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Täter mit Schlips und Kragen

Gero Rueter18. März 2003

Polizei-Kommissare, die Wirtschaftskriminellen auf der Spur sind, müssen vor allem eines feststellen: Bildung und Geld helfen manchem mutmaßlichen Verbrecher, seinen Kopf glimpflich aus der Schlinge zu ziehen.

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Die Großen kriegen sie schwerer zu fassen als die KleinenBild: AP

Immer häufiger klopfen Polizisten und Staatsanwälte im Morgengrauen auch an den Türen von Wirtschaftsbossen, Politikern und Unternehmen und sichern wichtige Unterlagen. Die Vorwürfe lauten dann meist: Betrug, Bestechung, Insidergeschäfte. Nach Schätzungen beläuft sich der Schaden in Deutschland durch derlei Vergehen auf 36 Milliarden Euro jährlich.

Der stellvertretende Kölner Kommissariatsleiter Friedhelm Friebe ermittelt zusammen mit 40 weiteren Kollegen zum Beispiel gegen Abrechnungsbetrug von Ärzten, Insidergeschäften am Aktienmarkt oder Bestechungen bei öffentlichen Bauaufträgen. In seinem Büro studiert er vor allem Akten, arbeitet sich in die komplexe Materie ein und versucht dann Beweise zu sichern.

Ermittlungen Friebes laufen stets unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen. Selbst die bis zu 400 Polizisten, die für manche Razzia angefordert werden, erfahren erst am Morgen eines Einsatzes, um wen und was es geht.

Grauzonen

Schon seit 20 Jahren ermittelt der freundliche Kriminalhauptkommissar gegen Wirtschaftskriminelle. Das unter den Tätern in Schlips und Kragen auch Prominente sind, wundert ihn nicht. "Also es sind in erster Linie Männer, weit überwiegend deutsche Täter, in jedem Fall hoch gebildete Täter", so Friebe. "Es sind Leute, die entweder in der Gesellschaft eigentlich integriert sind, von ihrem Beruf her, die aber eine günstige Gelegenheit erkennen, für sich persönlich irgendwelche Vorteile herauszuziehen."

Friebe sieht einen Grund dafür in den Grauzonen des deutschen Rechtssystems, das in vielen Bereichen sehr komplex sei. Die Gesellschaft toleriere solche Grauzonen, zumindest bis zu einem gewissen Punkt. "Der Wirtschaftsstraftäter geht nun gerne hin und lotet die Grauzonen so weit aus, bis er eigentlich schon im schwarzen Bereich angekommen ist." Reue hat der Polizist bei den Tätern bisher noch nie erlebt.

Millionen-Schäden

Obwohl die Schäden in die Millionen gehen, urteilt die Justiz jedoch meist milde. "Ein Grund ist der", sagt Friebe, "dass viele Gerichte auf dem Standpunkt stehen, es sind halt Vermögensinteressen beschädigt worden, aber es geht ja nicht um Leib und Leben, und von daher braucht man nicht so tief in die Kiste zu greifen, was das Strafmaß angeht."

Ein weiteres Problem sei, dass gerade Wirtschaftsstraftaten häufig sehr schwierig zu beweisen seien, meint Friebe. Insbesondere gut verdienende Kriminelle könnten sich auch gute Rechtsanwälte leisten. Dies führe recht häufig dazu, dass sich die Verfahren immens in die Länge ziehen. Gerichte neigten dann nach einer gewissen Verfahrensdauer dazu, Kompromisse einzugehen, um überhaupt noch zu einer Verurteilung zu kommen. "Und bei einem solchen Kompromiss", so der Kommissar, "wird dann zwangsläufig auch das verhängte Strafmaß reduziert."

"Mehr tun"

Mit seiner Truppe kann Friedhelm Friebe nur einen kleinen Teil der Straftaten verfolgen. Es gibt zu wenig Personal. Und mehr Mittel stellt die Politik nicht zur Verfügung. Trotzdem ist der 46-Jährige Kriminalhauptkommissar nicht frustriert. "Ich bemühe mich halt aus den Rahmenbedingungen, die da sind, immer noch das Beste zu machen. Bei entsprechender Gelegenheit weise ich natürlich darauf hin, dass die Rahmenbedingungen eigentlich nicht vernünftig sind, das eigentlich sehr viel mehr getan werden müsste."