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Türen vorerst verschlossen?

Bernd Riegert6. Februar 2004

Die EU-Erweiterung steht vor der Tür. Im Prinzip gilt zwar für alle Arbeitnehmer "Freizügigkeit" - das heißt, jeder kann überall eine Arbeit anzunehmen. Im Prinzip.

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Auch in der neuen EU kann zunächst nicht jeder überall seine Brötchen verdienenBild: AP

Irland ist drei Monate vor der Erweiterung der Europäischen Union offenbar das einzige Land, das den neuen EU-Bürgern aus Osteuropa keine Beschränkungen auferlegt, wenn sie einen Arbeitsplatz suchen. Bei den Beitrittsverhandlungen haben einige Alt-Mitglieder für die Bürger der zehn neuen Staaten Übergangsfristen ausgehandelt: Deutschland und Österreich haben als unmittelbare Nachbarn zu den beitretenden Staaten von Anfang an darauf bestanden, sieben Jahre lang die Arbeitsmöglichkeiten einzuschränken und damit die volle Frist auszuschöpfen. Belgien und Finnland haben sich dieser Haltung inzwischen angeschlossen.

Schweden: wir sind nicht naiv

Schweden und Dänemark haben nun angekündigt, Arbeitserlaubnisse nur zu erteilen, wenn ein Arbeitsvertrag vorgelegt werden kann. Der schwedische Regierungschef Göran Persson sagte, es wäre wohl naiv, wenn sein Land die Grenzen offen hielte, während alle andere die Tore zumachten.

Auch Großbritannien, das bis vor kurzem noch die Zuzug von Arbeitnehmern aus Osteuropa als willkommene Belebung für die Wirtschaft pries, will jetzt offenbar seine liberale Haltung überdenken. Premierminister Tony Blair will "Wohlfahrts-Touristen" abschrecken, also Menschen, die Sozialleistungen in den alten EU-Staaten missbrauchen wollen.

Auch der Süden mauert

Unklar ist die Lage bei den südeuropäischen Alt-Mitgliedern: In Italien sollten Arbeitskräfte aus den neuen Ländern eigentlich freien Zugang erhalten. Doch unter dem Druck des rechten Koalitionspartners Lega Nord könnte Ministerpräsident Silvio Berlusconi sich noch zu Restriktionen entscheiden. Es wird damit gerrechnet, dass auch Frankreich und Spanien in den nächsten Wochen, Beschränkungen erlassen werden.

Unübersichtlich ist die Situation nicht nur für mögliche Arbeitnehmer in den Beitrittsstaaten sondern auch für die Experten der EU-Kommission in Brüssel: Die 15 alten Mitglieder sind nicht verpflichtet, ihre Verfahren nach Brüssel zu melden. Erst in zwei Jahren müssen sie ihre Regelungen vorlegen, die bis zu fünf Jahren verlängert werden können. Begründungen für ihre Maßnahmen müssen die alten Mitgliedsstaaten in den ersten zwei Jahren nicht liefern.

Verheugen unzufrieden

Die EU-Kommission schätzt, dass jährlich etwa 250.000 Bürger aus neuen Ländern im Westen und Süden der Union Arbeit suchen wollen. Nicht eingerechnet sind Selbstständige, Kleinunternehmer und deren Angehörige. Für sie gelten die Beschränkungen nicht.

EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen ist mit der unsicheren Lage nicht zufrieden, doch nach den Beitrittsverträgen können die Mitgliedsstaaten nicht zu einheitlichen Regelungen gezwungen werden. Der neue EU-Kommissar aus der Slowakei, Jan Figel, kritisierte die Beschränkungen, die für die Bürger aus osteuropäischen Beitrittsländern gelten: "Die Auffassung, dass man 14 Jahre nach dem Mauerfall immer noch eine lange Übergangszeit braucht, zeugt von mangelnder Solidarität", sagte Figel.

Experten befürchten, dass die Beschränkungen die illegale Beschäftigung von EU-Bürgern aus den Beitrittsstaaten nach dem 1. Mai 2004 fördern könnte. Als Touristen könnten diese potenziellen Wanderarbeiter nämlich ohne Visum einreisen und dann in den alten EU-Staaten "abtauchen".