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Sushi und Klima-Gau

Daniel Scheschkewitz1. Juni 2004

Wer hätte das gedacht? Hollywood kann sich durchaus auch mal ernsthaften Themen zuwenden … und zwar mit Erfolg. Zumindest im US-Kino wird eine Klimakatastrophe offensichtlich doch für möglich gehalten.

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86 Millionen US-Dollar hat der Klimakatastrophen-Film "The Day after Tomorrow" schon an seinem ersten Wochenende in den amerikanischen Kinos eingespielt. Damit lag er zwar knapp hinter dem Monster-Zeichentrickfilm "Shrek 2". Aber immerhin, für eine Kino-Nation, die mit Kyoto bislang vermutlich ein Sushigericht verband, ist dieser Kassenerfolg durchaus bemerkenswert. Vor allem, wenn man bedenkt mit welchem geistigen Tiefgang das Kinopublikum in den USA sonst in die Lichtspieltheater gelockt wird.

Roland Emmerich, der in Deutschland geborene Filmemacher mit der Vorliebe für die perfekt inszenierte Katastrophe, hat auch dieses mal wieder keinen digitalen Kunstgriff ausgelassen, um die neue Eiszeit über New York und dem Rest der nördlichen Hemisphäre hereinbrechen zu lassen. Und, er hat den Klimagau auf Hollywoodmanier inszeniert und konnte wohl nur deswegen mit diesem Thema reüssieren. Da ist zunächst mal der beherzte Verzicht auf komplizierte Wissenschaftsdetails. Ein digitales Schaubild und drei Sätze genügen, um den Präsidenten von der herannahenden Klimakatastrophe zu überzeugen.

Bücherverbrennung einmal anders

Zwar sitzen die Helden unseres Films in der Zentralbibliothek von Manhattan unter tausenden von Büchern fest, aber auf die Idee, zu lesen, kommt keiner von ihnen. Wie auch, angesichts der heraufziehenden Eiszeit zählt jede Blattseite im Kamin. Ein Scharlatan, wer da noch an einer seltenen Gutenbergbibel festhalten will. Nietzsche? Weg damit, schließlich hatte der es doch sogar auf die eigene Schwester abgesehen.

Den lautesten Applaus erzielt der Film jedoch nicht etwa als ein geläuterter Vizepräsident (soweit würde Dick Cheney niemals gehen) sich zum Umweltfrevel bekennt. Nein, Beifallsstürme branden im Kino auf, als unsere Eissturm-Gefangenen mal eben ein paar tausend Seiten Steuerführer dem Kamin anvertrauen. Hurra, selbst im Anblick der Katastrophe vermögen unsere amerikanischen Filmhelden noch Prioritäten zu setzen.

Dass niemand Russisch lesen kann, als ein herrenloses Schiff aus dem Polarmeer vorbei segelt, ist Pech. Der dringend benötigte Arzneischrank wird auch so geplündert, schließlich war der Erfinder des Penizillins ja nun weiß Gott kein Russe. Wie überhaupt angesichts der im Stundentakt über der Zivilisation hereinbrechenden Klimakatastrophe vor alle amerikanische Primärtugenden Rettung versprechen.

Kämpfen, bezahlen und beten

Erstens: kämpfen. Ein Vater peitscht sich zu Fuß durch den Eistornado von Philadelphia bis nach Manhattan zum eingeschlossenen Sohn. Dazu würde ein normal Sterblicher schon bei mildem Sommerwetter einige Tage brauchen, aber Hollywoodhelden mit Motiv verfügen bekanntlich über überirdische Kräfte.

Zweitens: bezahlen. Um die unwilligen Mexikaner zur Öffnung der Landesgrenzen für die Klima-Asylsuchenden US-Bürger zu bewegen, zückt der US-Präsident mal eben das Scheckbuch. Im Angesicht der heraufziehenden Eiszeit sind Lateinamerikas Auslandsschulden schell erlassen. Wäre doch gelacht , wenn der Yankee-Dollar nicht auch in einer Klimakatastrophe Abhilfe schafft.

Und drittens: beten. Nur so lässt sich erklären, dass zwar halb Manhattan unter der Riesenflutwelle zusammenbricht, doch ausgerechnet die Freiheitsstatue der Eisfront Paroli bieten kann. Hier hatte Petrus ganz offenbar doch ein Einsehen. Die Freiheit stirbt zuletzt - auch bei Minus 90 Grad. So lässt sich eben auch mit dem Klischee aufräumen, Amerikaner interessierten sich nicht für Umweltthemen.