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Tödliches Trinkwasser

Thomas Kruchem (np)16. März 2009

In Bangladesch trinken Millionen Menschen seit Jahrzenten Wasser aus arsenhaltigen Brunnen. Filteranlagen, um Regen- und Brackwasser zu reinigen, sind bereits gebaut worden. Sauberes Trinkwasser gibt es dennoch kaum.

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Eine Frau schöpft Wasser aus einem grünlich schimmernden Teich
Verschmutzte Fischteiche oder arsenhaltige Brunnen? Die Trinkwasserversorgung ist katastrophalBild: Thomas Kruchem

Das Dorf Moba Rokhti mit seinen vielleicht 3.000 Einwohnern liegt zwei Stunden östlich von Dhaka, Bangladesch. Zwischen Reisfeldern und von Hyazinthen überwucherten Fischteichen, Bananenstauden und Kokospalmen führt die Straße in einen Weiler aus Lehm-, Bambus- und Schilfhütten. Bärtige alte Männer, gekleidet in weiße Banjabi, führen ernste Gespräche – während Frauen in großen Körben Dung auf die Kartoffelfelder tragen und Kinder an Kiosken Nüsse, Süßwaren und Gummisandalen verkaufen.

Drei Frauen zeigen ihre verletzen Hände
Viele Frauen können wegen der Arsenvergiftung nicht mehr arbeiten.Bild: Thomas Kruchem

Etwas abseits schöpft ein vielleicht 12-jähriges Mädchen Wasser aus einem Tiefbrunnen. "Dieses Wasser ist mit Arsen verseucht", sagt Mohammed Jakardiya, Mitarbeiter der in Dhaka ansässigen Hilfsorganisation "NGO Forum für Trinkwasser". Er führt den Besucher auf den Dorfplatz, wo die Bäuerin Jinatum Nizar und zwei ihrer Freundinnen das Sieben von Reis unterbrechen und ihre Hände herzeigen. Die Handflächen und Fußsohlen der Frauen sind rau, rissig und hart. Hinzu kommen grau-braune Flecken am Körper. "Ich kann kaum mehr laufen und wenn ich etwas anfasse, bleiben meine Hände daran hängen und reißen auf", klagt die vielleicht 40-jährige Jinatum Nizar. "Manchmal versuche ich, die Haut mit Rasierklingen zu glätten, aber nach ein paar Wochen sieht sie schlimmer aus als zuvor."

Das Gift gefährdet 40 Millionen Menschen

Arsen, ein farb-, geruch- und geschmackloses und hochgiftiges Halbmetall, hat in Bangladesch eine Massenvergiftung heraufbeschworen. Hier tranken die Menschen früher aus Tümpeln und Teichen. Hunderttausende starben Jahr für Jahr an Cholera und Durchfall, bis Anfang der 70er Jahre das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, UNICEF, den Bau von Tiefbrunnen initiierte. Heute trinken 95 Prozent der Landbevölkerung in Bangladesch biologisch einwandfreies Grundwasser, das vielerorts jedoch belastet ist mit natürlich vorkommendem Arsen. Dieses in den Böden der Himalaya-Hänge enthaltene Arsen wurde über Jahrtausende ins Delta von Bengalen gespült und lagerte sich dort ab.

Ein Junge steht neben einer Wasserpumpe
Die wenigen einwandfreien Brunnen in Moba Rokhti sind grün, die arsenbelasteten rot markiertBild: Thomas Kruchem

Schon Ende der 80er Jahre stießen Ärzte bei Menschen, die aus Brunnen tranken, auf arsenbedingte Hauterkrankungen. Alarmrufe jedoch blieben bis Ende der 90er Jahre unbeachtet. Seitdem wurden zehn Millionen Brunnen getestet. Das Ergebnis: Die Arsen-Konzentration war teilweise 1.400mal so hoch wie der Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation WHO. 40 Millionen Menschen sind gefährdet, 300.000 schwer erkrankt. In einigen Jahren wird wohl jeder zehnte Krebsfall in Bangladesch arsenbedingter Haut-, Lungen- oder Blasenkrebs sein.

Auf der Suche nach nachhaltigen Lösungen

In betroffenen Dörfern versuchen viele Hilfsorganisationen seit Jahren, die Wasserversorgung endlich auf gesunde Füße zu stellen. Nach Moba Rokhti kamen sie vor acht Jahren. Arsenkranke Dorfbewohner wurden mit Medikamenten versorgt. Das Wasser aus belasteten Brunnen wurde mit Aluminiumsulfat chemisch gereinigt. Das Verfahren jedoch war so kompliziert, dass es die Dorfbewohner nie begriffen. Außerdem muss das Filtermedium alle zwei Jahre gewechselt werden – was Geld kostet. Irgendwann lief dann das Projekt aus, die Leute kümmerten sich nicht mehr um die Filter. Jetzt trinken sie wieder direkt aus den arsenverseuchten Brunnen.

Eine Frau füllt Wasser von einem Krahn in eine Flasche
Die Filteranlagen für Regen- und Teichwasser verstopfen schnell, wenn sie nicht gewartet werdenBild: Thomas Kruchem

Das vom deutschen katholischen Hilfswerk Misereor unterstützte "NGO Forum für Trinkwasser" will nachhaltige Lösungen finden. Wo es geht, setzen die Experten des Forums deshalb auf die Gewinnung von Regenwasser. Wo es zu wenig oder zu unregelmäßig regnet, werden – wie im Dorf Moba Rokhti – Kies- und Sandfilteranlagen errichtet. Hier können die Menschen das Wasser ihrer Teiche reinigen.

Doch auch dieses Verfahren ist mit Problemen verbunden: "Die meisten Teiche werden für die Fischzucht genutzt", berichtet Mohammed Jakardiya, ein Mitarbeiter des "NGO Forums". Weil dabei Dünger und Pestizide zum Einsatz kommen, sei das Wasser in der Regel belastet. "Trotzdem haben wir vor einigen Jahren die Teichbesitzer hier gebeten, ihre Gewässer der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Mehrere taten das und wir bauten mit der Dorfbevölkerung Filteranlagen." Das Problem: Nach ein, zwei Jahren merkten die Teichbesitzer, dass ihnen das Geld aus der Fischzucht fehlte. Sie machten aus den Teichen wieder Fischteiche - und die mühsam angelegte Filterinfrastruktur verkam.

Eine frustrierende Herkulesaufgabe

Achselzuckend deutet Jakardiya auf von Unkraut überwucherte und fast völlig verstopfte Kiesbecken neben einem Teich in Moba Rokhti. Es sei eine Herkulesaufgabe, sagt er, zig Millionen Menschen, die sich an bequeme Wasserversorgung aus Tiefbrunnen gewöhnt haben, wieder auf vergleichsweise mühsame Trinkwassergewinnung aus Regen- und Oberflächenwasser umzugewöhnen.

"Bislang haben wir in Bangladesch, obwohl es an internationaler Hilfe nicht fehlt, beschämend wenig erreicht", meint auch Geologie-Professor Feroze Ahmed, einer der führenden Arsenforscher in Bangladesch. Es fehle vor allem an Koordination durch die Regierung. "Zahlreiche Behörden und Hilfsorganisationen werkeln vor sich hin. Niemand aber koordiniert tatsächlich den Neuaufbau einer Trinkwasserversorgung in Bangladesch."