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Gemeinsame Agenda für Syriens Rebellen

Andreas Gorzewski10. Dezember 2015

In Riad vereinbaren syrische Oppositionsgruppen eine einheitliche Strategie für die Gespräche über die Zukunft des Landes. Doch nicht alle tragen die Einigung mit. Einige sind gar nicht erst eingeladen worden.

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Syrische Regimegegner schlagen im Juni 2015 in Daraa auf ein Bild von Präsident Assad ein. (Foto: Anadolu)
Syrische Regimegegner schlagen auf ein Bild von Präsident Assad einBild: DW/AA/I. Hariri

Der Vorsitzende des Oppositionsbündnisses Syrische Nationalkoalition, Chaled Chodscha, war zuversichtlich: "Die syrische Opposition ist bereit, sich für eine politische Lösung der Krise in Syrien einzusetzen." Seine Organisation stimmte wenig später in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad mit anderen Widerstandsgruppen einer Grundsatzeinigung auf eine gemeinsame Linie zu. Doch eine Organisation scherte aus: Die mächtige Rebellengruppe Ahrar al-Scham verließ wütend das Treffen, weil sie sich unterrepräsentiert fühlte.

Die Gespräche unter saudischer Führung sind Teil eines international vereinbarten Fahrplans, das viereinhalbjährige Blutvergießen mit mehr als 250.000 Toten endlich zu stoppen. Der Handlungsdruck wächst. Viele europäische Staaten wollen den Flüchtlingsstrom aus Nahost drosseln. Nachbarstaaten Syriens fürchten, noch weiter in die Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden. Darüber hinaus haben die blutigen Anschlägen der Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) im November in Paris deutlich gemacht, dass Terror und Gewalt aus Syrien nun auch Europa erreichen.

Assad soll abtreten

In Riad stand einiges auf dem Spiel. Samir Naschar von der Nationalkoalition hatte gewarnt, die zersplitterte Opposition könnte ohne Einigung noch weiter auseinanderdriften. Ein Streit, ob Syriens Präsident Baschar al-Assad schon bald oder erst nach Ablauf einer Übergangsphase aus dem Amt scheiden müsste, schien möglich. In ihrer Grundsatzeinigung betonten die anwesenden Oppositionsvertreter jedoch später, dass Assad und seine Getreuen sich "zum Beginn der Übergangsphase" von der Macht zurückziehen müssten.

Neben der Nationalkoalition und Ahrar al-Scham waren auch die islamistische Gruppe Dschaisch al-Islam sowie Vertreter anderer politischer und militärischer Organisationen der Einladung gefolgt. Auch einige Oppositionsvertreter, die vom Assad-Regime in dessen eigenem Machtbereich geduldet werden, reisten an. Sie forderten gemeinsam, dass alle ausländischen Kräfte das Land verlassen müssten. Das richtet sich gegen Kämpfer aus dem Libanon, dem Iran und gegen die russische Luftwaffe, die auf Seiten des Regimes stehen. Sie vereinbarten außerdem eine Kommission für die kommenden Verhandlungen mit dem Regime.

Syrische Rebellen im Oktober 2015 in der Region Hama (Foto: Reuters)
Dutzende bewaffnete Gruppen kämpfen in Syrien gegen das Assad-RegimeBild: Reuters/A. Abdullah

Riad zahlte Milliarden an Rebellen

Auch für das saudische Königshaus geht es um viel. Die Führung des streng konservativen Staates hat verschiedenen Widerstandsgruppen Milliarden Dollar zukommen lassen, um dass Assad-Regime zu stürzen - bislang jedoch ohne Erfolg. Dank Rückendeckung aus Iran und Russland kann sich Präsident Assad mit seinen Getreuen weiter an der Macht halten und so das militärische Patt fortsetzen. Nur wenn die Regierung in Riad ihre politischen Ziele zumindest teilweise durchsetzt, kann sie ihren Anspruch als regionale Führungsmacht untermauern.

Das Oppositionstreffen folgte auf die Wiener Syrien-Konferenz im November. Dort hatten sich 20 Staaten auf den Fahrplan für Syrien geeinigt. Demnach sollen Opposition und Regierung in Damaskus ab kommendem Januar miteinander verhandeln. Ziele sind eine Waffenruhe und später eine Übergangsregierung zur Vorbereitung freier Wahlen. Doch solche Gespräche machen nur Sinn, wenn die Regimegegner sich einig sind, was sie erreichen wollen. 2012 war eine erste Verhandlungsrunde in Genf unter anderem an den unvereinbaren Positionen der zersplitterten Oppositionsparteien gescheitert.

Syrien-Konferenz am 14. November 2015 in Wien. (Foto: Reuters)
In Wien wurde ein grober Fahrplan für ein Ende des Bürgerkrieges in Syrien vereinbartBild: Reuters/L. Foeger

Das wollten die Saudis diesmal verhindern. Allerding waren wieder nicht alle Widerstandsgruppen dabei, die auf dem Schlachtfeld eine Rolle spielen. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS), der Al-Kaida-Ableger Nusra-Front und andere hatten keine Einladung erhalten, weil niemand öffentlich mit ihnen reden wollte. Sie kontrollieren jedoch große Teile des Landes. Der Nahost-Experte Daniel Gerlach sagte dem Deutschlandfunk: "Am besonders radikalen Ende der syrischen Opposition gibt es auch Bewegungen und dschihadistische Gruppen, die natürlich nicht eingeladen sind, die man aber überzeugen muss, wenn man in irgendeiner Form einen Waffenstillstand in Syrien erreichen möchte."

Kurden organisieren eigene Konferenz

Auch die Kurden blieben dem Treffen fern. Die Nationalkoalition wollte die Kurden in Riad nicht dabeihaben, weil diese nicht das Regime, sondern andere arabische Rebellen bekämpfen würden. Die Kurden beriefen ihrerseits eine Konferenz nach al-Malikiya im Nordosten Syriens ein. Ihr vorrangiges Ziel ist, den Kampf gegen den IS zu koordinieren.

Ob die Opposition diesmal einen dauerhaften Kompromiss gefunden hat, der möglichst viele Gruppen einbindet, ist noch nicht ausgemacht. Zu oft schon sind Bündnisse der Regimegegner an unterschiedlichen Ideologien oder den Interessen ausländischer Mächte wieder gescheitert.