1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Täter unbekannt

Tobias Grote-Beverborg17. Dezember 2002

Noch immer ist unklar, wer hinter den Terroranschlägen in Bangladesch steckt. Doch insbesondere die Opposition in Bangladesch bezichtigt die Regierungskoalition, Sympathie für den islamischen Extremismus zu hegen.

https://p.dw.com/p/30S9
Bombenexplosion in Bangladeschs Hauptstadt DhakaBild: AP

Bisher galt Bangladesch als Beispiel für den liberalen und toleranten Islam südasiatischer Prägung. Doch in jüngster Zeit häufen sich Terroranschläge, bei denen der Verdacht sich gegen muslimische Extremisten richtet. Die Feierlichkeiten zum Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan wurden in Bangladesch von einer Reihe blutiger Attentate überschattet. Während tausende Menschen, darunter viele Familien mit ihren Kindern, in die Kinos strömten, explodierten nahezu zeitgleich Bomben in vier voll besetzten Kinos der Stadt Mymensingh, etwa 150 Kilometer nördlich der Hauptstadt Dhaka, und forderten 20 Tote und 300 Verletzte.

Kette von blutigen Anschlägen

Die Explosionen sind das vorläufig letzte Glied in einer Kette von blutigen Anschlägen, die sich vor allem gegen öffentliche Musik- und Tanzvorführungen richten. Und sie treffen damit ganz empfindlich den Nerv der eher weltoffenen Bürger des Landes. Für die knapp 130 Millionen Bewohner Bangladeschs, von denen 90 Prozent Muslime und etwa 10 Prozent Hindus sind, gehören Musik und Film zur Alltagskultur. Religiosität und Lebensfreude, gegenseitige Toleranz und Respekt prägen das Land, das sich im Unabhängigkeitskrieg von 1971 von Pakistan löste. Und anders als in Pakistan wurde der Islam bislang nicht zur Staatsideologie erhoben.

Bisher hat sich niemand zu den Anschlägen bekannt, und die Ermittlungsbehörden gehen bislang offiziell nur davon aus, dass die Anschläge das Werk einer gut ausgebildeten und organisierten Gruppe sind. Auf Vermutungen, dass die Terrorgruppe El Kaida hinter den Anschlägen stecken könnte, reagiert die Regierung äußerst empfindlich. Ein Journalist der Nachrichtenagentur Reuters wurde festgenommen, nachdem er den Innenminister Bangladeschs angeblich falsch zitiert hatte. Dieser soll eine mögliche Verbindung zu El Kaida zugegeben haben, was aber sofort dementiert wurde.

Keine Beweise für El-Kaida-Beteiligung

In der Tat verdichten sich seit mehreren Monaten Hinweise darauf, dass Ableger der El-Kaida in Bangladesch aktiv sind. Nach Informationen des indischen Geheimdienstes seien bereits Anfang des Jahres mehr als hundert Mitglieder der El-Kaida aus Afghanistan nach Bangladesch geflohen. Unter ihnen soll sich auch der Stellvertreter von Osama Bin Laden, der Ägypter Aiman El-Zawahiri, befinden. Der Außenminister von Bangladesch, Morshed Khan, weist die indischen Berichte empört zurück.

Handfeste Beweise für den Aufenthalt von El-Kaida-Kämpfern in Bangladesch gibt es tatsächlich nicht. Aber es gibt zahlreiche Organisationen, die vermutlich Verbindungen zum Terrornetzwerk Bin Ladens unterhalten. Zu den prominentesten zählt die Harkat-ul-Jihad-al-Islami Bangladesch (HUJI-B). Diese wird verdächtigt, in den letzten Jahren ähnliche Terroranschläge auf Musik- und Filmvorführungen verübt zu haben, die zahlreiche Todesopfer und hunderte Schwerverletzte forderten. Etliche Mitglieder dieser Gruppe gehören der Regierungskoalition an. Sie sympathisieren offen mit Osama Bin Laden und den Taliban und erstreben die Errichtung einer Islamischen Republik mit der Scharia - der islamischen Rechtsprechung - als alleingültiger Rechtsordnung.

Kampf gegen die Opposition

Die beiden großen demokratischen Parteien, die regierende Nationalpartei Bangladeschs (BNP) von Premierministerin Khaleda Zia und die Awami-Liga von Oppositionsführerin Sheikh Hasina, nutzen die tragischen Ereignisse für gegenseitige Vorwürfe und das Begleichen politischer Rechnungen aus. So wurde bei der Verhaftungswelle, die unmittelbar nach den jüngsten Bombenanschlägen angeordnet wurde, mehr als ein Dutzend hochgestellter Oppositionspolitiker inhaftiert. So dient der "Kampf gegen den Terrorismus" zunehmend der innenpolitischen Auseinandersetzung.