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Sturmlauf gegen Meldegesetz

7. Juli 2012

Darf der Staat private Daten seiner Bürger an die Werbewirtschaft weitergeben? Datenschützer und Opposition wollen die Gesetzesnovelle auf jeden Fall stoppen.

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Bürgeramt BerlinBild: picture-alliance/dpa

Es war der 28. Juni 2012, so gegen 21 Uhr. Die Fernsehbilder zeigen nur noch wenige Abgeordnete im Deutschen Bundestag, als das neue Bundesmeldegesetz von der schwarz-gelben Koalition durchgewinkt wird. Es beginnt gerade das EM-Fussballspiel Deutschland-Italien und wie dieses könnte das Vorhaben für Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einer klaren Niederlage enden.

Es ist Paragraf 44 des neuen Bundesmeldegesetzes, der die Gemüter von Opposition und Datenschützern erregt. Der Passus ermöglicht es privaten Adresshändlern, Inkassofirmen oder der Werbewirtschaft, Daten bei Bürgerämtern zu erfragen. Nicht nur Namen, sondern auch Anschriften und selbst Geburtstage und frühere Namen darf die Privatwirtschaft künftig abgreifen - und zwar ohne dass die Bürger gefragt werden. Die Unternehmen dürfen die Daten benutzen, um Werbung zu machen, sofern sie dies bei der Einholung der Informationen mitteilen.

Widerspruch der Bürger schwierig

Die Opposition will das Meldegesetz nun kippen - über den Bundesrat. "Ich will nicht, dass meine Heimatstadt meine Adresse an Werbefirmen oder professionelle Datensammler verkaufen kann", beschwerte sich der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast erklärte, wieder einmal bediene die Regierung von CDU/CSU und FDP eine "Klientelgruppe und deren Profitinteressen" und stelle Bürgerrechte und Verbraucherschutz hinten an. Auch die Linkspartei sprach von einem nicht hinnehmbaren Bürgerrechtsabbau und forderte die Länder auf, das Gesetz in ihrer Kammer aufzuhalten.

Schneller Zugriff auf Adressen geplant

Kritik selbst von der FDP

Widerspruch kam auch aus den Reihen der FDP. Der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, Lasse Becker, sagte: "Die Daten der Einwohnermeldeämter sind dafür da, dass öffentliche Verwaltungen einen gesicherten Datenbestand haben und nicht damit irgendwelche Versandhändler meine Adressdaten überprüfen können."

Auch Datenschützer sind empört. Thilo Weichert, Leiter des unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Schleswig-Holstein, sprach von "gesetzlichem Wahnsinn". Das neue Recht ermögliche "den privaten Handel mit vom Staat zwangsweise erhobenen Daten in großem Stil". so Weichert weiter.

Widerspruch schwierig

Laut dem neuen Meldegesetz ist es für Verbraucher zwar prinzipiell möglich, schriftlich Widerspruch gegen die Weitergabe ihrer Daten einzulegen. Das geht aber nicht, wenn die private Firma die Daten anfragt, um ihre bestehenden Informationen zu aktualisieren oder zu bestätigen. Dies aber dürfte regelmäßig der Fall sein.

Dann bleibt den Bürger nur der Weg, den Widerspruch direkt bei dem Unternehmen einzulegen. Dazu aber müssten sie erst beim Meldeamt in Erfahrung bringen ob und falls ja, welche Firma sich nach ihren Daten erkundigt hat.

nem/det/sc (rtr, dapd, dpa)