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Politik

Swetowa: "Es war Einschüchterung"

Roman Goncharenko
1. März 2017

Die bekannte russische Journalistin und Menschenrechtlerin Soja Swetowa spricht im DW-Interview über die stundenlange Durchsuchung ihrer Wohnung in Moskau. Sie sieht darin eine Art "Rache" der Machthaber.

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Russland Soja Swetowa in Moskau
Bild: Getty Images/AFP/V. Maximov

Deutsche Welle: Die russischen Behörden haben am Dienstag rund zehn Stunden lang Ihre Moskauer Wohnung durchsucht. Angeblich wurde nach Beweisen für Geldwäsche des früheren Ölmilliardärs und Kreml-Kritikers Michail Chodorkowski rund um sein Projekt "Offenes Russland" gesucht. Worauf führen Sie die Durchsuchung zurück?

Soja Swetowa: Ich bin als Journalistin für die Online-Publikation "Open Russia" tätig und habe nichts mit Chodorkowski zu tun. Ich bin kein Mitglied seiner Bewegung "Offenes Russland". Man kann mir keine Geldwäsche vorwerfen, bei mir läuft alles legal. Deshalb verstehe ich nicht, warum eine Richterin diese Durchsuchung genehmigt hat. Sie war sinnlos, denn die Ermittler haben nichts gefunden. In der Durchsuchungsbescheinigung hieß es, man vermute, bei mir könnten irgendwelche Papiere zu Chodorkowskis finanziellen Machenschaften sein. Die Ermittler haben alte Computer meiner Kinder, USB-Sticks mit meinen Arbeitsdateien und mein iPad mitgenommen. Ich glaube, dass diese Durchsuchung eher ein Akt der Einschüchterung war. Ich schreibe für ein Medium, das nicht zensiert wird. Ich beschäftige mich mein Leben lang mit Menschenrechten. Ich habe jahrelang Menschen in Untersuchungshaft in Moskau besucht, mich intensiv um politische Häftlinge gekümmert und darüber geschrieben. Ich denke, dass die Durchsuchung einer Art Rache dafür war. 

Welche konkreten Artikel oder Fälle meinen Sie?

Ich beschäftigte mich zum Beispiel mit dem Fall Swetlana Dawydowa (Anm. d. Red.: Nach heftiger Kritik wurden 2015 die Ermittlungen gegen die russische Hausfrau wegen Landesverrats eingestellt. Sie wurde verdächtigt, die Ukraine über Truppenbewegungen informiert zu haben). Ich glaube, dass Menschenrechtler zu ihrer Freilassung beigetragen haben. Ich habe mich um mehrere ukrainische politische Häftlinge in Russland gekümmert. In einer Haftanstalt in Moskau habe ich Menschen gefunden, die vor ihren Verwandten und Anwälten versteckt wurden, und das habe ich publik gemacht. 

Einer ihrer Anwälte hat am Mittwoch wegen der Durchsuchung Beschwerde bei einem Moskauer Gericht und beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angekündigt. Was werfen Sie den Behörden vor?

Es gab Verstöße, aber die Anwälte kennen die Einzelheiten besser. Da war zum Beispiel ein unbekannter Mann, der den Beginn der Durchsuchung gefilmt hat. Er war wohl ein Journalist, den die Ermittler mitgebracht haben. Das ist unzulässig.

Was hat Sie bei der Durchsuchung am meisten überrascht?

Am meisten hat mich die Reaktion meiner Freunde bewegt, aber auch von Menschen, die ich gar nicht kenne. Ich war erstaunt, dass mich die Menschenrechtsbeauftragte Tatiana Moskalkowa angerufen hat. Unterstützung der Öffentlichkeit ist in solchen Fällen sehr wichtig.

Der bekannte Kreml-kritische Journalist Arkadij Babtschenko, der vor kurzem Russland verlassen hat und jetzt im Ausland lebt, hat auch andere Regimegegner zur Ausreise aufgerufen. Sie selbst haben sich in Ihrem Blog bei "Open Russia" dagegen ausgesprochen. Haben Sie es sich jetzt nach der Durchsuchung anders überlegt?

Nein, es hat sich nicht geändert. Das heutige Russland ist ein Land, in dem niemand mehr vor einer Durchsuchung, Verhaftung oder Verurteilung sicher sein kann. Doch es ist mein Land und ich will es nicht verlassen. Hier ist meine Arbeit, hier liegen meine Eltern begraben und meine Kinder leben hier. Ich sehe keinen Grund zur Ausreise. Ich bin unschuldig.

Soja Swetowa, Jahrgang 1959, ist freie Journalistin und Menschenrechtlerin in Moskau. Sie schrieb unter anderem für das Magazin "The New Times" und war als Vertreterin von "Reporter ohne Grenzen" tätig. Zurzeit schreibt sie für die Webseite "Open Russia". 2009 wurde sie in Hamburg mit dem Gerd-Bucerius-Förderpreis Freie Presse Osteuropas ausgezeichnet.

Das Gespräch führte Roman Goncharenko.