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Studiogast: Holger Schmieding

Hemma Jäger19. Juli 2011

Mit Holger Schmieding, Chefvolkswirt Berenberg Bank, sprechen wir zum Thema Euro und Schuldenkrise.

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DW-TV: Holger Schmieding, Italien ist eine starke Volkswirtschaft, hat eigentlich auch eine starke Industrie, einen starken Export. Wie kritisch steht es wirklich um Italien?

Holger Schmieding: Wenn wir uns die italienische Wirtschaft angucken, steht es eigentlich gar nicht kritisch um Italien. Der Staatshaushalt sieht wesentlich besser aus als im Durchschnitt aller wichtigen Länder der westlichen Welt. Es gibt eine hohe Schuldenlast, aber im Gegensatz zu fast allen anderen Staaten der Welt ist die Schuldenlast in den letzten zwanzig Jahren nicht gestiegen. Sie geht eher etwas zurück.

DW-TV: Wie kommt es dann, dass die Märkte, auch die Börse in der vergangenen Woche - als Italien in den Fokus rückte - so nervös reagiert haben?

Holger Schmieding: Die Märkte sind durch die andauernde Griechenlandkrise einfach hypernervös. Dann gab es ein bisschen Streit zwischen dem Finanzminister und dem Premierminister. Das war offenbar Gift für die Märkte. Und so wie das in den letzten Jahren öfter einmal ist, wenn erst einmal eine Verkaufswelle in Gang kommt, dann gibt es viele Anleger, die fragen gar nicht, ob das gerechtfertigt ist, sondern springen auf den fahrenden Zug auf und verkaufen auch.

DW-TV: Das heißt kein Vergleich zu Griechenland?

Holger Schmieding: Italien ist fundamental wesentlich besser aufgestellt als Griechenland. Wenn wir mit einem politischen Signal die jetzige Nervosität in den Griff bekommen, dann kann sich die Lage in Italien schnell wieder entspannen.

DW-TV: Vielleicht relativiert das auch die Zahlen, die wir uns jetzt anschauen wollen und zwar den Schuldenstand gemessen an der Wirtschaftsleistung. Griechenland ist, wie wir da sehen können, ganz klarer Spitzenreiter mit einhundertdreiundvierzig Prozent, Italien gleich dahinter und nach den vier Staaten, die schon nennenswert in der Krise stecken, sind wir die nächsten. Aber eigentlich zahlen wir ja noch. Wir sind an fünfter Stelle was die Schulden betrifft, wie passt das zusammen.

Holger Schmieding: Deutschland hat sich über die Jahrzehnte eine hohe Glaubwürdigkeit erarbeitet. Davon können wir zehren. Dazu kommt, dass aktuell unser Staatshaushalt noch besser aussieht sogar als der von Italien. Wir sind auf dem Wege unseren Staatshaushalt in Deutschland im Jahr 2012 wieder auszugleichen. Italien wird es wahrscheinlich im Jahr 2014 schaffen. Das ist international sehr gut, aber Deutschland ist halt nahezu Spitzenreiter derzeit.

DW-TV: Wenn wir uns jetzt aber Griechenland noch einmal anschauen, wir hören eine Menge kreativer Lösungsvorschläge, wie ein Schuldenschnitt aussehen könnte. Was muss Ihrer Ansicht nach jetzt geschehen gerade im Hinblick auf den Euro- Sondergipfel diese Woche?

Holger Schmieding: Zunächst einmal muss der Euro-Sondergipfel ein Ergebnis bringen. Ohne Ergebnis auseinander zugehen, wäre für die Märkte und die Wirtschaft ein Katastrophe. Zum Zweiten das beste Ergebnis wäre ein freiwilliger Schuldenrückkauf der griechischen Anleihen.

DW-TV: Entscheidend ist also, dass jetzt im Hinblick auf Griechenland Entscheidungen getroffen werden, damit auch die Unsicherheiten an den Märkten ein Ende haben.

Holger Schmieding: Wir brauchen erstens Entscheidungen und zweitens solche Entscheidungen, die die Märkte eher stärken, ein freiwilliger Rückkauf griechischer Anleihen wäre das beste Signal.

DW-TV: Vielen Dank Holger Schmieding für diese Einschätzungen.

Interview: Julia Böhm