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Supermarkt-Ketten drängen nach Indien

Sonia Phalnikar17. Mai 2006

Vor drei Jahren hat sich die deutsche Großhandelskette Metro in Indien gegen die Konkurrenten Wal-Mart und Carrefour durchgesetzt. Doch der Einstieg in den indischen Markt gestaltet sich schwierig.

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Andrang ohne Gemüse: Metro-Supermarkt in IndienBild: metro

Der riesige Großmarkt mit dem gelb-blauen Metro-Logo in der indischen IT-Metropole Bangalore sieht aus, wie jeder beliebige Großhandel in Europa. Lange Reihen Kleidung von der Stange, Regale mit Haushaltswaren und Tiefkühltruhen mit Fisch und Meeresfrüchten. Doch in einem Land, in dem mehr als 70 Prozent der Menschen Vegetarier sind, fällt auf, dass die Kette kein frisches Obst und Gemüse im Angebot hat.

Anfeindungen durch lokaler Händler

Metro-Supermarkt in Indien
Kleider von der Stange: Metro-Supermarkt in IndienBild: metro

Dafür gibt es eine einfache Erklärung: In einigen indischen Bundesstaaten ist es den Bauern verboten, ihre Produkte direkt an den Einzelhandel zu verkaufen. Im Bundesstaat Karnataka, dessen Hauptstadt Bangalore ist, dürfen Agrarprodukte nur auf staatlichen Märkten über ein kompliziertes System von Mittelsmännern gehandelt werden. Das Ergebnis ist für Metro nicht nur ein finanzieller Nachteil - Obst und Gemüse machen in Indien 30 Prozent des gesamten Warenumsatzes aus - sondern auch Anfeindungen einer Lobby lokaler Händler.

"Ja, ich habe von Metro gehört", sagt Nagesh Kumaran, ein 36 Jahre alter Bauer. Nicht weit von der sterilen Umgebung des Großhändlers hat er auf einem schmutzigen und chaotischen Gemüsemarkt Berge von Tomaten und roten Chilischoten aufgetürmt. "Alles was die wollen, ist, uns zu ruinieren." Metro, das seine Waren zu 98 Prozent von lokalen Anbietern in Bangalore bezieht, bestreitet das. Moderne Transportmethoden und Verteilernetze könnten den Bauern bessere Gewinnmargen bieten, argumentiert man hier.

Regierung unter Druck

"35-40 Prozent Obst und Gemüse verdirbt in Indien während des Transportes. Schuld daran sind Verspätungen und schlechte Kühlung. Für die Bauern ist das verlorenes Geld", sagt Harsh Bahadur, Vorstandsvorsitzender von Metro India. Er erinnert sich noch gut daran, wie die Händler eine Woche lang protestiert haben, als Metro als eine der ersten Großhandelsketten auf den indischen Markt drängte und 2003 in Bangalore zwei Supermärkte eröffnete. "Sechs Tage lang streikten 600 Händler und in ganz Bangalore gab es keinen Reis mehr zu kaufen. Wenn es darum geht, ausländische Unternehmen auf dem Markt zu lassen, steht die Regierung unter enormem Druck."

Indien Handelsminister Kamal Nath
Unter enormem Druck: Handelsminister Kamal NathBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Dieses Dilemma spiegelt das verwirrende und mit vielen Stolperfallen durchsetzte Netz aus staatlichen und kommunalen Regelungen wieder, auf das sich ausländische Unternehmer einlassen müssen, wenn sie mit der boomenden indischen Wirtschaft und der rasant anwachsenden Mittelklasse liebäugeln. Gerade im Einzelhandel dominiert ein Vielzahl von Regeln, die den Markt gegen ausländische Investoren abschirmen soll. Mit mehr als 12 Millionen Kleinhändlern und jeder 25. Familie, die ihren Lebensunterhalt im Einzelhandel verdient, ist die Angst groß, dass eine Invasion von ausländischen Supermärkten Millionen Menschen ihre Arbeit kosten könnte.

"Arbeitsplätze schaffen, nicht zerstören"

Vor kurzem hat die indische Regierung ausländischen Firmen eine 51-prozentige Beteiligung an Marken-Outlets erlaubt. Aber der indische Handelsminister Kamal Nath hat klargestellt, dass die Regierung es nicht eilig hat, die Handelsschranken im Einzelhandel zu lockern. "Wir werden ein Fenster nach dem anderen öffnen", sagt Nath. "Ausländische Investitionen im Einzelhandel müssen Arbeitspätze schaffen, nicht zerstören."

Harsh Bahadur von Metro erklärt, das das Unternehmen sich durch eine verwirrende Vielfalt von Gesetzen, Steuersätzen und Zollbestimmungen kämpfen müsse, wenn es darum geht, Waren von einem Bundesstaat in den nächsten zu transportieren. Auch der Versuch, in Indien Land zu kaufen, ist eine hohe Hürde für Unternehmen, die in Indien investieren wollen. "Der Landbesitz ist oft nicht richtig erfasst oder umstritten, so dass manchmal nicht einmal klar ist, wer der wirkliche Besitzer des Grundstücks ist", sagt Bahadur.

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Über 30 Millionenstädte: Nächtlicher Verkehr in BangaloreBild: AP

Im Bundestaat Karnataka kommt außerdem noch politische Instabilität dazu. In den letzten Jahren sind drei verschiedene Regierungen an die Macht gekommen; alle haben angekündigt, keine weiteren Marktreformen durchzuführen. Metro hat daraufhin begonnen, sich in anderen Bundesstaaten umzusehen. Doch trotz aller Widerstände stellt Metro klar, dass die ursprünglichen Investitionen in Indien, die sich auf 35 Millionen Euro belaufen, sich gelohnt haben. Das Unternehmen hat bereits angekündigt, dass es drei weitere Discounter in Indien eröffnen will. Investitionssumme: 300 Millionen Euro.

Der interessanteste Markt weltweit

Bedenkt man allein die Größe und das Potenzial des indischen Marktes, dann ist das nicht weiter überraschend. "Lassen Sie uns nicht vergessen, dass Indien mehr als 30 Städte mit über einer Million Einwohner hat", schwärmt Bahadur. "In jeder davon soll es in Zukunft einen Metro geben."

Laut einer Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney ist Indien derzeit der interessanteste Markt weltweit für den Einzelhandel. Das Handelsvolumen liegt bei 330 Milliarden Dollar und wächst jährlich um zehn Prozent. Multinationale Konzerne wie Wal-Mart klopfen an die Tür, und die einheimische Kette Reliance plant, in den nächsten Jahren 2,2 Milliarden Dollar in neue Supermärkte zu investieren.

Metro-Supermarkt in Indien
Metro-Supermarkt in IndienBild: metro

Bei Metro glaubt man, durch den frühen Einstieg einen Vorsprung zu haben. Bahadur weist darauf hin, dass sich in Städten wie Kalkutta und Hyderabad die Immobilienpreise verdoppelt haben, seit Metro dort Pachtverträge für seine Filialen abgeschlossen hat. "Es stimmt, dass man in Indien manchmal lange schwierige Wege beschreiten muss, wie zum Beispiel, dass wir wichtige Produkte wie Gemüse, Getreide und Hülsenfrüchte nicht verkaufen dürfen.", sagte der Vorstandvorsitzende der Metro-Gruppe, Hans-Joachim Körber. "Aber wir sind überzeugt, dass sich unsere Anstrengungen am Ende lohnen."