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Studiogast: Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme

Michael Bär23. Oktober 2011

"Aus Sicht der Technik ist die Energiewende, das heißt, die komplette Umstellung auf regenerative Energien bis 2015 möglich. Die Frage ist, ob es zu viele Widerstände gibt, die das verhindern."

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DW-TV: Professor Volker Quaschning ist ein Experte für regenerative Energiesysteme. Herr Quaschning, was glauben Sie, werden die günstigen Plastiksolarzellen das Rennen machen oder holen doch vielleicht noch die Hightech-Siliziumzellen auf?

Volker Quaschning: Ich denke, das Rennen ist offen. Wir haben vor gut 10 Jahren schon gesagt, die Siliziumtechnik hat noch 10 Jahre, dann wird sich die Dünnschicht-Technik, das ist wieder eine andere Technologie, durchsetzen. Jetzt sagt man, die organische Solartechnik wird es vielleicht sein. Wenn wir in die Geschichte zurück gucken, dann sieht es so aus: In den 70er Jahren waren es 60 Dollar pro Watt für die kristallinen Solarzellen. Im letzten Jahr sind die Preise auf unter einen Dollar pro Watt gefallen. Das ist eine enorme Preisreduktion bei den kristallinen Solarzellen. Das ist natürlich ein großer Konkurrenzkampf, den wir da aufnehmen müssen.

Das heißt, die haben vielleicht doch noch eine Chance. Aber damit stellt sich natürlich auch die Frage, kann denn das Preisniveau immer weiter sinken?

Das Preisniveau muss sinken. Wir wollen die Energiewende haben. Das heißt, wir wollen 20, 30% Solarstrom in den nächsten 30 Jahren in Deutschland realisieren und das geht natürlich nur wenn wir konkurrenzfähig werden. Dazu muss der Preis für die Solartechnik um den Faktor 2 bis 3 noch mal runter.

Nun haben aber die sogenannten“ organischen“ Solarzellen keinen so hohen Wirkungsgrad mehr. Das bedeutet, wir brauchen mehr Fläche. Nun sind in Deutschland schon jede Menge Dächer mit Solarzellen bedeckt. Wo soll denn die Fläche herkommen?


Wenn man sich die Dächer anguckt, dann sieht man, dass wir schon noch Platz haben. Wenn man hier in Berlin durch die Straßen läuft, dann fällt einem schon auf, dass man hier locker noch verzehn-, verzwanzigfachen kann. Wir gehen davon aus, dass wir auf den Dächern etwa noch mal einen Faktor 10 realisieren können von dem, was wir bis jetzt haben. Das geht natürlich nur bei einem guten Wirkungsgrad. Wenn der ein bisschen schlechter ist, könnte man mehr installieren. Es gibt auch noch andere Flächen, die heute kaum genutzt werden: Fassaden, Fahrzeuge, oder auch auf Freiflächen. Da gibt es noch viele Möglichkeiten zur Sicherstellung der Energieversorgung.

Das heißt, sie sind ganz optimistisch, dass wir die Energiewende bis 2015 schaffen, eine Umstellung fast komplett auf regenerative Energie?

Wenn wir das wollen, geht das. Und wir müssen ja auch, wegen der Klimaproblematik. Die Frage ist, ob es zu viele Widerstände gibt, die das verhindern, verzögern. Aber ich bin optimistisch, dass es aus Sicht der Technik möglich ist. Wenn wir das nicht ausbremsen, dann wird das auch kommen.

Sie sagen, wenn wir wollen, können wir das. Momentan erleben wir, dass man dabei ist, wieder ganz neue Kohlekraftwerke zu bauen und außerdem Nuklearstrom aus dem Ausland zu importieren.

Das sind die alten Leute, die mit Kohle- und Kernenergie Geld verdient haben. Die wollen das Geschäft natürlich nicht einfach aus der Hand geben und sagen, wir hören jetzt auf zu produzieren und das Geschäft macht jemand anderes. Das sind ganz klassische Verteilungskämpfe. Die müssen auch noch entschieden werden. Aber ich sehe, dass die Chance der regenerativen Energien auch aus Preissicht da ist. Wir werden das auch realisieren.

Stichwort Mobilität: Können wir sauber Auto fahren und brauchen keine neuen Tankstellennetze? Mit dem neuen Carbazol-Benzin wäre das Tanken auch noch ziemlich risikolos? Ist das die Lösung?

Wasserstoff ist durchaus umweltfreundlich - wenn ich ihn aus regenerativen Energien erzeuge. Das Problem ist aber, es fehlt das Tankstellennetz. Man muss ich für viel, viel Geld neue Infrastruktur aufbauen. Deswegen bezweifeln auch viele Experten, dass sich diese Technologie durchsetzt. Und da hätten wir mit dem neuartigen Kraftwstoff durchaus eine Lösung. Aber wir haben ja auch noch andere Lösungen in petto. Batteriespeicher ist eine Variante. Ich kann auch Erdgas als Energieträger nehmen. Also, da habe ich natürlich verschiedene Möglichkeiten. Es wird sich zeigen, was sich am Ende durchsetzt.

Aber sie sagen ja schon, wir haben verschiedene Möglichkeiten. Es wird unterschiedlich investiert und geforscht, auch in die Batterietechnik. Verzetteln wir uns da nicht, verschwenden wir da nicht Ressourcen?

Es ist immer die Historie, die man sich anschauen kann. Batterieautos zum Beispiel waren auch schon vor gut 100 Jahren Stand der Technik. Das heißt, die ersten Autos, die gefahren wurden, waren keine Benzinautos. Das Benzinauto hat sich dann erst durchgesetzt. Heute wissen wir, wir können uns das nicht mehr lange erlauben aufgrund der ganzen Problematiken. Jetzt müssen wir eine Alternative suchen. Ich denke, jetzt zu sagen, das wird es in 20 Jahren sein, ist eher Wahrsagerei. Aber ich finde es spannend, dass wir die Lösungen heute schon in petto haben. Wir wissen, was wir machen können. Wir müssen die Lösungen nur sehr schnell entwickeln. Und da tut sich im Forschungsbereich einfach noch zu wenig, dass wir hier schnell in den Markt kommen.

Werden wir uns insgesamt, wenn wir die Energiewende betrachten, einschränken müssen? Oder können wir im Grunde genommen weiter machen wie bisher, nur eben mit anderen Technologien?

Die Weltbevölkerung steigt ja auch. Das sind ganz große Problematiken, die wir haben. Wenn ich jetzt sage, wir müssen uns überhaupt nicht einschränken, dann ist das vielleicht gelogen. Aber ich sage mal, wir können schon das meiste, was wir uns heute leisten können, künftig auch machen.

Sehr optimistisch. Haben sie vielen Dank für das Gespräch, Herr Quaschning.

(Interview: Ingolf Baur)