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Debatte über Sicherheit

14. September 2009

Mit stärkerer Video-Überwachung soll die Sicherheit der Bevölkerung spürbar erhöht werden. Die Bundespolizei macht davon längst Gebrauch. Ob sie wirklich hilft, ist unter Experten allerdings umstritten.

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Ein Schild im Hamburger Hauptbahnhof informiert darüber, dass der Bereich von Video-Kameras überwacht wird (Foto: dpa)
Video-Überwachung auf dem Hamburger BahnhofBild: picture-alliance/ dpa

Das Opfer bezahlte seine Zivilcourage mit dem Leben. Der 50-jährige Mann war zu Tode geprügelt worden, nachdem er anderen Fahrgästen zu Hilfe geeilt war, die von Jugendlichen in einer Münchener S-Bahn belästigt worden waren. Der Fall löste in Deutschland Entsetzen aus - und eine Diskussion über die Sicherheit der Bevölkerung.

In der gesamten Kriminalitätsstatistik spielen tödliche Übergriffe in aller Öffentlichkeit zwar eine verschwindend kleine Rolle, ihre Brutalität indes löst besondere Bestürzung aus: In der Bevölkerung wächst die Angst, selber Opfer solcher Gewalttaten zu werden - wobei die Wahrscheinlichkeit, Opfer so genannter Bagatelldelikte wie Handtaschendiebstahl zu werden, wesentlich größer ist. Wie Kriminalität am wirksamsten bekämpft werden kann, darüber gehen die Meinungen naturgemäß auseinander.

Ruf nach mehr Video-Überwachung

Zu den gängigen Forderungen gehört der verstärkte Einsatz von Videokameras im öffentlichen Raum, also auf Straßen, Plätzen und nicht zuletzt Bahnhöfen. Tatsächlich ist diese Form der Überwachung längst weit verbreitet. Ein spektakulärer Erfolg war den Strafverfolgungsbehörden im Falle der so genannten Kofferbomber beschieden, die im Sommer 2006 Sprengsätze in Regionalzügen im Rheinland deponiert hatten. Die Bomben explodierten zum Glück nicht. Die Täter wurden später mit Hilfe von Videoaufzeichnungen ermittelt und verurteilt.

Schäuble sieht sich bestätigt

Bundesinnenminister Schäuble (Foto: AP)
Bundesinnenminister Schäuble ist für mehr Video-ÜberwachungBild: AP

Der deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble fühlte sich in seiner Auffassung bestärkt: "Ich glaube, die Video-Überwachung hat sich in diesem Fall hervorragend bewährt. Und deshalb sollte man von dieser Möglichkeit noch mehr Gebrauch machen", erklärte Schäuble damals. "Wenn man in der Öffentlichkeit ist, wird man auch von Kameras gesehen, in jedem Kaufhaus ist das auch der Fall."

Der Einsatz von Überwachungskameras ist allerdings an Bedingungen geknüpft. Die Bundespolizei hat mehr oder weniger freie Hand, wenn es um die Sicherheit auf Bahnhöfen geht. Gesetzlich ist es ihr erlaubt, so genannte "selbsttätige Bildaufnahme- und Bildaufzeichnungsgeräte einzusetzen, um Gefahren für Anlagen und Einrichtungen der Bahn und der sich dort befindlichen Personen und Sachen zu erkennen", wie es im schönsten Bürokratendeutsch heißt.

Die vor gut drei Jahren fehlgeschlagenen Bombenattentate auf Regionalzüge haben letztlich dazu geführt, dass die Videoaufzeichnungen bis zu einem Monat gespeichert werden. Zuvor waren sie unverzüglich zu löschen.

Datenschützer warnen vor Überwachung

Datenschützer beurteilen die weit verbreitete Videoüberwachung grundsätzlich skeptisch, weil Bürgerinnen und Bürger theoretisch verdachtsunabhängig ins Visier der Polizei geraten könnten. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem konkreten Fall bereits einen Riegel vorgeschoben, und zwar bei der Verkehrsüberwachung von Autobahn-Brücken. Dafür wären gesetzliche Regeln erforderlich gewesen, die aber fehlten. Es gibt aber auch Bereiche, in denen Video-Überwachungen Pflicht sind, dazu zählen Banken und Spielcasinos.

Umstritten ist die so genannte optische Wohnraum-Überwachung durch das Bundeskriminalamt. Gegen diese Kompetenzerweiterung im Zuge des Anti-Terror-Kampfes sind mehrere Verfassungsklagen anhängig.

Die aktuelle Studie "Sicherheit in Deutschland"

Der Chef des MeinungsforschungsinstitutsForsa, Manfred Güllner (Foto: Forsa)
Forsa-Chef Manfred Güllner präsentierte die Studie "Sicherheit in Deutschland"Bild: Forsa

Derweil dürfen sich die Befürworter schärferer Gesetze und einer Ausdehnung der Video-Überwachung auf eine aktuelle Umfrage berufen, die der Chef des Meinungsforschungsinstituts 'Forsa', Manfred Güllner, am vergangenen Freitag (11.09.2009) in Berlin veröffentlicht hat, also einen Tag vor der tödlichen Attacke auf den S-Bahn-Fahrgast. Demnach halten 73 Prozent der Befragten die Video-Überwachung auf öffentlichen Plätzen, auf Bahnhöfen, auf Flugplätzen, in Stadien oder großen Einkaufszentren für richtig. "Und es glauben auch 61 Prozent daran, dass eine solche Überwachung erfolgreich sei, also sinnvoll ist", erklärte Güllner.

Gewerkschaft fordert 10.000 neue Polizei-Stellen

Die Umfrage wurde im Auftrag des Deutschen Beamtenbundes (DBB) erstellt und hat den Titel "Sicherheit in Deutschland". DBB-Chef Peter Heesen sieht sich in seiner Einschätzung bestätigt, dass die personelle Ausstattung der Polizei in Deutschland unzureichend ist. "Wir stellen immer wieder fest, dass Polizei im Alltag in den Straßen unserer Städte und Gemeinden nicht zu sehen ist. Und wir glauben, dass da eine Menge mehr geschehen muss, auch zur subjektiven Beruhigung von Menschen." Man wolle die Politik ermahnen, in diesem Bereich mehr zu tun. Konkret fordert Gewerkschafter Hessen 10.000 neue Polizei-Stellen in Bund und Ländern.

Autor: Marcel Fürstenau

Redaktion: Dеnnis Stutе