1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ethischer Umgang mit Viren

Fabian Schmidt23. Dezember 2011

Die Entwicklung gefährlicher Super-Viren im Labor stellt Wissenschaftler vor einen ethischen Konflikt: Sollen sie ihre Ergebnisse veröffentlichen oder zur Sicherheit vor Missbrauch besser geheim halten?

https://p.dw.com/p/13YM2
Ebola Virus Virion
Bild: picture-alliance/dpa

Dieser Vorgang war bislang einzigartig: Wissenschaftler und Fachjournale baten darum, die Details von Forschungsarbeiten unter Verschluss zu halten. Die Immunologen Ron Fouchier von der Erasmus Universität Rotterdam und Yoshihiro Kawaoka von der Universität Wisconsin hatten zwei separate Studien über die Gefahr einer Mutation des Vogelgrippevirus H5N1 erstellt.

Beide kamen unabhängig voneinander zu dem Ergebnis, dass solche Mutationen in der Natur leicht möglich seien. Vor allem sei es aber auch möglich, künstlich ein Supervirus zu erzeugen. Fouchier hatte sogar ein hochansteckendes und tödliches Virus geschaffen, das sich im Labor rasant unter Frettchen ausbreitete und die meisten von ihnen tötete. Jetzt haben die Forscher einer Bitte des Beraterausschusses für Biosicherheit im US-Gesundheitsministerium entsprochen, Teile der Studie geheim zu halten, die möglichen Terroristen Hinweise geben könnten, wie ein solcher Erreger zu erzeugen ist.

Zensur oder Gefahrenabwehr?

Der Fall damals sorgte für Aufregung in der Forscher-Szene: Ende 2011 bat die US-Regierung Hochschulverband sprach sogar von "Zensur." Philosophen, die sich mit Ethik in den Biowissenschaften beschäftigen, verweisen jedoch darauf, dass in diesem Fall die Forschungsfreiheit gegen das Recht der Menschen auf Gesundheit und öffentliche Sicherheit abgewogen werden muss. Und diese Güterabwägung sei nicht leicht.

Prof. Dr. Dieter Sturma, Direktor des Deutschen Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE), Bonn (Foto: DRZE)
Sturma nimmt Forscher in die VerantwortungBild: DRZE

"Die Forschungsfreiheit soll ja auch garantieren, dass der Zugang zur Forschung an Impfungen und Therapien freigehalten wird", betont Prof. Dieter Sturma, Direktor des Deutschen Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE). Denn nur wenn den Medizinern - wie im aktuellen Fall - die möglichen Mutationsformen eines Virus bekannt sind, können sie auch Gegenmaßnahmen entwickeln. Andererseits sei gerade durch eine Veröffentlichung die Gefahr groß, dass das Wissen in falsche Hände gerät.

Auch die Frage, wer darüber entscheiden soll, welches Wissen öffentlich sein darf und welches geheim bleiben muss, stelle einen ethischen Konflikt dar. In der Wissenschaft gelte bisher vor allem das Prinzip der Selbstkontrolle. Aber nicht alle Wissenschaftler hielten sich daran, so der Philosoph. Zwar könne die Regierung auch ordnungspolitische Maßnahmen ergreifen, allerdings mangele es dann an internationaler Verbindlichkeit. Zudem seien internationale Konventionen mit dem Ziel, Wissen unter Verschluss zu halten, "extrem schwer umzusetzen".

Proliferation von Wissen

Während man internationale Abkommen zur Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen durchaus kontrollieren kann, geht das im Fall der Forschungsergebnisse über mutierte Viren nicht. "Wissen kann einfacher übermittelt werden", betont Bert Heinrichs, der die wissenschaftliche Abteilung des DRZE leitet. Zudem stelle sich die grundsätzliche Frage: "Darf man Wissen in derselben Weise einschränken?". Es wäre auch nicht denkbar eine "Ausfuhrbehörde für Wissen" zu installieren. "Das wäre ja eine Art von Zensur", gibt Heinrichs zu bedenken.

Also müsse das Problem vor allem innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft gelöst werden. Schon jetzt gebe es innerhalb der Forschergemeinschaft ethische Selbstbeschränkungen, an die sich die Wissenschaftler auch halten. So prüfen führende medizinische Fachzeitschriften vor der Veröffentlichung, ob sich die Forscher an festgelegte ethische Prinzipien gehalten haben, zum Beispiel im Bereich der Stammzellforschung oder bei der Forschung mit Tieren. In Europa werde überhaupt nicht mehr an Primaten geforscht.

Analog dazu sollten sich Wissenschaftler bei Veröffentlichungen selbst beschränken und sich der Verantwortung für mögliche Folgen stellen. "Generell kann nicht gesagt werden, dass mit Verweis auf die Forschungsfreiheit einfach alle Ergebnisse unterschiedslos präsentiert werden sollten. Diese Forschungsfreiheit ist nicht grenzenlos", meint der Philosoph Sturma. Allerdings dürfe sie auch nicht in irgendeiner Form unterdrückt werden.

Ethische Standards festlegen

Deshalb könnten Institutionen, die Forschungsvorhaben finanzieren oder veröffentlichen, durchaus Vorgaben machen, um Gefahren von der Öffentlichkeit abzuwenden. Sturma bezweifelt allerdings, ob die Einhaltung solcher Gesetze kontrollierbar ist.

Auf der anderen Seite seien sich die meisten Wissenschaftler ihrer Verantwortung durchaus bewusst. Viele Wissenschaftler seien sogar dankbar, wenn sie Vorgaben bekommen, wie sie sich in dieser oder jener Situation verhalten können oder sollen.