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Freunde und Feinde

Kersten Knipp28. Juli 2012

Die Revolution in Syrien hat Auswirkungen weit über die Region hinaus. Die Interessen zahlreicher Staaten werden durch den Aufstand berührt. Ihr Engagement erfolgt darum nicht allein aus selbstlosen Motiven.

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Der UN-Sicherheitsrat während einer Sitzung zu Syrien, 19.7. 2012 (Foto: AP)
UN Sicherheitsrat Krieg in SyrienBild: dapd

Syriens geostrategische Lage: Mit Grenzen zum Libanon, zu Israel, Jordanien, der Türkei und dem Irak nimmt Syrien im Nahen Osten eine zentrale geostrategische Position ein. Das Land ist zudem Bestandteil einer Region, die religiös, politisch und ökonomisch von weltweit zentraler Bedeutung ist. In dieser Region entstanden die drei großen monotheistischen Weltreligionen - Judentum, Christentum, Islam. Die Region liegt an der Schnittstelle der drei Kontinente Europa, Asien und Afrika. Sie beherbergt die weltweit größten fossilen Energievorkommen, insbesondere Erdöl. Hier kreuzen sich die großen weltweiten Handelsrouten, deren wichtigste der Suez-Kanal ist.

Unter der Regierung der Assads hat Syrien eine Führungsrolle in der arabischen Welt beansprucht. Während ihrer Herrschaft hat sich das Land als Speerspitze gegen die als "kolonialistisch" definierte Politik des Westens, allen voran der USA und Israels, verstanden. Darüber schmiedete es Bündnisse, in deren Folge der vor anderthalb Jahren ausgebrochene Aufstand gegen Assad nicht nur nationale, sondern auch regionale und internationale Bedeutung hat.

Iran: Für den Iran ist Syrien der einzige Verbündete unter den arabischen Staaten. Das hat religiöse Gründe. Denn die Alawiten, deren Reihen auch die Familie Assad entstammt, gehören zu den Schiiten, deren politischer und geistlicher Führungsstaat der Iran ist. Vor allem hat das Bündnis aber politische Gründe: Mit seiner Grenze zu Israel wird Syrien aus Perspektive des mit Israel verfeindeten Iran zu einem wichtigen Verbündeten. Zugleich grenzt Syrien an den Libanon. Dort kämpft die schiitische Hisbollah ebenfalls gegen Israel. Über Syrien erhält die libanesische Organisation logistische Unterstützung - vor allem Waffen - aus dem Iran. Diese drei Länder bilden die sogenannte "schiitische Achse". Ein Regierungswechsel in Syrien könnte deren Fortbestand gefährden. Stürzte Assad, könnte Iran seinen wichtigsten Verbündeten verlieren.

Ein Plakat mit den Porträts der Führer der so genannten "schiitschen Achse": Mahmud Ahmadinedschad Bashar al-Assad und Hassan Nasrallah. Aufgenommen in Beirut am 22.9. 2006 (Foto: AP)
Führer der schiitschen Achse: Mahmud Ahmadinedschad Bashar al-Assad und Hassan NasrallahBild: AP

Saudi-Arabien: Als Ursprungsland des Islam ist Saudi-Arabien zugleich das Zentrum eines konservativen sunnitischen Islams. So ist es in religiöser Hinsicht der größte Konkurrent des Iran. Beide Länder ringen aber auch politisch um die Vorherrschaft in der Region. Zugleich fürchtet Saudi-Arabien das iranische Atomprogramm.

Als enger Verbündeter der USA bedeutet die gemeinsam mit Washington betriebene Unterstützung der Assad-Gegner eine weitere Festigung der saudisch-amerikanischen Partnerschaft.

Saudi-Arabien hat sich innerhalb der arabischen Staatengemeinschaft im Namen demokratischer und rechtsstaatlicher Ideale zum Wortführer gegen die Regierung Assad präsentiert. Zugleich hat das Land aber mit massivem Gewalteinsatz geholfen, den (schiitischen) Aufstand im benachbarten Bahrain zu unterdrücken. Auch Proteste im eigenen Land unterdrückte die Regierung gewaltsam. Schwere Menschenrechtsverletzungen sind nach Angaben von "Amnesty International" an der Tagesordnung. Die Förderung von Freiheit erscheint so als vorgeschobenes Argument.

Baschar al-Assad trifft König Abdullah in Damaskus, 7.10.2009 (Foto: AP)
Autokraten unter sich: Baschar Assad und der saudische König AbdullahBild: AP

Katar: Auch Katar ist ein enger Verbündeter der USA. Und wie Saudi-Arabien fürchtet auch das Emirat eine Vorherrschaft des Iran. Kritiker werfen dem in Doha ansässigen Sender Al Dschasira vor, insbesondere in seinem arabischsprachigen Programm tendenziös über die Revolution in Syrien zu berichten. Eigentümer von "Al Dschasira" ist Hamad bin Chalifa Al Thani, der Emir von Katar.

Irak: Nach dem Einmarsch der USA wurde 2006 mit Nuri al-Maliki ein schiitischer Politiker Ministerpräsident des Irak. Zur Regierungszeit Saddam Husseins flüchtete Maliki sowohl ins iranische wie auch ins syrische Exil. Aus dieser Zeit stammt seine Verbundenheit zum Assad-Regime. Rund 60 Prozent der Iraker sind zudem Schiiten. Auch das bindet das Land an Syrien und den Iran. Der Irak sieht in beiden Ländern auch Verbündete gegen den von sunnitischen Extremisten verübten Terrorismus, unter dem das Land bis heute leidet.

Libanon: Syriens kleiner Nachbar war und ist von der politischen Entwicklung in Damaskus traditionell am stärksten betroffen. Syrien betrachtet den Libanon als künstliches Gebilde, das eigentlich Teil des syrischen Staatsgebietes ist. Am libanesischen Bürgerkrieg 1975-1990 nahmen auch syrische Truppen teil. Nach Ende des Krieges hielt Syrien als selbsternannte Ordnungsmacht den Libanon besetzt. Nach der Ermordung des libanesischen Premierministers Rafik al-Hariri, für den zuerst Syrien verantwortlich gemacht wurde. Im gesamten Land kam es daraufhin zu anti-syrischen Protesten, unter deren Eindruck sich Syrien aus dem Libanon zurückzog.

Einen starken Verbündeten hat die Assad-Regierung in der schiitischen Hisbollah. Deren Kämpfer haben sich Berichten zufolge am Kampf gegen die Assad-Gegner beteiligt. Der nördliche Libanon ist zum Schmuggelgebiet für Waffen nach Syrien geworden. Allerdings nicht nur durch die Hisbollah, sondern auch durch die libanesischen Sunniten, die die Gegner Assads unterstützen. Zwischen Anhängern beider Parteien ist es auch auf libanesischem Boden zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen. Darum versucht die Regierung unter Premierminister Nadschib Mikati, das Land aus den Kämpfen so weit wie möglich herauszuhalten. Sie muss allerdings auch Rücksicht nehmen auf die im Parlament vertretene Hisbollah.

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Israel: Israel hat zur Assad-Regierung ein zwiespältiges Verhältnis. Einerseits war Syrien ein berechenbarer und verlässlicher Nachbar. Trotz anti-israelischer Töne aus Damaskus blieb die Grenze zu Israel nahe der Golanhöhen ruhig. Ein Machtwechsel in Syrien brächte für Israel darum viele Ungewissheiten mit sich. So könnte ein neues Regime eine wesentlich aggressivere Politik gegenüber Israel betreiben. Insofern wäre der Sturz des Assad-Regime für Israel mit einigen Risiken behaftet.

Andererseits war Syrien unter Assad ein enger Verbündeter des Iran, Israels größtem Feind. Wenn Assad stürzt, könnte das auch den Iran schwächen. Dieses Kalkül setzt aber voraus, dass auf Assad eine Regierung folgt, die Israel zumindest nicht feindlich gegenüber steht.

Die Türkei: Wie Iran und Saudi Arabien strebt auch die Türkei einen größeren Einfluss auf die Region an. Zugleich sorgt sie sich um die Rolle der syrischen Kurden. Diese spielen seit Ausbruch des Aufstands verstärkt mit Autonomie-Gedanken. Diese könnten auch die Kurden in der Türkei erneut inspirieren und die entsprechenden Konflikte auf türkischem Boden neu beleben.

Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan und General Necdet Ozel, 27.6. 2012. (Foto: Reuters)
Aktionsbereit: Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan und General Necdet OzelBild: REUTERS

Zugleich fürchtet die Türkei, dass es nach dem Sturz Assads in Syrien zu bewaffneten Konflikten kommen könnte, in dem die bisherigen Gegner des Diktators gegeneinander kämpfen. Angesichts der vielfältigen Konfliktlinien könnte dies die ganze Region in Aufruhr bringen.

USA: Die militärische und ökonomische Kraft der USA ist durch die Einsätze in Afghanistan und Irak geschwächt.

Mit Assad ist nun aber einer der größten Gegner der USA kurz vor dem Sturz. Nun hoffen die USA auf eine Nachfolgeregierung, die ihr freundlicher gesonnen ist. Darum unterstützen die USA die Rebellen. Über die Türkei beliefern sie diese zwar nicht mit Waffen, wohl aber technischer Ausrüstung, vor allem Kommunikationstechnologie.

Zugleich versuchen sie den schiitischen Einfluss zurückzudrängen – zu den Schiiten haben die USA insgesamt schlechtere Beziehungen als zu den Sunniten. Auch hoffen sie, durch den Sturz Assads dein Einfluss Irans in der Region zu schwächen. Zugleich haben die USA auch die israelischen Interessen im Blick.

Russland: Russland hat bislang gegen sämtliche Resolutionen des UN-Sicherheitsrats sein Veto eingelegt. Seit sowjetischen Zeiten ist Russland Syriens Verbündeter. Mittlerweile ist Syrien aber der einzig verbliebene militärische Verbündete in der Region. Einzig über Syrien kann Russland unmittelbaren Einfluss auf die Region ausüben. Zudem ist die syrische Marinebasis Tartus Russlands einziger militärischer Hafen im Mittelmeer. Syrien ist zudem ein wichtiger Kunde der russischen Rüstungsindustrie. Auch russische Energiefirmen sind in Syrien vertreten.

Der russische Außenminister Sergei Lawrow trifft Baschar al-Assad in Damaskus, 7.2. 2012. (Foto: AP)
Unverbrüchliche Partnerschaft: Der russische Außenminister Sergei Lawrow und Baschar al-AssadBild: AP

Russland ist um seinen Ruf in der arabischen Welt besorgt. Wenn die Politiker der Region den Eindruck gewinnen, Russland könne oder wolle für seine Verbündeten nichts tun, schwindet der Anreiz, Bündnisse mit ihm einzugehen. Russlands Ruf als Supermacht würde weiter leiden.

Zudem fürchtet Russland, dass in Syrien nach einem Sturz Assad radikale islamistische Kräfte die Oberhand gewinnen können.

China: China befindet sich seit Jahren auf wirtschaftlichem Expansionskurs. Auf der gesamten Welt versucht es seinen Rohstoffbedarf zu stillen. Erdöl spielt dabei eine zentrale Rolle. Darum versucht das Land seinen Einfluss auch im Nahen Osten auszubauen. Bislang hat es die besten Beziehungen zum Iran. Darum hat China Interesse daran, dass dieser seine starke Position erhält. Wie Russland setzt es dabei auf Irans Verbündeten Assad.

Der Syrische Außenminister Walid Moallem mit seinem Amtskollegen Yang Jiechi in Peking, 18.4. 2012. (Foto: dpa)
Nur bedingt kritikfähig: Der Syrische Außenminister Walid Moallem mit seinem Amtskollegen Yang Jiechi.Bild: picture alliance / dpa

Die chinesische Regierung begründet ihr Veto im UN-Sicherheitsrat mit dem Hinweis, das Land respektiere das Recht Syriens, seine Angelegenheiten ohne äußere Einmischung zu regeln. Eine solche Politik nützt dem Land auch selbst. Denn in deren Namen verbittet sich China auch Kritik an seiner Politik in Tibet und Xinjiang. Spräche sich das Land nun für eine Intervention aus, müsste es sich auch noch stärkere Kritik an seiner eigenen Politik gefallen lassen.

Europäische Union: Die Staaten der EU pflegten zur Assad-Regierung eher diskrete Beziehungen. Zwar legte die syrische Regierung Wert darauf, eine gewisse Distanz zu den westlichen Staaten zu demonstrieren. Tatsächlich waren die Beziehungen aber meist pragmatischer Natur. Die EU-Staaten und Syrien pflegten rege Handelsbeziehungen. Außerdem hat die EU in vielen Projekten die syrische Zivilgesellschaft unterstützt. Das fiel auch darum leicht, weil Syrien zu Israel ein letztlich friedliches Verhältnis pflegte.

Angesichts der Gewalt, mit der das Assad-Regime auf die Revolution antwortete, sind die EU-Staaten aber auf scharfe Gegnerschaft zu dieser gegangen. Assad ist für sie ein unmöglicher Partner geworden.