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Türkische Künstler im Berliner Exil

Ceyda Nurtsch
28. Mai 2017

Buğra Erol sieht seine Zukunft in Berlin - und nicht in Istanbul. Damit ist er einer von vielen türkischen Künstlern, die vor Repressionen fliehen. Womit hatten sie zu kämpfen? Und wie beeinflusst das Exil ihre Arbeit?

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 Burga Erol, Künstler aus der Türkei, derzeit in Berlin (Foto: berlinartprojects)
Bild: berlinartprojects

Die Bilder sind destruktiv und verstörend: Ein schwarzes Herz streckt ein schreiendes Gesicht in den Vordergrund. Kleine Schädel baumeln daran. "Stone heart" heißt dieses collagenartige Werk des türkischen Künstlers Buğra Erol. Es ist Teil der Ausstellung "Mind your wishes", die dem 27. Mai in der Berliner Galerie "BERLINARTPROJECTS" zu sehen ist. Erol, 1986 geboren, ist einer von vielen Künstler, die ihre Zukunft in Berlin und nicht in ihrer Heimat Istanbul sehen.

"Ich wollte einfach nur weg", erzählt er bei einem Rundgang durch die Galerie. Die Atmosphäre in der Türkei sei für ihn unerträglich geworden. "Als Künstler reflektieren wir, was um uns herum geschieht. Aber durch die täglichen Katastrophen haben viele von uns das Bedürfnis, sich zurückzuziehen." Viele junge Menschen würden die aktuelle Situation ähnlich empfinden: "Einerseits möchten wir kämpfen. Andererseits wissen wir, dass wir sterblich sind und glücklich sein wollen." Zwei Mal sei eine Ausstellung, an der er mitgewirkt hat, bestürmt worden. Man hätte religiöse Gefühle verletzt. "Die Regierung gibt diesen Leuten Rückenwind", so Erol. "Hier in Berlin gibt es Freiheit. Und ich bin hier, um diese Freiheit zu nutzen."

Collage von Burga Erol mit dem Titel "Stone Heart", 2017 (Copyright: CHROMA)
"Einfach nur weg" - Buğra Erol sieht für sich keine Zukunft in der TürkeiBild: CHROMA

Künstler unter Druck

Marie DuPasquier ist Kuratorin der Ausstellung. Seit 2006 unterstützt "BERLINARTPROJECTS" aufstrebende Künstler, viele von ihnen aus der Türkei. Die Galerie soll Treffpunkt zwischen ihnen und internationalen Künstlern sein. Ein deutliches Zeichen der Unterstützung setzte sie, als bei der letzten Kunstmesse Contemporary Istanbul kurz nach dem vereitelten Putschversuch im Juli 2016 viele Künstler ihre Teilnahme absagten und die Galerie kurzerhand einsprang. "Wir wollten unsere Solidarität ausdrücken und sagen: Es muss weitergehen mit der Kunst in der Türkei", so die Kuratorin. 

Portait Çağlar Yiğitoğulları, türkischer Schauspieler und Performancekünstler (Foto: C. Yiğitoğulları)
Seit kurzem in Berlin: Schauspieler Çağlar YiğitoğullarıBild: C. Yiğitoğulları

Der Schauspieler und Performancekünstler Çağlar Yiğitoğulları ist seit einem Monat in Berlin. 15 Jahre hat er am Stadttheater in Istanbul gearbeitet. Nun hat er ein dreijähriges Künstlervisum bekommen. "Zensur und Selbstzensur gab es an Theatern schon immer", erzählt er. Aber den ersten deutlichen Einschnitt habe man gespürt, als die Stadtverwaltung das Budget fürs Theater unter ihre Kontrolle stellte. "Ab da mischten sie sich in alles ein. Vom Repertoire bis zur Requisite." Man versuchte sich zu arrangieren, erzählt er. Doch alles änderte sich mit den Gezi-Protesten 2013. "Seitdem ist die Türkei kein demokratisches Land mehr. Alle haben große Angst." Drei Regisseure, mit denen er gearbeitet hatte, wurden entlassen. "Ich möchte das dortige System nicht mittragen." Zurück nach Istanbul möchte er nicht.

Erst beflügelnd, dann zerstörend

Unterstützt wird der Schauspieler durch die Künstlerinitiative Tara, gegründet von den Kulturschaffenden Petra Diehl, Yeşim Yalman und Mürtüz Yolcu. "Wir beobachteten, dass in der Türkei die Kunst zunehmend an Wert verlor und Tänzer attackiert wurden", erzählen sie. Daher organisieren sie Konzerte und Festivals in Deutschland und helfen den Künstlern bei dem teils zermürbenden Kampf mit deutschen Behörden.

Karikatur von Serkan Altuniğne (Copyright: S. Altuniğne )
Bissiger Humor: Karikaturist Serkan AltuniğneBild: S. Altuniğne

Auch der Karikaturist Serkan Altuniğne ist seit einigen Monaten in Berlin. Seit 2002 zeichnete er für Penguen, eine der bekanntesten Satirezeitschriften der Türkei. Bis vor ein paar Wochen - dann musste die Zeitschrift schließen. In den vergangenen Jahren waren die Verkaufszahlen von 80.000 auf 15.000 gesunken. Die sozialen Medien waren ihnen bei den sich rasend schnell verändernden Entwicklungen immer einen Schritt voraus. Dazu kamen die Anwalts- und Gerichtskosten von etlichen Verfahren. "Einmal wurden wir angeklagt, weil wir den Kultusminister schlafend abgebildet hatten. Ein anderes Mal, als wir Erdoğan in Tierform zeichneten", erinnert er sich. Und einmal wurde die Redaktion von einem aufgebrachten religiösen Mob gebrandschatzt. Sie zogen um und hielten ihre Adresse geheim. 

"Einerseits beflügelt diese Atmosphäre einen Künstler", erzählt er. "Aber andererseits hält man den Druck irgendwann persönlich nicht mehr aus." Genau einen Monat nach dem vereitelten Putschversuch setzte er sich mit seiner Frau ins Auto und fuhr nach Berlin. Was nach Ablauf seines Künstlervisums kommt, ist ungewiss. Auch er will nicht zurück.