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Studiogast

Markus Kopplin22. Februar 2011

Zu Gast im Studio ist Thomas Straubhaar vom Hamburgischen Weltwirtschafts-Institut.

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DW-TV: Je begehrter, desto teurer, dieser Satz gilt derzeit für eine ganze Reihe an Nahrungsmitteln. Darüber spreche ich jetzt unter anderem mit Thomas Straubhaar, er ist Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts. Herr Straubhaar, wie groß ist denn die Rolle der Spekulanten in ihren Augen tatsächlich?

Thomas Straubhaar: Diese Rolle ist sicher sehr groß. Wobei ich vorsichtig sein würde mit dem Begriff Spekulant. Spekulant heißt immer etwas Negatives. Hier ist es ja nur so, dass viele Menschen erwarten und richtig erwarten, dass in Zukunft eben mehr Nahrungsmittel von mehr Menschen nachgefragt werden und deshalb teurer werden müssen.

DW-TV: Wie bedrohlich ist denn die Lage, wenn man von Deutschland ausgeht? Ob man jetzt 20 Cent mehr oder weniger für ein Kilo Mehl bezahlt, ist nicht all zu wichtig. Aber in den ärmeren Ländern ist das ja durchaus ein Problem. Wie bedrohlich ist da die Lage?

Thomas Straubhaar: Ich würde das auch für Deutschland nicht unterschätzen. Es ist ja nur einer der Preise und die werden ja überwälzt auf viele andere Preise. Am Schluss dann auf die Löhne. Und für weniger entwickelte Länder ist das ganz besonders dramatisch, weil dort trifft es die Ärmsten der Armen, die eh schon wenig Geld haben. Und da spielen natürlich 20 Cent oder auch ein geringerer Betrag schnell eine sehr große Rolle, bei dem was sie bei dem täglichen Bedarf an Kaufkraft zur Verfügung haben.

DW-TV: Aber ist es dann überhaupt moralisch vertretbar, dass man mit Nahrungsmitteln spekuliert ?

Thomas Straubhaar: Ich weiß, dass das gerade auch in Deutschland und in Europa sehr unterschiedlich negativ gesehen wird. Ich würde sagen, dass ist durchaus vertretbar, weil letztlich das was sich an Börsen abspielt ist nichts anderes als das Handeln von Erwartungen. Und wenn eben die Erwartung ist, dass Preise steigen müssen, dann heißt das auch wir sollten mehr Weizen weltweit produzieren.

DW-TV: Die G20 unter Führung von Nicolas Sarkozy haben sich auf die Fahnen geschrieben, Nahrung bezahlbar zu halten. Mit welchen Mitteln würden sie das tun?

Thomas Straubhaar: Diese Forderung ist absolut richtig. Aber es ist letztlich keine politische Forderung, sondern eine ökonomische Forderung, das eben hier entsprechend die Rahmenbedingungen so geschaffen werden, dass es weltweit auch attraktiv ist mehr Weizen, mehr Nahrungsmittel zu produzieren. Dann werden automatisch die Preise auch wieder günstiger werden.

DW-TV: Thomas Straubhaar, zu einem anderen Thema. Deutschland gilt als Europas Konjunkturlokomotive. Wie stehen denn die Chancen, dass sich dieser deutsche Aufschwung so schnell nachmachen lässt, dass er auch anderswo gelingt?

Thomas Straubhaar: Ich denke, es wird lange dauern bis ähnliche Strukturen in anderen Ländern überhaupt verfügbar sind. Erstens der Mittelstand ist ein typisches Charakteristikum für Deutschland. Dass eben kleine Betriebe Träger der Wirtschaft sind in denen auch viel Technologie neu geschaffen wird. Dann sind Familienbetriebe sehr wichtig. Bis das alles in anderen Ländern nachgeahmt werden könnte, braucht das Zeit, braucht andere Strukturen und die Mentalität, die lässt sich eben nicht von einem Land auf das andere übertragen.

DW-TV: Werfen wir kurz einen Blick auf das Wachstum in Deutschland in den vergangenen Jahren. Lief es 2008 noch gut, kam der Einbruch ein Jahr später gewaltig. Kräftig dann aber auch die Erholung. Weniger drastisch fiel der Einbruch in Frankreich und in der gesamten Eurozone aus. Ist der deutsche Aufschwung auch deshalb so rasant, weil der Einbruch so tief war?

Thomas Straubhaar: Das spielt sicher auch eine ganz wichtige Rolle. Man ist sozusagen vom Dachgeschoss in den Keller gefallen und arbeitet sich jetzt wieder stockwerkweise nach oben und deshalb muss es nach einem derart dramatischen Rückgang auch wieder etwas schneller nach oben gehen. Aber ich denke die Grundstruktur, die Grundsubstanz in Deutschland ist so kräftig, dass wir auch davon ausgehen können, dass es nach diesem Aufholprozess noch für eine Weile anhalten wird.

DW-TV: Erfolg bringt aber auch Neider. Wir haben es gerade gehör von der französischen Wirtschaftsministerin. Was ist denn dran an der Forderung nach gleichen Wettbewerbsbedingungen?

Thomas Straubhaar: Das klingt gut. Ich verstehe auch, dass man diese politische Forderung erhebt. Aber letztlich ist sie ökonomisch eher ein Weg in die falsche Richtung, weil Gleichmachen heißt, dass man auch die Motivation bei den einzelnen unterbricht. Letztlich misst man sich immer an den Besten. Und die Unterschiede will man ja überbrücken und deshalb ist es der falsche Weg politisch alles gleich schalten zu wollen.

Interview: Sandra Berndt