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Syriens Draht in den Irak

Kristin Helberg4. Mai 2007

In Syrien leben 1,2 Millionen irakische Flüchtlinge. Das macht die Machthaber dort nervös. Sie fürchten, die innerirakischen Konflikte könnten sich auf ihr Land ausweiten.

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Irakische Flüchtlinge in Damaskus
Irakische Flüchtlinge in DamaskusBild: AP

Ein staubiger Schulhof in Damaskus´ Vorort Seida Zeynab. Eine Gruppe Siebtklässler hat Sportunterricht und spielt Fußball. Von den insgesamt 700 Schülern stammt mehr als die Hälfte aus dem Irak. Der 15-jährige Ahmad ist vor gut einem Jahr mit seinen Eltern und drei Geschwistern aus Bagdad geflohen. In Damaskus fühle er sich sicher, sagt Ahmad. Freunde hat er auch gefunden. Einer davon ist der 14-jährige Mudhafar. "Ich bin Syrer und Ahmad hier ist Iraker, er ist wie ein Bruder für mich. In unserer Klasse besuchen wir uns auch zuhause – wir machen keinen Unterschied zwischen Irakern und Syrern."

Sozialer Frieden gefährdet

Ahmad und Mudhafar lernen zusammen für die Mittlere Reife – für beide, Iraker wie Syrer, ist die Schulausbildung gratis. Auch wenn Syrer und Iraker in vielen Fällen gut miteinander auskommen, stellen die 1,2 Millionen irakischen Flüchtlinge Syrien auf eine harte Probe: finanziell, sozial und logistisch. Einwanderungsbehörden und Gesundheitszentren sind überlastet, das tägliche Leben hat sich verteuert. Darüber hinaus könnten die Iraker zu einem Sicherheitsproblem werden. Denn wenn Sunniten und Schiiten ihre offenen Rechnungen irgendwann in den Vororten von Damaskus begleichen, wäre der soziale Frieden in Syrien ernsthaft gefährdet.

"Das Chaos im Irak wächst sich zu einem Bürgerkrieg aus und dieser Bürgerkrieg wird sich ausbreiten. Denn die Region setzt sich aus den gleichen ethnischen und religiösen Gruppen zusammen wie der Irak", sagt Ziad Haydar, Journalist der syrischen Zeitung Al Watan.

Syrien will starke Zentralregierung in Damaskus

Die syrische Bevölkerung ist ein Spiegelbild der irakischen Gesellschaft: Sunniten, Schiiten, Christen und Kurden leben bislang friedlich zusammen. Je mehr der Irak entlang konfessioneller und ethnischer Linien zerfällt, desto nervöser werden die Machthaber in Damaskus. Sie beschwören deshalb die nationale Einheit des Irak, sagt Samir Al Taqi, Leiter des Orient Zentrums für strategische Studien in Damaskus. "Irak wird ein föderaler Staat sein, aber Syrien wünscht sich dennoch eine starke Zentralregierung, die die verschiedenen Konflikte unter Kontrolle hält."

Irakische Flüchtlinge vor dem UN-Sitz in Damaskus
Irakische Flüchtlinge vor dem UN-Sitz in DamaskusBild: AP

Zur Aussöhnung der Konfliktparteien könnte Syrien einen entscheidenden Beitrag leisten, meint Al Taqi. Denn Damaskus hat gute Drähte nach Bagdad. Während der Herrschaft Saddam Husseins bot Syrien vielen irakischen Regimegegnern Unterschlupf, die jetzt an der Macht sind, erklärt der Politikberater. "Syrien hat all diese Gruppen, die Irak heute regieren, jahrzehntelang beherbergt. Syrien hat sehr gute Kontakte zu den Kurden, den Sunniten, den Schiiten und den verschiedenen arabischen Stämmen. Die obersten Führer dieser Stämme sind Syrer."

Grenze durchtrennt Stammesgebiete

Die von den europäischen Kolonialmächten gezogene syrisch-irakische Grenze verläuft mitten durch historisch gewachsene Stammesgebiete, der gleiche Clan hat folglich Angehörige in Syrien und im Irak. De facto kontrollierten diese Stämme das Grenzgebiet, sagt Journalist Haydar. Den Vorwurf, Damaskus unternehme nicht genug gegen das Einsickern ausländischer Kämpfer in den Irak, lässt er nicht gelten. "Es ist eine riesige Aufgabe, fast 700 Kilometer Wüste zu kontrollieren, die übrigens niemals zuvor in der syrisch-irakischen Geschichte komplett kontrolliert wurden. Die syrische Regierung hat die Iraker und Amerikaner mehrfach um Unterstützung gebeten, aber die haben sie nicht bekommen. Deshalb sagen die Syrer den Irakern: 'Wenn ihr die Grenze besser sichern wollt, müssen wir zusammenarbeiten.'"

Inzwischen haben die beiden Nachbarn verschiedene Abkommen geschlossen, nicht nur in Sicherheitsfragen sondern auch im Bereich Wirtschaft und Handel. Irak ist für Syrien ein großer Absatzmarkt, und irakisches Öl soll in Zukunft auch über Syriens Mittelmeerhafen Banyas umgeschlagen werden. Damaskus´ wichtigstes Ziel im Irak sei jedoch ein Abzug der ausländischen Truppen, so Politikberater Samir Al Taqi. Die amerikanische Präsenz im Irak ist eine Bedrohung für Syrien, deshalb hat Syrien großes Interesse an einem Ende der ausländischen Besatzung.