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Sturmopfer in Somalia warten auf Hilfe

Hilke Fischer13. November 2013

Im Schatten der Katastrophe auf den Philippinen spielt sich auch in Somalia eine durch einen Sturm ausgelöste Tragödie ab. Die Regierung befürchtet bis zu 300 Tote. Hilfe gelangt bisher kaum in das Katastrophengebiet.

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EPA/TOBIN JONES / AU-UN IST PHOTO
Bild: picture-alliance/dpa

So ein Wetter hatte in Somalia noch niemand gesehen: Erst kam ein heftiger Tropensturm, dann tagelanger Starkregen. Die Temperatur fiel unter den Gefrierpunkt. In der Provinz Puntland, an der nord-östlichen Küste von Somalia, fiel innerhalb von 24 Stunden so viel Regen wie normalerweise in einem halben Jahr. Die Wassermassen rissen Häuser, Tiere, Existenzen mit sich.

"Mehr als 250.000 Haushalte sind betroffen. Es gibt 143 bestätigte Todesfälle. Mehr als 150 Menschen werden noch vermisst", sagt Abdirzak Haassan vom Komitee für Katastrophenmanagement und Rettung der puntländischen Regierung. Krankheiten breiteten sich aus. Eine Million Nutztiere seien durch Kälte und Überflutungen umgekommen: Kamele, Schafe, Ziegen. Die Viehzucht ist die einzige Einnahmequelle vieler Menschen in Puntland. Die Region ist extrem arm. Schon vor dem Sturm litten hier so viele Menschen an Unterernährung wie fast nirgendwo sonst auf der Welt.

Besonders dringend brauchen wir Lebensmittel, Medikamente und Notunterkünfte", sagt Abdirzak Haassan. Viele Orte seien aber auf dem Landweg nicht mehr zu erreichen. Viele Straßen sind weggeschwemmt, Brücken eingestürzt, die betroffenen Gebiete komplett von der Außenwelt abgeschnitten. Auch das Telefonnetz ist zusammengebrochen.

Schwierige Sicherheitslage

"Nicht nur für die puntländische Regierung, auch für Hilfsorganisationen vor Ort ist der Zugang bis jetzt nicht möglich: "Wir haben vier Lastwagen mit Hilfsgütern losgeschickt. Wir haben aber die Meldung bekommen, dass sie unterwegs steckengeblieben sind und nicht weiterkommen", berichtet Katharina Witkowski von dem evangelischen Hilfswerk World Vision. Ähnliches berichtet Fatuma Abdillahi, die Sprecherin vom internationalen Roten Kreuz in Nairobi: "Ein Kollege in Puntland musste eine Straße schwimmend überqueren. Sie war so stark überflutet, dass das Auto nicht durchkam."

(AP Photo/AU-UN IST, Tobin Jones)
Ganze Landstriche sind überschwemmt und von der Außenwelt abgeschnittenBild: picture alliance/AP Photo

Eine weitere Schwierigkeit für internationale Hilfsorganisationen ist die angespannte Sicherheitslage im Land. Seit mehr als 20 Jahren herrscht in Somalia Bürgerkrieg. Das Land ist Rückzugsort für Terroristen und Piraten. Die Zentralregierung in der somalischen Hauptstadt Mogadishu kontrolliert nur einen Bruchteil ihres Staatsgebiets. Das Katastrophengebiet ist vom rund 1000 Kilometer entfernten Mogadishu aus praktisch nicht erreichbar. Die einzige Straße dorthin führt durch Gebiete, die zum Teil von den islamistischen Al-Shabaab, zum Teil von anderen Milizen kontrolliert werden.

Auch in Puntland selbst ist eine Gruppe aktiv, die Al-Shabaab nahe steht. Ihr Ziel: der gewaltsame Sturz der semi-autonomen Provinzregierung. Puntland hat als eine der wenigen somalischen Provinzen eine eigene, relativ effektive Regierung. Ihr Ziel ist zwar nicht, sich vom Rest des Landes loszulösen, aber sie besteht auf weitgehende Selbständigkeit in einem föderalen somalischen Staat. In den vergangenen Jahren hat sie viel in die Bekämpfung von Terrorismus und Piraterie investiert - mit Erfolg, wie Hilfsorganisationen berichten.

Karte Somalia mit Puntland
Die Region Puntland ist eine der ärmsten Gegenden weltweit

"Gerade in den nördlichen Gebieten ist die Sicherheitslage deutlich besser geworden. Wir haben es geschafft, im letzten Jahr von der Nothilfe etwas wegzukommen und mehr Programme zu starten, die auf langfristige Entwicklung ausgerichtet sind", sagt Katharina Witkowski von World Vision. Doch dieser Fortschritt ist nun durch das Unwetter bedroht. Ihre Organisation richte Fokus jetzt wieder auf akute Nothilfe für die Opfer des Zyklons, sagt Witkowski. Die Regierung von Puntland ist direkt an World Vision herangetreten und hat um Hilfe gebeten.

Desinteresse der Weltgemeinschaft

In this photo taken Sunday, Sept. 23, 2012, masked Somali pirate Hassan stands near a Taiwanese fishing vessel that washed up on shore after the pirates were paid a ransom and released the crew, in the once-bustling pirate den of Hobyo, Somalia. The empty whisky bottles and overturned, sand-filled skiffs that litter this shoreline are signs that the heyday of Somali piracy may be over - most of the prostitutes are gone, the luxury cars repossessed, and pirates talk more about catching lobsters than seizing cargo ships. (AP Photo/Farah Abdi Warsameh)
Bewaffnete Piraten und Terroristen beherrschen das Bild Somalias im Westen.Bild: picture-alliance/AP

"Wir haben einen Hilfsaufruf an die internationale Gemeinschaft gesendet. Bis jetzt gab es leider sehr wenig Resonanz", sagt Abdirzak Haassan vom Komitee für Katastrophenmanagement und Rettung der puntländischen Regierung.

Die internationale Zurückhaltung überrascht Markus Höhne kaum. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am ethnologischen Institut der Universität Leipzig und forscht zu Somalia. Das Interesse an der Not in dem afrikanischen Land sei nicht besonders groß. "Somalia wird generell als hoffnungsloser Fall wahrgenommen. Ob da noch ein paar Menschen mehr sterben oder nicht, das tangiert uns fast schon nicht mehr", fasst Höhne den Zynismus zusammen, mit dem im Westen oft über Somalia geredet werde. An Somalia interessiere ausschließlich der Terrorismus, der von dem Land ausgehe, und die Piraterie. "Die Menschen, die den verschiedenen Katastrophen zum Opfer fallen - menschgemachte und Naturkatastrophen - die finden hier wenig Gehör."