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Lifestyle

Männermagazin "WOLF" will anders sein

Amien Essif bb
17. Dezember 2016

Der Mann verändert sich. Wollen Männerzeitschriften überleben, sollten sie darauf reagieren. "WOLF" probiert's: weg von Sex-, Bizeps- und Diättipps, hin zu Entschleunigung und Achtsamkeit.

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Cover Männermagazin Wolf Gruner + Jahr (picture-alliance/dpa/Gruner + Jahr)
Bild: picture-alliance/dpa/Gruner + Jahr

Im Dezember 2015 verabschiedete sich das "For Him Magazine", bekannt als FHM, vom Zeitschriftenmarkt. Nach 30 Jahren mit Tipps für Workouts und Diäten sowie Rankings zu "sexiest women in the world" hat FHM dicht gemacht. Im gleichen Monat stellten auch zwei weitere Männerzeitschriften, "Zoo" und "Details", ihre Ausgaben ein.

Als einer der wenigen hat der "Playboy", der Vater aller Männerzeitschriften, überlebt, fährt allerdings nur noch 20 Prozent des früheren Umsatzes der erfolgreichen 1970er-Jahre ein. Heute verkauft das Magazin weniger als eine Million Exemplare pro Monat - fünf Millionen waren es in Hochzeiten. Diesen Sommer versuchte es der "Playboy" mit einem neuen Anstrich und verbannte nackte Frauen gänzlich von seinen Seiten.

Was braucht Mann heute? 

Skulptur Penis Symbolbild Transplantation
Der "moderne Mann" definiert sich nicht nur über Libido Bild: picture-alliance/dpa/Stratenschulte

Inmitten dieses Umbruchs der Männerpublikationen steigt nun ein neues Magazin in den Ring: Seit Ende November gibt es in Deutschland die Zeitschrift "WOLF" zu kaufen - und zwar für einen völlig neuen Typ Mann, so der Anspruch der Macher. Vorerst gab es nur eine limitierte Ausgabe, um sich auf dem Markt zu orientieren. Doch eventuell könnte "WOLF" künftig vierteljährlich erscheinen. So jedenfalls der Wunsch des Hamburger Verlagshauses "Gruner und Jahr".

Anstatt Tipps zu geben, wie man eine Frau ins Bett kriegt oder wie man sich wie ein Chef kleidet, erklärt "WOLF" etwa, wie Mann meditiert. Die Artikel huldigen Holzhütten, Vinylplatten oder der Bauhaus-Bewegung. Dabei sind die Texte in ein minimalistisches Design gebettet, das Nostalgie bedient und Lust auf Do-it-yourself weckt. Erotische Fotos von Frauen sucht man vergebens. Stattdessen findet sich ein Bild der nackten Brust eines taffen Jungen - behaart, im Stil von Rocky Marciano des Jahres 1955.

Weitere Fotos zeigen zwei lesende Männer, drei in den Wald starrende Männer, und einen Mann, der seine selbstgebauten Möbel begutachtet.

Neuer Typus Mann

"Seit den Hochzeiten des Playboys hat es einen enormen Wandel in der männlichen Identität gegeben", meint Dr. Michael Kimmel, Leiter des "Center for the Study of Men and Masculinities" an der Stony Brook University in New York. Herausgeber mussten darauf reagieren, dass Männer nicht länger daran interessiert waren, bloß "stoische, roboterähnliche Sexbesessene" sein zu wollen. Doch damals traf "Playboy" den Nerv eines Männerideals, das der Nachkriegszeit entwachsen war und deren inoffizielles Motto lautete: "Work hard, play hard."

Testosteron, das Elixier der Männer in Western, bedeutete: Was auch immer Männer tun, sie sollten den Tod nicht fürchten. Und das tun sie auch nicht. Suizid ist weltweit der zweithäufigste Grund für den Tod junger Männer, und in wohlhabenden Ländern ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Männer das Leben nehmen, sogar dreimal höher als bei Frauen.

Playboy Magazin USA Cover, Foto: Getty Images/J. Kempin
Jahrzehntelang dominierten Zeitschriften wie "Playboy" die Männer- und damit auch FrauenbilderBild: Getty Images/J. Kempin

Der Grund dafür liegt in der Wettbewerbskultur, in der Männer sozialisiert werden, sagt Harry Brod, Professor für Soziologie an der University of Northern Iowa und einer der Gründerväter der Männerforschung. "Es ist eine Kombination aus zwei Dingen", sagt Brod im DW-Interview. "Der Leistungsdruck im Job wie im Bett, gepaart mit dem Unvermögen, mit diesem Druck auf gesunde Art und Weise umzugehen. Irgendwann explodiert dann die Zeitbombe."

Hilfe kommt von Frauen

"WOLF" bietet da eine Art Flucht aus der destruktiven Männlichkeit. Die Zeitschrift ist für Männer, die "ihren Fuß vom Gaspedal genommen haben und mehr im Moment leben wollen", erzählt Chefredakteurin Sinja Schütte, die ebenfalls Chefin beim Frauenmagazin "Flow" ist. 

Die Idee für "WOLF" sei entstanden, als sie sich mit Männern über "Flow" unterhalten habe. Sie mochten die Haptik, fanden das Magazin aber etwas zu feminin. Also suchte sich Schütte einen Trupp Männer, der "Flow" sozusagen in eine männlichere Sprache übersetzte.

Zu viel "Flow" in "WOLF"?

Sinja Schütte
Sinja Schütte leitet die Magazine "Flow" und "WOLF"Bild: Nele Martensen

Frauen-Stereotypen in Männer-Stereotypen zu übersetzen gestaltete sich aber gar nicht so einfach. Die Meditationstipps in "WOLF" beispielsweise werden daher von einer Liste besonders männlicher Männer begleitet, die ebenfalls meditieren, etwa Jogi Löw, Hugh Jackman, Jeff Bridges oder Michael Jordan. "Es ist die gleiche Taktik, die unsere Eltern anwandten, um uns zum Spinatessen zu bewegen."

Aber: "Obwohl wir wissen, dass Yoga gut für uns ist, machen 'echte Männer' kein Yoga", bedauert Männerforscher Kimmel. Achtsamkeit als Lebensart - Dinge zu tun, ohne sich zu vergleichen, Prioritäten neu abstecken, nach innerem Frieden streben - all das wird zwar auch unter Männern beliebter, noch ist es aber ein "leiser Trend".

Problem ist nicht gleich Problem  

Und was ist mit Männern, die nicht die Wahl haben, sich der Entschleunigung hinzugeben? Etwa weil sie zu arm sind und daher mehr als einen Job haben? Wahrscheinlich müssen sie nicht daran erinnert werden, dass es besser wäre, sich hin und wieder richtig auszuruhen. Für sie wäre eine Woche bezahlter Urlaub das Beste, nicht das "WOLF"-Magazin.

Schütte aber bleibt dabei: Entschleunigung ist für alle sozialen Schichten von Bedeutung und erinnert an die Ursprünge der Achtsamkeitsbewegung in den 1960er-Jahren als Rebellion gegen die ökonomischen und sozialen Anforderungen. "Bei der ständigen digitalen Informationsflut und Werbung sogar auf den Bussen, ist es eine Frage des Überlebens", so die Chefredakteurin.

Den "echten Mann" definieren

In der Selbstbeschreibung des ehemals erfolgreichsten Männermagazins "Maxim", waren vor dem Relaunch die Wörter "Sex, Bier, Spielzeug, Kleider, Fitness" als zentrale Inhalte des Blatts nachzulesen. Bei "WOLF" ist die Rede von "dem Männermagazin für die wichtigen Dinge im Leben".

Offen gestanden: Dies dürfte weitaus schwieriger zu verkaufen sein. Und die Wahrheit ist, dass "WOLF" keine Antwort darauf hat, was ein "echter Mann" im Jahr 2016 braucht. Aber die hat auch sonst niemand. Denn ohnehin ist Männlichkeit eine variable Eigenschaft, keine unumstößliche. Vielleicht ist es ja das Ziel von "WOLF" zu zeigen, dass der Mann in keiner Krise steckt, sondern in der Entwicklung.