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Supermacht USA braucht Verbündete

Petra Kohnen4. Februar 2002

Die Terroranschläge vom 11. September und die Folgen für die globale Sicherheit, das war - wie zu erwarten - das beherrschende Thema der Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik. Ein Kommentar von Petra Kohnen.

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Bei diesem alljährlichen Brainstorming zur Konfliktlösung hat sich natürlich nicht die "Kriegselite" der Welt - wie von den Gegnern des Forums plakativ formuliert - getroffen. Gewaltbereite Globalisierungsgegner sahen sich vielmehr Sicherheitspolitikern aus 43 Staaten gegenüber. Diese Experten haben ohne Protokolldruck und Parteizwang kontrovers darüber diskutiert, mit welchen Mitteln die neue Gefahr bekämpft werden kann. Bei der für ihr offenes Wort bekannten Tagung wurde einmal mehr deutlich, dass Sicherheit - wenn überhaupt - nur dann gewährleistet werden kann, wenn alle an einem Strang ziehen. Das bekam auch der einzige Weltpolizist, die Supermacht USA zu spüren. Die meisten Strategen, auch die aus Russland, China, Indien und Pakistan prophezeiten den Bruch der "Allianz gegen den Terror", sollten die USA gegen Iran, Irak und Nordkorea vorgehen.

Das nach dem 11. September entstandene Stabilitäts-Bündnis - das wurde sowohl in den offiziellen Reden als auch bei den Flurgesprächen mehr als deutlich - ist für die USA politisch unersetzlich. Die Supermacht braucht weiterhin weltweit Verbündete. Und da war der besondere Dank für Pakistans Solidarität vom stellvertretenden US-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz klug formuliert. Denn es ist vor allem die islamische Welt die im Anti-Terror-Boot bleiben muss.

Wer allerdings geglaubt hat, die USA will künftig auch militärisch auf Partnerschaft setzen, der sah sich getäuscht. Der Anti-Terror-Feldzug wird wie selbstverständlich zu US-Bedingungen durchgeführt.

Paul Wolfowitz, bekannt als Hardliner in Sachen Militärpolitik, wies nicht ganz zu Unrecht auf die finanziellen und strukturellen Versäumnisse insbesondere der europäischen Verbündeten hin. Wehrpflichtarmeen sind überflüssig, schnell verlegbare professionelle Kräfte werden gebraucht, schrieb er insbesondere den Deutschen ins Stammbuch. Sicherheit koste Geld - attackierte er scharfzüngig die Partner in der Allianz - und das seien sie nicht bereit zu zahlen. Das ist richtig. Die Führungsnation USA kämpft vor allem auch deshalb an vorderster Front, weil sie den Verbündeten militär-technisch hoch überlegen ist. Die US-Schelte kam Bayerns Ministerpräsidenten Edmund Stoiber gerade recht. So konnte er das Münchner Sicherheitsforum wunderbar als Wahlkampfplattform nutzen. Der Kanzlerkandidat der Union kündigte vollmundig an, die deutschen Kampftruppen aufzustocken sowie Satellitentechnik und modernes Gerät anzuschaffen. Das sind derzeit natürlich Wahlversprechen ohne fundierte Finanzierung.

Verteidigungsminister Rudolf Scharping will seit seinem Amtsantritt mehr in die Truppe investieren, scheitert aber permanent am Sparkurs der Bundesregierung. Jüngstes Beispiel ist der Finanzierungskonflikt für die Beschaffung des europäischen Militär-Transporters. Heftige Kritik musste sich Scharping deshalb am Rande der Konferenz von seinen am Projekt beteiligten Partnern gefallen lassen.

Nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes wurde in München eine neue Rolle für die NATO gesucht. Nach dem 11. September hat das mächtigste Militärbündnis der Welt zum ersten Mal in seiner Geschichte den Bündnisfall erklärt - und wird trotzdem nicht gebraucht. NATO-Generalsekretär George Robertson hatte seine liebe Not, die Existenzberechtigung des Bündnisses zu rechtfertigen. Er weiß, dass Amerika stark genug ist, den Anti-Terror-Einsatz allein zu schultern. In Vietnam und am Golf - sagt er ganz offen - war die NATO auch nicht dabei.

Das Bündnis hat derzeit aber tatsächlich andere Probleme. 60.000 Nato-Soldaten müssen auf dem Balkan für Frieden sorgen. Neun osteuropäische - ehemals kommunistische Staaten - sollen möglichst schnell Platz in der Allianz finden. Die Sicherheitsexperten der neuen Mitgliedsländer Polen, Ungarn und Tschechien wissen wie schwer es ist, sich in die militärischen Strukturen zu integrieren. Nicht ganz so offen wollen sie hier zugeben, dass die Zusammenarbeit oft schon an der Sprache scheitert.

Das ist Wasser auf die Mühlen der russischen Seite. Seit den fünfziger Jahren erklären sie die NATO für "überlebt, reaktionär und überflüssig". Sergej Iwanow, Sicherheitsberater des russischen Präsidenten Wladimir Putin, war allerdings nicht so deutlich. Russland als neuer Freund des Westens fordert derzeit nur gleichberechtigte Mitsprache.

Amerika bemühte sich in München erneut, den europäischen Partnern die militärische Marschrichtung zu diktieren. Es gelang ihnen aber nicht ganz. Und das, obwohl der Hardliner aus dem Pentagon und zahlreiche amerikanische Senatoren in Sachen ´Schurkenstaaten´ massiv moralischen Druck auszuüben suchten.

Gerade wegen all dieser klaren Worte hat das transatlantische, ja man muss beinahe sagen das globale Verhältnis Schwung bekommen. Denn die weltweiten Herausforderungen und der Kampf gegen den Terror machen Allianzen unersetzlich.