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Syrien will deutschen UN-Ermittler verhaften

5. Oktober 2010

Der Libanon ist empört, weil die syrische Justiz 33 Haftbefehle gegen Beteiligte am Hariri-Tribunal wegen angeblicher Falschaussage ausgestellt hat. Betroffen ist auch der ehemalige deutsche UN-Ermittler Detlev Mehlis.

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Detlev Mehlis, der ehemalige UN-Sonderermittler für das Hariri-Tribunal (Foto:dpa)
Detlev Mehlis, der ehemalige UN-Sonderermittler für das Hariri-TribunalBild: dpa

Bereits am Sonntag (03.10.2010) hatte die syrische Justiz die 33 Haftbefehle erlassen. Sie richten sich gegen prominente Juristen, Armeeangehörige, Politiker und Journalisten. Wie die libanesische Nachrichtenagentur ANI vermeldete, befinden sich darunter vor allem enge Vertraute des derzeitigen libanesischen Regierungschefs Saad Hariri, der gleichzeitig der Sohn des ermordeten Rafik Hariri ist. Unter den Betroffenen sind aber auch der frühere deutsche UN-Ermittler Detlev Mehlis und sein Vertreter Gerhard Lehmann.

Beschwerde über Falschaussagen

Der ehemalige libanesische Geheindienstchef Dschamil Sajjed (Foto:ap)
Der ehemalige libanesische Geheindienstchef Dschamil SajjedBild: AP

Die jetzt erlassenen Haftbefehle gehen auf eine Klage des ehemaligen libanesischen Geheimdienstchefs Dschamil Sajjed zurück. Sajjed hatte während der syrischen Besatzungszeit im Libanon eng mit der syrischen Armee zusammengearbeitet. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zum Hariri-Mord war er 2005 ohne Erhebung einer Anklage im Libanon inhaftiert worden. Er wurde verdächtigt, am Anschlag auf den ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri im Februar 2005 beteiligt gewesen zu sein. Erst im März 2009 wurde er aus Mangel an Beweisen durch das neu eingerichtete Sondertribunal für den Libanon in Den Haag wieder freigelassen. Kurz darauf legte Sajjed in Damaskus Beschwerde gegen libanesische, syrische und andere internationale Persönlichkeiten ein. Er warf ihnen vor, dass sie durch Falschaussagen bewusst den Verlauf der Ermittlungen beeinflusst hätten, was daraufhin zu seiner Verhaftung geführt habe.

Empörung im Libanon

Im Februar 2005 war Rafik Hariri bei einem Bombenanschlag in Beirut ums Leben gekommen (Foto:ap)
Im Februar 2005 war Rafik Hariri bei einem Bombenanschlag in Beirut ums Leben gekommenBild: AP

Der syrische Botschafter in Beirut, Ali Abdel Karim Ali, wies den Verdacht zurück, der Schritt der Justiz in Damaskus sei politisch motiviert. "Es handelt sich um eine rein juristische Angelegenheit", sagte der Diplomat. Doch im Libanon sieht man die Angelegenheit weit weniger gelassen: In einer ersten Reaktion hat der libanesische Justizminister Ibrahim Najjar seinen syrischen Amtskollegen Ahmad Younes zum Vier-Augen-Gespräch gebeten. Der Vorsitzende der rechtsorientierten Miliz „Forces Libanaises“, Samir Geagea, übte harsche Kritik am Vorgehen der syrischen Justiz: Diese habe überhaupt kein Recht, im Hariri-Mord zu ermitteln, da der Anschlag auf libanesischem Boden stattgefunden habe. „Dass Syriens Justiz einfach so Haftbefehle gegen Bürger anderer Länder ausstellt, das hat es in Syriens Geschichte noch nie gegeben“, echauffierte sich der Politiker.

Rafik Hariri war am 14. Februar 2005 bei einem Bombenanschlag im Stadtzentrum von Beirut ums Leben gekommen. Die UNO hatte daraufhin den deutschen Staatsanwalt Detlev Mehlis zum Leiter einer Untersuchungskommission ernannt, die die Hintergründe des Anschlags aufklären sollte. Mehlis wies der syrischen Regierung und dem Geheimdienst in seinem Abschlussbericht eine Mitverantwortung für den Anschlag zu. Damaskus stritt aber jede Mittäterschaft vehement ab.

Droht eine Eiszeit zwischen Syrien und Libanon?

Noch im August war Libanons Premier Saad Hariri zu Gast bei Syriens Staatschef Assad (Foto:ap)
Noch im August war Libanons Premier Saad Hariri zu Gast bei Syriens Staatschef AssadBild: AP

Noch im September hatte der libanesische Ministerpräsident Saad Hariri versucht, die Wogen im lange Zeit angespannten Verhältnis zwischen Syrien und dem Libanon zu glätten. Überraschend hatte Hariri dabei erklärt, dass die UN-Ermittlungen zur Ermordung seines Vaters durch unrichtige Zeugenaussagen in die falsche Richtung gelenkt worden seien. Es sei ein Fehler gewesen, Syrien für den Mord an seinem Vater die Schuld zu geben. Westlichen Beobachtern zufolge werden die jetzt ausgestellten Haftbefehle dafür sorgen, dass sich das gerade erst gekittete Verhältnis zwischen den beiden benachbarten Staaten wieder deutlich verschlechtert. Ein libanesischer Parlamentsabgeordneter sprach von einer „schockierenden Entwicklung“, die vor allem die Beziehungen zwischen Saad Hariri und der syrischen Regierung auf eine harte Probe stelle.

Dass die syrischen Haftbefehle ausgerechnet jetzt ausgestellt wurden, ist noch aus einem weiteren Grund durchaus pikant: Seit einiger Zeit verfolgen die UN-Ermittler auch Spuren, die darauf hindeuten, dass die pro-syrische Hisbollah in den Anschlag auf Rafik Hariri 2005 verwickelt gewesen sein könnten. Möglicherweise versucht Syrien nun, die libanesische Regierung dazu zu bringen, ihre Unterstützung für das Hariri-Tribunal komplett einzustellen. Schon jetzt ist die libanesische Regierung, an der auch die Hisbollah selbst beteiligt ist, über diese Frage tief zerstritten. Würde die Unterstützung des Hariri-Tribunals tatsächlich endgültig eingestellt, dann würde auch eine strafrechtliche Verfolgung der Hisbollah-Verdächtigen im Libanon selbst praktisch unmöglich.

Autor: Thomas Latschan (afp, dpa,rtr)
Redaktion: Diana Hodali