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Türkei trennt Nullen ab

Samira Lazarovic4. Januar 2005

Mit einem Schlag hat sich die Türkei ihrer Papier-Millionäre entledigt. Die Regierung hat zu Beginn des neuen Jahres sechs Nullen bei der Landeswährung gestrichen. Damit soll nun auch optisch die Ära der Inflation enden.

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Sechs Nullen leichter: Atatürk auf der neuen Lira-NoteBild: AP

Nach drei Jahrzehnten Inflation hielt die Türkei mit dem 20-Millionen-Lira-Schein den zweifelhaften Weltrekord, die nominal größte Banknote zu haben. Diese war jedoch gerade mal elf Euro wert. Mit dem Währungsschnitt werden aus den 20 Millionen türkischen Lira 20 "Neue Türkische Lira", so die Bezeichnung.

Währungsreform in der Türkei Neue Münzen Türkische Lira
Mit den neuen Münzen hat die Türkei erstmals seit über 20 Jahren wieder Kleingeld in der Tasche.Bild: AP

"Nun muss man nicht mehr hundert Millionen Lira auf den Tisch legen, nur um ein Paar Schuhe zu kaufen", freut sich die Geschäftsführerin der Türkisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer, TD-IHK, Gülay Yasin. Das sei nicht nur für türkische Verbraucher, sondern auch für Urlauber eine große Erleichterung. Auch die Wiedereinführung des Kleingeldes sei sehr zu begrüßen. Die Umstellung auf die neue Währung verlief nach Angaben von Yasin problemlos. Die Banken seien sehr gut vorbereitet gewesen. Noch bis Ende 2005 gelten die alte und die neue Währung parallel.

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Krönung des Kampfes gegen die Inflation

Möglich wurde die Maßnahme erst durch die Bekämpfung der Inflation in den vergangenen Jahren. Betrug die Teuerungsrate in den neunziger Jahren zeitweise 150 Prozent, schaffte es die Regierung unter Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, die Inflation im Jahr 2004 erstmals seit 30 Jahren unter zehn Prozent zu drücken. 2005 will die Regierung eine Teuerungsrate von acht Prozent und 2007 von vier Prozent erreichen.

Noch im Februar 2001 stand das Land am Rande eines Staatsbankrotts. Eine Finanzkrise trieb die Türkei in die tiefste Rezession seit 1945. Ein strenges Reformprogramm holte das Land am Bosporus dort wieder raus: Der marode Bankensektor wurde saniert, die Deregulierung der Märkte vorangetrieben und die maßlosen Staatsausgaben zurückgefahren. Möglich machte das ein umfangreiches Hilfsprogramm des Internationalen Währungsfonds, IWF, das unter anderem Kredite in Höhe von 18,6 Milliarden Dollar umfasste. Die Anstrengungen machten sich bezahlt: Die türkische Konjunktur ist angesprungen, 2004 lag das Wachstum nach vorläufigen Berechnungen bei insgesamt rund zehn Prozent.

Perfektes Timing

Es hätte auch keinen Sinn gehabt, die Nullen zu streichen, ohne vorher die Stabilität für die Zukunft zu sichern, so Yasin. Dann hätte man schnell wieder die Millionenbeträge gesehen. Auch für Dietmar Hornung, Volkswirt bei der Deka-Bank, hat die türkische Regierung den richtigen Zeitpunkt für eine solche Maßnahme gefunden. Die Türkei habe Ende letzten Jahres mit der Aufnahme der EU-Beitrittsverhandlungen die Ernte für die erfolgreichen Reformen eingefahren.

Symbol für Stabilität

Der jetzt vorgenommene Währungsschnitt werde der Türkei bei ihren weiteren Reformvorhaben helfen - wenn auch eher auf psychologischer Ebene, sagt Hornung. Rein rechnerisch habe die Maßnahme keine Auswirkungen auf die Inflation, allerdings könnten die Inflationserwartungen gedämpft werden, so der Ökonom. Der Schnitt sei ein Symbol für die wirtschaftliche Stabilität, meint auch Yasin.

Die TD-IHK-Geschäftsführerin hofft, dass der vereinfachte Zahlungsverkehr sich auch in steigenden Auslandsinvestitionen niederschlagen wird. Hornung sieht dagegen eher Effekte auf dem Finanzmarkt. Bislang sei es Portfolio-Managern oft unmöglich gewesen, in der Türkei zu investieren, weil die Handelssysteme nicht mit der Lira umgehen konnten, berichtet der Türkei-Experte.

Erst die Reformen

Sicherlich werde die Türkei auch mit der Währungsreform kein Niedrig-Inflationsland werden, meint Hornung. Doch auf absehbare Zeit sehe er keine Millionenbeträge mehr. Auch Yasin glaubt an einen längerfristigen Erfolg. Die türkische Regierung habe sich gemeinsam mit den Zentralbanken gründlich vorbereitet und die Maßnahmen von insgesamt 49 Ländern verglichen, bei denen ähnliche Schnitte durchgeführt worden seien.

Gerade in lateinamerikanischen Ländern seien die Maßnahmen jedoch an politischen Instabilitäten gescheitert, so Yasin. Hier habe die Türkei aber vorgesorgt, in dem zunächst die Reformen durchgeführt und erst dann die Nullen abgetrennt wurden. Brasilien brauchte in der Vergangenheit insgesamt sechs Anläufe, um sich von 18 Nullen zu trennen, Argentinien musste viermal nachfassen, um 13 Nullen loszuwerden.