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Türkei geht auf Distanz zu EU

19. Juni 2013

Im Streit um die brutalen Einsätze der Polizei will sich Ankara keine Kritik aus der EU gefallen lassen. Immer mehr Türken bringen ihren Protest gegen den autoritären Kurs der Regierung durch Stillstehen zum Ausdruck.

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Menschen stehen im stummen Protest auf dem Taksim-Platz in Istanbul (Foto: Kyodo)
Bild: picture alliance / Kyodo

Der harte Kurs Ankaras gegen die Protestbewegung entfremdet die Türkei und die EU immer mehr: Nachdem Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan Kritik der EU mehrmals scharf zurückgewiesen hat, sagte Justizminister Sadullah Ergin seine Teilnahme an einer Konferenz zu Medien und Meinungsfreiheit in Brüssel ab. Der türkische EU-Minister Egemen Bagis betonte, die Türkei sei nicht auf die EU angewiesen. "Wenn nötig können wir ihnen sagen: Junge, zieh Leine", so Bagis.

Eine Delegation des EU-Parlaments sagte derweil ihrerseits eine geplante Reise in die Türkei ab. Offenbar müsse die Regierung in Ankara noch lernen, "wie man mit Kritik umgeht", erklärte der deutsche Delegationsleiter Elmar Brok (CDU).

60 neue Wasserwerfer

Bei den Demonstrationen der vergangenen drei Wochen hat die Polizei 130.000 Patronen mit Reizgas verschossen. Es sei nun geplant, kurzfristig 100.000 Patronen Tränengas und Pfefferspray zu beschaffen, um die Bestände aufzufüllen, berichtete die Zeitung "Milliyet". Als Teil einer Ausschreibung sollten zudem 60 weitere Wasserwerfer beschafft werden.

Der massive Einsatz von Tränengas gegen Demonstranten wurde international als unverhältnismäßig kritisiert. Zudem wird verurteilt, die Polizei habe gezielt und auf kurze Distanz direkt auf Demonstranten geschossen und Tränengasgewehre damit praktisch wie scharfe Waffen eingesetzt.

"Stehender Mann" macht Schule

Inzwischen nutzen immer mehr Menschen die neue Form des Protests: Sie stehen stundenlang einfach nur still. Auf dem zentralen Taksim-Platz in Istanbul standen am Mittwoch dutzende Demonstranten in der brütenden Hitze in stillem Protest (Artikelbild). Ein türkischer Choreograph hatte in der Nacht zum Dienstag als "Stehender Mann" stundenlang auf dem Taksim-Platz verharrt und damit die neue Protestform initiiert.

Die "Taksim-Plattform" kritisierte die Festnahmen von Aktivisten der vergangenen Tage, bei denen auch Anti-Terror-Einheiten im Einsatz waren. Die Gruppe, die zu den Organisatoren der Demonstrationen gehört, warnte vor einer Hexenjagd.

Die landesweite Protestwelle hatte sich an der brutalen Räumung eines Camps von Demonstranten im Gezi-Park in unmittelbarer Nachbarschaft des Taksim-Platzes entzündet. Das Lager wurde am vergangenen Wochenende zum zweiten Mal geräumt. Die Regierung plant dort den Nachbau einer osmanischen Kaserne mit Wohnungen, Geschäften oder einem Museum.

re/wl (dpa, epd, afp)