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Gewerkschaften suchen Antworten auf die Globalisierung

Rolf Wenkel19. Mai 2014

In Berlin sucht in dieser Woche der Weltkongress internationaler Gewerkschaften Antworten auf den Turbo-Kapitalismus - auch um Katastrophen wie in Bangladesch oder der Türkei zu verhindern.

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Erster Jahrestag des Einsturzes der Textilfabrik in Bangladesch (Bildergalerie)
Bild: DW/C. Meyer

In Bangladesch haben Fabrikbesitzer Näherinnen gezwungen, in einer baufälligen Fabrik zu arbeiten. In der Türkei haben sich die Besitzer ehemals staatlicher Zechen gerühmt, die Förderkosten um vier Fünftel gesenkt zu haben. Beide Male ging der Profit vor die Sicherheit, und die Katastrophen blieben nicht aus. Für Reiner Hoffmann, den frisch gewählten Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), sind das keine Zufälle."Das zeigt, dass wir einen Arbeits- und Gesundheitsschutz brauchen in diesen Ländern, der Standards enthält, dass solche katastrophalen Unfälle nicht passieren können."

Auf die Delegierten des Kongresses wartet eine Menge Arbeit - die in Deutschland freilich nicht so richtig wahrgenommen wird. Denn hierzulande haben die Arbeitgeber alles in allem gute Erfahrungen mit den Gewerkschaften gemacht. Diese Sozialpartnerschaft hat erheblich zu Wachstum und Wohlstand beigetragen. In anderen Regionen der Welt sieht das völlig anders aus, da stehen Gewerkschaften erheblich unter Druck, wenn sie sich denn überhaupt organisieren können.

Reiner Hoffmann DGB (Foto: dpa)
Reiner Hoffmann: "Wir brauchen bessere Standards"Bild: picture-alliance/dpa

Ein Beispiel: In Chattanooga im US-Bundesstaat Tennessee, wollte Volkswagen einen Betriebsrat installieren. "Die Beschäftigten und die Gewerkschaften waren dafür. Aber das ist an der extrem feindlichen Gewerkschaftsgesetzgebung in Tennessee gescheitert", so Reiner Hoffmann zur DW. Solche Beispiele finde man leider noch viel zu viele überall auf der Welt.

Keine Blaupause für den Rest der Welt

"In Deutschland ist es viel, viel einfacher, einen Betriebsrat zu organisieren. In den USA versucht man massiv, das Eindringen von Gewerkschaftsvertretern auf das Betriebsgelände zu verhindern", sagt Hagen Lesch, der im arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) für Gewerkschaften, Lohn- und Tarifpolitik zuständig ist.

Doch leider kann auch das deutsche Modell der Sozialpartnerschaft nicht überall in der Welt als Blaupause eingesetzt werden, um Gewerkschaften zu etablieren. Denn auch hierzulande ist nicht alles Gold, was glänzt: "Wir haben auch in Deutschland tägliche Tarifflucht oder Arbeitgeberverbände, die Mitgliedschaften von Unternehmen ohne Tarifbindung zulassen", sagt Reiner Hoffmann.

Viele Schwellen- und Entwicklungsländer weisen inzwischen große Wachstumsraten auf. Das sei aber mit zunehmenden Einkommensungleichheiten verbunden, bemängelt der Internationale Gewerkschaftbund. Die Armut sei weniger zurückgegangen als es möglich gewesen wäre. Deshalb fordert der IGB, dass man sich Länder mit gut entwickelten Fürsorge- und Sozialsystemen zum Vorbild nehmen sollte, wie zum Beispiel die skandinavischen Länder.

Reguläre Beschäftigung nimmt ab

"Das ist eine Kernaufgabe der Gewerkschaften, in den aufstrebenden Ländern dafür zu sorgen, dass Wohlstand möglichst gerecht und damit auch ein Stück gleicher verteilt wird", sagt Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft. Mit Sorge beobachtet der Internationale Gewerkschaftbund jedoch eine weltweite Abnahme der regulären Beschäftigung und eine Zunahme des informellen Sektors, und eine schnelle Verbreitung von ausbeuterischen Lieferketten über den gesamten Globus.

Die Gewerkschaften, so viel ist klar, müssen versuchen, mit der Globalisierung der Produktion und Distribution Schritt zu halten, "damit wir am Ende des Tages auch Bedingungen haben, wo es keine Schmutzkonkurrenz entlang internationaler Wertschöpfungsketten gibt", sagt DGB-Chef Hoffmann. "Schmutzkonkurrenz auf der Grundlage miesester Arbeitsbedingungen, den schlechtesten Bezahlungen und dann auch mit Arbeits- und Gesundheitsschutzbedingen, die für die Menschen katastrophal sind, und im schlimmsten Fall, wie wir sie jetzt in der Türkei gesehen haben, zum Tod führen."

Übrigens: Auf der Webseite des Kongresses http://congress2014.ituc-csi.org/worst-boss-poll?lang=en#.U3Sqcdfi7Nk kann jedermann über den miesesten Boss der Welt abstimmen, man hat die Auswahl zwischen neun Managern, angefangen bei Jeff Bezos von Amazon über Lloyd Blankfein von Goldman Sachs bis hin zu Rupert Murdoch. Zur Zeit führt Lee Kun-He, Chef des südkoreanischen Elektronikriesen Samsung, die Liste an.