordert es Mitarbeiter, die in der Lage sind, diese Bedürfnisse erst einmal zu erkennen, auch Kunden dabei zu beraten, wie sie den Weg durch diesen ganzen Dschungel an Möglichkeiten finden. Und damit werden Arbeitnehmer ein Stück weit zu Unternehmern im Unternehmen. Sie müssen Verantwortung übernehmen, was sie bislang so nicht gewohnt waren. Das ist zum Teil auch anstrengend, und ich weiß nicht, ob man das in der Schule so lernen kann. Aber ich weiß ganz bestimmt, dass das eine der ganz großen Herausforderungen der Zukunft ist, wie man Arbeitnehmer dazu bringt, unternehmerisch zu agieren auch wenn sie einen Arbeitsvertrag haben.

DW-TV: Wir haben im Moment ja noch nicht mal genug Fachkräfte. Wie will man das in Angriff nehmen? Haben Sie eine Idee? Gibt es da schon von den Unternehmen auch Ideen, wie man das in Zukunft regelt?

Hilmar Schneider: Also zunächst einmal muss das Bewusstsein dafür geschaffen werden. Und das vollzieht sich auch schon auf vielen Ebenen. Wir sehen so etwas wie Teamarbeit statt strenge Hierarchien. Wir sehen Zielvereinbarungen statt strikter Handlungsan- weisungen. Erfolgsabhängige Entlohnungsbestandteile. Das sind alles Beispiele wie sich unser Arbeitsleben verändert in einer Welt, in der das individualisierte Produzieren eine immer größere Rolle spielt.

DW-TV: Aber dieses Individualisierte ist das nicht eigentlich schlussendlich eher etwas für eine Elite? Also für Leute, die sich das tatsächlich leisten können?

Hilmar Schneider: Es ist sicherlich ein Ausdruck für eine Wohlstandsgesellschaft. Aber es ist nicht etwas, das sich nur auf die Gutbetuchten beschränkt, sondern denken Sie nur einmal daran, dass Sie sich heute Handyklingeltöne individuell zusammenstellen können. Sie können sich, wenn Sie wollen, Ihr Müsli im Internet zusammenstellen. Das kostet alles gar nicht so viel. Aber Sie können damit Ihre Individualität zum Ausdruck bringen.

Interview: Anja Heyde