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Sudetendeutsche verlangen humanitäre Geste

10. Juli 2003

- Die Erfolgsaussichten eines Antrages beim Zukunftsfonds sind jedoch gering

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Prag, 9.7.2003, PRAGER ZEITUNG, deutsch

Dass sich der Vorsitzende der Freiheitsunion, Petr Mareš, für eine Entschädigung für die deutsche Minderheit in Tschechien stark macht, ist hinlänglich bekannt. Dass die Sudetendeutschen aber bereits seit längerer Zeit eine symbolische Geste der Tschechen beantragen, wurde bislang geheim gehalten. Und das aus gutem Grund: Um eine solche Initiative zu realisieren, sollte sie möglichst aus dem politischen Alltagsgeschäft herausgehalten werden.

Doch vergangene Woche wurde ein Projekt der Arbeitsgemeinschaft sudetendeutscher Sozialwerke publik, das von der tschechischen Seite eine symbolische Geste fordert. In einem zwei Monate alten Brief von Außenminister Fischer an den bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber, über den die Süddeutsche Zeitung vergangenen Mittwoch berichtete, unterstützte Fischer eine solche humanitäre Geste der Tschechen. Auf diesen Brief beruft sich auch die Arbeitsgemeinschaft sudetendeutscher Sozialwerke, die das Schreiben ihrem Antrag beigelegt hat. Wer den Brief Fischers, und damit den Antrag an die Öffentlichkeit brachte, ist bislang unklar.

Der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft sudetendeutscher Sozialwerke, Raimund Paleczek, teilte vergangene Woche auf Anfrage mit, dass mit dem Antrag ein politisches Zeichen gesetzt werden soll. "Im Grunde geht es uns um die Anerkennung, dass es auch auf der Seite Sudetendeutscher Opfer der Gewalt gegeben hat." Paleczek betont, dass es sich aber gerade nicht um Entschädigungsleistungen handelt. "Die mit dem Projekt angeregten Zahlungen, die lediglich symbolischen Charakter hätten, sollen nur an Personen gezahlt werden, die besonders hart verfolgt wurden. Täter des Nationalsozialismus sind ausdrücklich ausgeschlossen." Würde das Projekt realisiert, könnten etwa 2000 Menschen mit Zahlungen rechnen.

Die tschechische Seite war, wie nicht anders erwartet, wenig erfreut über das Vorhaben. Regierungschef Špidla bezeichnete das Projekt als "Vorschlag in die falsche Richtung". Das tschechische Außenministerium sprach sich dagegen aus, Gelder aus dem Deutsch-tschechischen Zukunftsfonds zu verwenden. In einer Erklärung teilte das Ministerium mit, solch ein Projekt wurde bereits in der Vergangenheit für unvereinbar mit dem Auftrag und dem Statut des Fonds gehalten.

Doch genau diese Idee verfolgen die Antragsteller. Am 10. und 11. Juli wird der Verwaltungsrat des Zukunftsfonds den Antrag beraten. Eine Entscheidung ist jedoch nicht zu erwarten. Prominente Mitglieder des Gremiums verwiesen gegenüber der Prager Zeitung darauf, dass man die entsprechenden Papiere noch gar nicht vorliegen habe. Zudem würden an der Sitzung weder die Vorsitzende Dagmar Burešová noch Antje Vollmer, die prominenteste deutsche Politikerin in dieser Runde, teilnehmen können. Als wahrscheinlich gilt deshalb, dass eine inhaltliche Debatte zu dem Thema humanitäre Geste erst auf der folgenden Sitzung stattfinden wird. Ein Termin für diese steht bislang nicht fest, anvisiert wird der Oktober diesen Jahres.

Der Kernpunkt des Ganzen ist: Inwieweit passt das Projekt in die Aufgabenstellung des Zukunftsfonds? Dazu liegt den Mitgliedern wohl bereits ein vertrauliches Papier aus der Feder eines der führenden Mitglieder des Gremiums vor. In dem Schreiben wird festgestellt, dass sich der Antrag weder mit Bestimmung noch Wortlaut der Satzung in Einklang bringen lässt. Im Zukunftsfonds steht man den Anträgen, um es vorsichtig zu formulieren, wohl nicht sehr offen gegenüber. Eines der Mitglieder brachte seine Meinung mit der Äußerung auf den Punkt, dass der Zukunftsfonds keine Milchkuh für die Politik sei.

Allerdings wird wohl auch im Oktober keine Entscheidung des Verwaltungsrates zu erwarten sein. Was passieren könnte, skizziert ein prominentes Mitglied so: "Wir werden uns an beide Außenminister mit der Anfrage um eine dezidierte Stellungnahme wenden, ob derartige Gesten in die politische Landschaft passen." Erst wenn von dort, also von den Stiftungsgebern, eine positive Antwort kommt, dann beginnt in den Gremien des Zukunftsfonds die interne und unabhängige Diskussion.

Langsam könnte sich jedoch bei der sudetendeutschen Arbeitsgemeinschaft Unmut breit machen. "Wir haben eineinhalb Jahre lang Rücksicht genommen auf die gesellschaftliche Situation in Tschechien", so Paleczek. "Wir haben zwei Wahlen und das Referendum abgewartet. Länger zu warten ist mit Blick auf die Opfer nicht vertretbar." (fp)