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Super Bowl? Nur ein Spiel…

Joscha Weber1. Februar 2015

In der Nacht zu Montag hat Sebastian Vollmer beim Super Bowl die Chance, als erster Deutscher den NFL-Titel zu holen. Vor dem Duell von New England mit Seattle gibt sich Vollmer aber betont gelassen.

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Quarterback Tom Brady (l.) und sein "Bodyguard" Sebastian Vollmer (Foto: dpa)
Hälst Du mir den Rücken wieder frei? Quarterback Tom Brady (l.) und sein "Bodyguard" Sebastian VollmerBild: picture-alliance/dpa/C. Gunther

"Fokussiert" - ein Wort, das im Sport zum Synonym für bereit, klar und konzentriert geworden ist. Ein Wort, mit dem sich viele brüsten. Entweder, weil der eigene Medienberater diese Floskel gerne von seinem Schützling hören will. Oder, weil man sich damit vielleicht auch etwas Mut machen möchte. Aber es gibt noch eine dritte Variante: "Fokussiert" trifft tatsächlich zu. So ist es im Fall von Sebastian Vollmer. Wer dem Hünen der New England Patriots zuhört, erkennt einen Menschen, der in sich ruht, Emotionen lieber verdrängt. Mit Bedacht wählt er seine Worte, meistens sind es auch nicht besonders viele.

Eine Urgewalt auf dem Platz

Auf dem Platz ist der Deutsche eine Urgewalt, wenn er als Right Tackle in der Offensive Line die anstürmenden Gegner wegblockt und ziemlich unsanft niederringt, bevor sie den Quarterback, den Spielmacher, zu erreichen und zu Boden zu reißen. Neben dem Platz ist Sebastian Vollmer ein anderer Mensch. Er bevorzugt die leisen Töne und hört anderen ruhig zu. Und dann gibt er Antworten wie diese: "Ich bin nicht aufgeregt", so Vollmer kurz vor dem 49. Super Bowl in Glendale, USA (02.02.2015, ab 0 Uhr MEZ im DW-Liveticker). Mit ruhiger Stimme fährt der 30-Jährige fort: "Ich bin nicht jemand, der total nervös wird."

Super Bowl 2014 im MetLife Stadium in East Rutherford/New Jersey (Foto: dpa)
Super Bowl: Showacts, Cheerleader, Traumquoten, teure Werbespots und irgendwann auch American FootballBild: picture-alliance/dpa

Nein, das nimmt man auch nicht an, wenn man ihn sprechen hört. Seine Gelassenheit kurz vor seinem Höhepunkt des Jahres wirkt nicht gespielt. "Meine Tage vor dem Finale sind wie sonst auch. Ich versuche meine Routine so weit wie möglich beizubehalten." Vollmer weiß schließlich, was ihn erwartet: Das Endspiel zwischen seinen New England Patriots und Titelverteidiger Seattle Seahawks in der Nacht zum Montag ist bereits seine zweite Teilnahme am Spektakel Super Bowl. Vor zwei Jahren verlor Vollmer bei seiner Final-Premiere knapp gegen die New York Giants. "Ich hab es nicht vergessen", sagt Vollmer, der nun als erster Deutscher NFL-Champion werden kann. Von gestiegenen Erwartungen will er aber nichts wissen: "Es hat nichts mit Druck zu tun. Es ist einfach ein weiterer Versuch, den Super Bowl zu gewinnen. Letztlich ist es ist nur ein Spiel."

Duell der Generationen

So einfach ist das für Vollmer, der mit seinen Patriots als leichter Favorit in den Super Bowl gegen die Seattle Seahawks geht. Die Sportwettenanbieter sehen New England etwas vorne. Das könnte auch zum einen an den drei Super-Bowl-Titeln der Patriots seit der Jahrtausendwende liegen, aber vielleicht auch an Quarterback Tom Brady. Der ist zwar bereits 37 Jahre alt (sein Gegenüber bei Seattle Russell Wilson ist erst 26 Jahre alt), spielt aber geschickt seine Erfahrung und Klasse aus. Dies gelingt ihm auch, weil Vollmer ihm den Rücken freihält. "Er ist beständig, zäh, athletisch und einer der kräftigsten Kerle, die ich je gesehen habe", schwärmt Brady von seinem "Bodyguard" auf dem Feld. Vollmer selbst beschreibt seine Rolle - wie sollte es anders sein - ganz nüchtern: "Ich bin Teil der Offensive Line. Ich soll meinem Quarterback Zeit geben. Ich muss meinen Gegner wegräumen, damit mein Quarterback Zeit hat, den Ball zu spielen", sagte er der Deutschen Welle.

Sebastian Vollmer (l.) und Vince Wilfork (Foto: dpa)
Harte Jungs: Sebastian Vollmer (l.) und Vince Wilfork sind zuständig fürs GrobeBild: picture-alliance/dpa/C. Gunther

Sebastian Vollmer, in Anlehnung an seinen Vornamen "Sea Bass" (Wolfsbarsch) genannt, ist beim Super Bowl mit 2,03 Metern der größte Spieler auf dem Feld und fiel schon immer durch seine Größe auf, aber auch nicht nur. Schon mit 14 Jahren war der Junge aus Kaarst bei Düsseldorf eine "imposante Erscheinung", wie sich sein damaliger Trainer Steffen Breuer von der Jugendmannschaft der Düsseldorf Panther im Gespräch mit dem WDR erinnert. Dank seiner frühen Schwimmer-Laufbahn, bei der er Jugend-Meistertitel errang, war Vollmer schon in diesem Alter athletisch, hatte "keinen Puddingpanzer, sondern einen durchtrainierten Körper. Es war schnell klar, dass er tolle Voraussetzungen und die nötige Leistungsbereitschaft mitbringt", so Breuer. Voraussetzungen, die ihm bei seiner aktuellen Position in der Offensive Line sehr helfen.

Hohes Salär, viele Schmerzen

Abblocken, wegräumen, sich entgegenwerfen. Ein Job, der simpel klingt, aber gut bezahlt ist: Im März 2013 unterschrieb Vollmer einen neuen Vierjahresvertrag bei den Patriots. Er soll damit rund 23,8 Millionen US-Dollar verdienen. Garantiert sind ihm für die vier Jahre rund 7,3 Millionen. Diese astronomischen Summen haben aber ihren Preis: Auf die Frage, ob er in Footballspielen überhaupt auch mal ohne Schmerzmittel auskomme, antwortet Vollmer vielsagend: "Es ist ein Kontaktsport. Da gibt es immer blaue Flecken. Das geht aber jedem so. Schmerzfrei geht es kaum oder nie. Wir sind jetzt vor dem 21. Spiel, da ist es doch klar, dass alles weh tut."

Die Schmerzen noch einmal zu ertragen, das ist nun sein Ziel. Vor dem Megaevent, das in beinahe alle Länder der Welt übertragen wird und weltweit wieder mehr als 150 Millionen Zuschauer vor die TV-Bildschirme ziehen soll, weiß der 145 Kilo schwere Vollmer, was zu tun ist. Angesichts des Trubels am Media Day, Sponsorenterminen, Autogrammwünschen und zahlloser Anfragen, gilt es einen kühlen Kopf zu bewahren. Alles für seinen großen Traum: "Ich weiß, was auf dem Spiel steht. Den Super Bowl zu gewinnen, wäre das Größte, was man als Profispieler erreichen kann." Und dann könnte der in sich ruhende Koloss aus Kaarst vielleicht tatsächlich einmal aus sich herausgehen.