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Studiogespräch: Jürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft >>

Kiron Kreuter20. Februar 2011

'Die beiden wirklich großen Zukunftsthemen sind Energie und Gesundheit. Wir brauchen nachhaltige und wirtschaftliche Versorgung mit Energie. Gleichzeitig stellt uns das Thema 'Lange gesund leben' vor große Herausforderungen, was das Gesundheitssystem und die Gesundheitsforschung anbetrifft.'

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DW-TV: Eine Plastiktüte benutzen wir im Schnitt eine halbe Stunde. Doch sie wird noch unsere Urahnen beschäftigen: Bis zu 400 Jahre dauert es bis sie zerfällt. Ihr Grundstoff: Erdöl. Ein Chemiker aus München will nun dessen Vorherrschaft beenden und Kunststoff aus CO2 herstellen. Was meinen Sie, könnte Kohlendioxid Erdöl wirklich aus der Kunststoffbranche verdrängen?

Jürgen Mlynek: Der Traum ist natürlich nicht nur CO2 abzutrennen und zu speichern, sondern nach Möglichkeit auch zu verwerten. Da gibt es Forschungsansätze, aber die Zukunft wird zeigen, ob es wirklich gelingt CO2 im großen Stil stofflich zu nutzen. Ich glaube, wir müssen auch über Alternativen nachdenken.

Welche Alternativen könnten das sein?

Wir werden auf absehbare Zeit fossile Brennstoffe wie z.B. Öl und Kohle verwenden müssen. Das CO2, wenn wir es nicht in die Atmosphäre entlassen wollen, muss also abgeschieden und dann gespeichert werden. Es gibt nicht so viele Möglichkeiten CO2 zu speichern. Man kann dies in Aquiferen machen, wie es es ja auch für Deutschland diskutiert wird. Technisch ist das alles machbar. Es stellt sich eher ein Akzeptanzproblem durch die Bevölkerung.

Sie sind Chef von 17 Forschungseinrichtungen, die Helmholtz-Gemeinschaft ist die grösste Wissenschaftsorganisation in Deutschland. Wenn Sie jetzt eine Hitliste erstellen müssten von den wichtigsten Forschungsbereichen, wie würde die aussehen. Was wäre an Platz 1?

Das sind natürlich die Forschungsbereiche auf denen wir ohnehin tätig sind. Ich glaube, die beiden wirklich großen Zukunftsthemen sind Energie und Gesundheit. Wir brauchen sichere, nachhaltige und wirtschaftliche Versorgung mit Energie. Gleichzeitig stellt uns das Thema "Lange gesund leben" vor große Herausforderungen, was das Gesundheitssystem und auch die Gesundheitsforschung anbetrifft. Ich möchte in dem Zusammenhang nicht von alternder Gesellschaft sprechen - das klingt ein bisschen negativ. Also Gesundheit und Energie sind die großen Zukunftsthemen und die Helmholtz Gemeinschaft ist dabei.

Und was sind die Ideen ihrer Forschungsgemeinschaft, wenn wir uns ja doch vom Erdöl verabschieden wollen und müssen?

Bei der Energieversorgung gibt es, glaube ich, keinen Königsweg. Das heißt, man muss breit forschen. Wir müssen in erster Linie Energie einsparen, Energie effizienter nutzen und stärker auf die erneuerbaren Energien setzen. Und wir müssen langfristig auch darüber nachdenken - Stichwort Kernfusion - ob man nicht das Feuer der Sonne auf die Erde holen kann. Gerade was die strategische Ausrichtung, die Langfristigkeit anbetrifft, sind das typische Helmholtz-Themen.

Und wie weit ist Deutschland da im internationalen Vergleich? Sie waren gerade in Japan. Wie würden Sie deutsche Forschung in diesem Bereich weltweit einordnen?

Auf dem Gebiet der Energieforschung ist Deutschland führend in vielen Bereichen. Nur im Bereich Kernenergie müssen wir in Deutschland unbedingt etwas für den Kompetenzerhalt tun. Aber auf den Gebieten Kernfusion, wenn ich jetzt mal sehr langfristig denke, und auf den Gebieten Energieeffizienz, Energieumwandlung, erneuerbare Energien, wie Solarenergie, Photovoltaik, Solarthermie, Geothermie, Biomasse, ist Deutschland wirklich unter den führenden Industrienationen.

(Interview: Daniela Levy)