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Syrische Helfer kämpfen um Anerkennung

Christian Ignatzi10. Juli 2014

Seit dem Beginn des Bürgerkriegs engagieren sich viele Syrer in Deutschland für ihre Verwandten im Heimatland. Deutsch-syrische Hilfsvereine werden immer professioneller. Doch sie stoßen oft auf Misstrauen.

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Faruk al-Sibai vom syrischen Hilfsverein Syrian Humanitarian Forum (Foto: DW/Ignatzi)
Faruk al-Sibai liefert die Hilfsgüter per Schiff in die Türkei - von dort bringt sie ein Lastwagen nach SyrienBild: DW/C. Ignatzi

Auf dem Schlossplatz in Stuttgart wirken die fünf deutsch-syrischen Aktivisten ein wenig verloren. Während sie auf das Leid ihrer Verwandten aufmerksam machen wollen, verirrt sich nur vereinzelt ein Passant an ihren Info-Stand. "Ich finde es angenehm", sagt einer von ihnen, "dass ihr hier nicht um Geld bettelt. Für die Ägypter habe ich gespendet, und was haben wir jetzt davon? Das waren doch die Falschen!" Situationen wie diese gehören zum Alltag von Aktivisten wie Faruk al-Sibai. Das Problem sei vor allem, "die Katastrophe zu den Bürgern auf der Straße zu transferieren." Er muss es wissen: Mindestens einmal im Monat steht er seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien in der Stuttgarter Innenstadt. Anfang 2013 hat der 42-jährige Unternehmer gemeinsam mit Freunden den Hilfsverein Syrian Humanitary Forum gegründet.

Heute lagern Hilfsgüter in seiner Metallgussfirma vor den Toren der Stadt. Kartons voller Babynahrung türmen sich in der Fabrikhalle. Der Verein bekommt regelmäßig überproduzierte Ware direkt von den Herstellern, vor allem Medikamente und Verbandsmaterial. Seit Anfang 2013 waren das Sachspenden im Wert von fast 700.000 Euro, sagt Al-Sibai. "Natürlich schränkt mich das auch in meiner Arbeit ein, aber wir müssen in diesen schweren Zeiten alle füreinander einstehen." Al-Sibai ist in Deutschland aufgewachsen. Der Diplom-Ingenieur spricht mit schwäbischem Dialekt und erzählt von zahlreichen Hilfsprojekten der syrisch-schwäbischen Familien. In seinem Hinterhof stehen Kinderwägen und Rollstühle. "Wir liefern sie per Schiff in die Türkei. Von dort bringt sie ein Lastwagen zur syrischen Grenze." Al-Sibai war schon zwei Mal in Syrien, seit der Bürgerkrieg ausgebrochen ist. "Was man dort sieht, ist desaströs", sagt er.

Dachverband soll Hilfsvereinen eine professionelle Struktur geben

Die Stuttgarter sind nicht die einzigen, die Hilfe für ihre Verwandten suchen. "Tatsächlich haben wir den Eindruck, dass immer mehr kleine Gruppen Spenden sammeln", sagt Burkhard Wilke vom Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI). Das sei zwar gut, führe aber dazu, dass die Bevölkerung verunsichert sei, ob die Hilfen tatsächlich ankämen: "Bei Bürgerkriegen ist die Spendebereitschaft kleiner. Man ist skeptisch, weil man nicht weiß, wohin das Geld fließt." Die Internetseite des Syrian Humanitary Forum könne nicht genug Vertrauen erwecken. "Ihnen fehlt der Zehn-Punkte-Plan von Transparency International", so Wilke: Dieser empfiehlt unter anderem, Angaben über die Herkunft und Verwendung der Mittel sowie über die Personalstruktur des Hilfsvereins zu veröffentlichen.

Infostand eines syrische Hilfsvereins in Stuttgart (Foto: DW/Ignatzi)
Das mangelnde Interesse der Bürger ist ein Problem für die AktivistenBild: DW/C. Ignatzi

Um sich zu professionalisieren, schlossen sich einige Vereine Ende 2013 im Verband Deutsch-Syrischer Hilfsvereine zusammen. Der Sprecher des Verbands ist der Heidelberger Politologe Usahma Darrah. "39 Organisationen sind in unserem Verband vernetzt", sagte er der DW. Mit der Verbandsgründung strebten sie an, Projekte besser zu koordinieren und Kontakte zu humanitären Organisationen auszubauen. Dass viele noch amateurhaft agieren, sei kein Wunder, meint Darrah: "Die Not hat uns überschwemmt. Wir mussten schnell handeln." Mittlerweile habe der Verband viele Unterstützer. Etwa das per DZI-Spendensiegel anerkannte Hilfswerk der Apotheker, Medeor. "Wir haben enge Kontakte zu Herrn Al-Sibai. Er ist ein zuverlässiger Partner", sagte Medeor-Sprecherin Susanne Haacker. "Es ist erstaunlich, was die Syrer in Deutschland auf die Beine stellen, um ihren Verwandten in der Heimat zu helfen."

Vorurteile der deutschen Bevölkerung

Doch trotz der fortschreitenden Professionalisierung ist die Arbeit der Helfer schwierig. Zu kämpfen haben sie vor allem mit Vorurteilen. "Wir hören oft, dass wir Islamisten seien", sagt Faruk al-Sibai und schimpft: "Die Terroristen, die das Leid der syrischen Bevölkerung für ihre Zwecke ausnutzen, bekommen eine Plattform in den Medien. Aber das Leid von 20 Millionen Syrern rückt in den Hintergrund." Das Syrian Humanitary Forum wolle mit den islamistischen Kämpfern nichts zu tun haben und lehne Gewalt generell ab. Daneben behindere vor allem das syrische Regime die Arbeit der Hilfsvereine. "Einige von uns trauen sich nicht, ihren Namen öffentlich zu nennen", sagt Al-Sibai. Manche Aktivisten hätten Drohanrufe bekommen. "Man sagte ihnen, dass es besser für ihre Familien wäre, wenn sie mit der Unterstützung aufhörten."

Babynahrung in Faruk al-Sibais Fabrikhalle (Foto: DW/Ignatzi)
Babynahrung für Syrer in NotBild: DW/C. Ignatzi

Vereinzelte Kritik anderer Syrer lässt Faruk al-Sibai dagegen kalt: "Ich war in einem syrischen Kulturverein in Stuttgart, aber die sind regierungstreu, deshalb engagiere ich mich dort schon lange nicht mehr." Usahma Darrah fügt hinzu: "Regierungstreue Syrer gibt es hier zwar, aber zum Glück behindern sie unsere Arbeit nicht." Ohnehin lassen sich die Helfer nicht durch den Gegenwind von Seiten der eigenen Landsleute aus dem Konzept bringen. Allein das Syrian Humanitary Forum in Stuttgart habe im vergangenen Jahr rund 100.000 Euro an Hilfsgeldern gesammelt, sagt Faruk al-Sibai. Im Lauf der Woche legt das nächste Containerschiff Richtung Aleppo ab. Es dürfte bei Weitem nicht das letzte sein.