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Syrischer Patriarch in Sorge um seine Heimat

7. März 2012

Der byzantinisch-katholische Patriarch tourt durch Europa und hat eine Botschaft im Gepäck: den Appell zum Dialog. Was Gregorios III. umtreibt, ist die Furcht vor einer Eskalation der Gewalt in Syrien.

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Patriarch Gregorios III. (Foto: dpa
Patriarch Gregorios III.Bild: SANA

Die Welt schaut entsetzt auf Homs, auf das Leiden und Sterben in der westsyrischen Stadt. Seit Frühjahr 2011 gab es dort vermutlich tausende Tote, Berichte über Gräueltaten und Menschenrechtsverletzungen häufen sich in erschreckendem Maße.

"Blutvergießen ist niemals der richtige Weg", sagt der ranghöchste Christ des Nahen Ostens, der byzantinisch-katholische Patriarch Gregorios III., zu den täglich neuen Szenen der Gewalt. "Blut - das ist der Mensch, und Menschenleben muss man retten." Der 78-Jährige steht seit dem Jahr 2000 als Patriarch von Antiochia und dem Ganzen Orient an der Spitze seiner Kirche und hat seinen Sitz in Damaskus. Gut zehn Prozent der mehr als 20 Millionen Syrer sind Christen, die Mehrheit davon gehört zu den Melkiten. Das sind griechisch-katholische Christen, die in kirchlicher Einheit mit Rom stehen.

Der Patriarch geht auf Reisen - mit einer Botschaft

In diesen Tagen reist Gregorios durch Europa. Von Berlin nach Paris und Straßburg, nach London und Rom. Der ältere Herr mit dem weißen Bart tritt als Patriarch feierlich gewandet auf, doch er sieht seine Reise als Privatinitiative. "Ich habe kein Mandat von niemandem", meint er. Sein Mandat sei es, den Menschen zu helfen und einen Ausweg aus der gegenwärtigen Situation aufzuzeigen. In Berlin spricht Gregorios mit einigen Politikern aus dem Bundestag, Kirchenvertretern und Journalisten.

Angesichts der Gräuelbilder aus Homs überkommt den Kirchenmann ein Gefühl der Hilflosigkeit. Der Patriarch wirbt dafür, den Fokus zu weiten und nicht allein auf die schrecklichen Szenen zu schauen, die die Welt umtreiben. Gregorios schildert, dass Chaos und Kriminalität bereits seit längerem um sich greifen. Er ist der Meinung, alle Konfliktparteien sollten sich besinnen und zu einem Dialog kommen. Gregorios hofft auf internationale Initiativen, auf einen Besuch des früheren UN-Generalsekretärs Kofi Annan. Und nach der Präsidentenwahl in Russland werde die Diplomatie wieder stärker auf Syrien blicken und sich engagieren, ist sich der Patriarch sicher.

Kein Verteidiger Assads

Dabei will der Kirchenmann nicht als Verteidiger des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad verstanden werden. Es gehe ihm "nicht um Assad als Person". Ihm geht es viel mehr darum, dem Regime zu einem Neuanfang zu verhelfen. Denn sonst, so fürchtet der Kirchenmann, komme das Chaos. Der Patriarch vertritt Positionen, die bei seinen Gesprächspartnern mitunter auch auf Skepsis stoßen. Zum Beispiel, wenn er darüber spricht, dass die Gewalt im Land längst nicht mehr nur vom Regime ausgehe.

Gregorios verweist dann auf die Entwicklungen in Syrien vor Beginn der Unruhen. Seit der Machtübernahme Assads im Jahr 2000 habe sich das Regime entwickelt und durchaus neue Freiheiten zugelassen, nicht nur im wirtschaftlichen Bereich. Mit dem - international höchst umstrittenen - Verfassungsreferendum von Ende Februar sei auch die Gründung von Parteien möglich. Und Assad bemühe sich, die Macht des Geheimdienstes einzuschränken. Diese Entwicklung müsse weitergehen, fordert Gregorios.

Die Hoffnung des Patriarchen

Hinter der Botschaft des Patriarchen - seinen Aufruf zum Dialog - steht die Hoffnung des Kirchenmannes, sein Land werde zu dem über Jahre bewährte Miteinander der Religionen zurückkehren. "Muslime, Alewiten und Christen hatten in Syrien lange ein geordnetes Miteinander", sagt er. Doch nun herrschen Chaos und Gewalt in dem Land. Greogorios berichtet von massiven Zwischenfällen, die auch von Oppositionsgruppen kämen, die Waffen ins Land schmuggelten und auf gewaltsame Übergriffe setzten. Der betagte Herr mit der würdigen Erscheinung nennt als Beispiel seinen knapp zehn Kilometer von der Hauptstadt gelegenen Heimatort Daraya.

Der Patriarch im Gespräch mit der DW im Jahre 2010 (Foto: DW)
Der Patriarch im Gespräch mit der DW im Jahre 2010Bild: DW

Auch dort habe es in den vergangenen Monaten einige Demonstrationen gegeben. Bewaffnete Banden machten den Menschen den Alltag nahezu unmöglich. Inzwischen sei das Leben in der Stadt geprägt von Unsicherheit und Kriminalität, wofür er nicht allein die Regierung verantwortlich sieht. Ende Februar, als die Syrer per Referendum über eine neue Verfassung abstimmten, hätten Demonstranten zum Teil unter Androhung von Gewalt Menschen daran gehindert, in die Wahllokale zu gehen.

Immer wieder kommt der Patriarch auf die geopolitische Lage des Landes - und den Druck der Großmächte. Diese hätten Fronten gebildet und damit den Konflikt noch verschärft. Syrien liege letztlich zwischen West und Ost, zwischen den Einflusssphären der Groß- und Regionalmächte und nicht zuletzt zwischen den unterschiedlichen islamischen Strömungen. "Damit ist das Land immer das Feld für eine internationale Auseinandersetzung." Aber sein Land dürfe nicht für Stellvertreterkriege herhalten.

Patriarch setzt auf die Europäer

Gregorios sieht die Haltung der Europäer zu Syrien skeptisch. Die verschiedenen oppositionellen Gruppen, die in Gesprächen mit ausländischen Regierungen stünden und von diesen unterstützt würden, seien nicht repräsentativ für das Land. Wenn sie an die Macht kämen, "dann käme das Chaos", meint er. Und verleiht erneut der Sorge um die Zukunft seines Landes Ausdruck.

Wer dem Geistlichen in früheren Jahren begegnete, dem erzählte er fesselnd vom Miteinander der unterschiedlichen religiösen Strömungen in seiner Heimat. Doch heute wirkt Greogorios auf den Beobachter wie jemand, dem Sorge um eine weitere blutige Eskalation arg zusetzt. Gregorios spricht von seiner "Mission", für Syrien nach anderen Möglichkeiten zu suchen - jenseits von Regimewechsel oder gar Bürgerkrieg. "Die Europäer sind unsere Partner", sagt Gregorios, "nicht die Amerikaner." Deshalb müssten die Europäer auch das Gespräch mit beiden Seiten suchen und nicht nur mit den oppositionellen Kräften sprechen, lautet sein Appell, den er bis kommende Woche in Gesprächen in Europa zu Gehör bringen will. Dann kehrt Gregorios zurück nach Damaskus - in ein Land mit einer dramatischen Gegenwart und einer ungewissen Zukunft.

Autor: Christoph Strack
Redaktion: Birgit Görtz