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Türkische und arabische Firmen gehen voran

1. November 2011

Weil sie das deutsche Ausbildungssystem nicht genügend kennen, bilden zu wenig Unternehmen mit Migrationshintergrund aus. Türkisch- und arabischstämmige Unternehmer aber beteiligen sich jetzt zunehmend an der Ausbildung.

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Bei der Auszeichnung türkisch- und arabischstämmiger Unternehmer in Berlin mit Staatsministerin Maria Böhmer(Foto: DW/Danisman)
Bild: DW

Dieser Tage wurden 30 türkisch- und arabischstämmige Unternehmer in Berlin dafür ausgezeichnet, dass sie erstmals Ausbildungsplätze für Jugendliche zur Verfügung stellen. Mit ihrem Engagement für die Ausbildung im eigenen Betrieb geben Unternehmen jungen Menschen eine Chance und setzen damit auch ein Zeichen für deren erfolgreiche Integration. Denn egal ob Restaurant, Backshop, Schlüsseldienst oder Reisebüro - diese Orte prägen das alltägliche Leben und sind unabdingbar für die Wirtschaft.

So bildet der arabischstämmige Ibrahim Halabi in Berlin-Tempelhof - einer der Ausgezeichneten - einen Jugendlichen als Siebdrucker aus. Die Druckerei, in der der junge Mann seine Ausbildung erhält, ist spezialisiert auf Verfahren zum Bedrucken von Werbeartikeln. Nach der Ausbildung solle der junge Mann auf jeden Fall im Unternehmen bleiben können, sagt Ibrahim Halabi. Er finde es gut, wenn der Auszubildende von Anfang an weiß: "Das ist mein zukünftiger Arbeitsplatz." Das motiviere ihn dann stärker, ist sich Halabi sicher.

Ein anderes Beispiel: Orhan Yüksel hat eine Bäckerei in Berlin-Kreuzberg und bildet einen 18-jährigen Jugendlichen mit türkischen Wurzeln aus. Er ist bereit, den jungen Mann nach der Ausbildung in seinem Laden zu behalten: "Er macht sich gut. Wir arbeiten schon sehr gut zusammen."

Wichtiger Partner bei der Ausbildung

Der Geschäftsführer des Bildungswerks in Kreuzberg GmbH (BWK), Nihat Sorgec (l), der US-Botschafter in Deutschland, Philip D. Murphy (M), seine Frau Tammy (2.v.r.) und der Botschafter der Türkei, Ahmet Acet (r) sehen sich am Freitag (12.03.2010) im BWK in Berlin die Metallarbeit eines Schülers an. Mit dem Besuch wollten sich die Diplomaten über die Bildungsarbeit der Einrichtung mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund informieren (Foto: Dpa)
Geschäftsführer des Bildungswerks Kreuzberg, Nihat Sorgec (links) mit US-Botschafter Philip D. MurphyBild: picture alliance/dpa
Mit dem Bildungswerk Kreuzberg (BWK) hat das Bundesbildungsministerium einen wichtigen Partner bei der Ausbildung in Berlin gefunden. Seit 2006 wurden hier über das Projekt "Jobstarter" 400 Ausbildungsplätze für Berlin initiiert - zunächst ausschließlich in türkischstämmigen Unternehmen. Seit 2009 beteiligen sich aber auch Unternehmerinnen und Unternehmer mit arabischen Wurzeln. Das Bildungswerk Kreuzberg begleitet die ausbildungsbereiten Unternehmen bei allen Schritten der Einrichtung von Ausbildungsplätzen - von der Antragstellung bis hin zur Einstellung eines geeigneten Auszubildenden.

Wie Nihat Sorgec, der Geschäftsführer des Bildungswerks Kreuzberg, sagt, "erwirtschaften in Deutschland derzeit 70.000 Unternehmen in türkischer Hand einen jährlichen Umsatz von 35 Milliarden Euro". In diesen Unternehmen seien rund 350.000 Menschen beschäftigt, betont Sorgec, der auch Vizepräsident der Türkisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer ist. Angesichts dieser Zahlen würde deutlich, dass diese Unternehmen bei der Ausbildung von Fachkräften in Deutschland künftig eine größere Rolle spielen müssen. Damit würden sie auch einen Beitrag zum Standort Deutschland leisten, betonte Sorgec bei der Auszeichnung von türkisch- und arabischstämmigen Erstausbildern in Berlin.

Teilhabe am wirtschaftlichen Leben

Abdulaziz Al-Mikhlafi, Generalsekretär der GHORFA, Arabisch-Deutsche Vereinigung für Handel und Industrie e.v. mit Sitz in Berlin vor dem Mikrofon
Abdulaziz Al-Mikhlafi, Generalsekretär der GHORFA, Arabisch-Deutsche Vereinigung für Handel und Industrie e.v. mit Sitz in Berlin

Abdulaziz Al-Mikhlafi, Generalsekretär der Arabisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer (Ghorfa), bezeichnete in seiner Ansprache an die in Berlin Ausgezeichneten "die Teilhabe am wirtschaftlichen Leben - egal ob als Unternehmer, Angestellter oder Auszubildender - als eine entscheidende Voraussetzung für gesellschaftliche Partizipation und Anerkennung".

Gleichzeitig verwies Al-Mikhlafi auf die Vielfalt der türkisch- und arabischstämmigen Unternehmen in Berlin. Da gehe es um Versicherungen, Einzelhandel, Fitness, Personalwesen, Gastgewerbe, Groß- und Außenhandel und andere Wirtschaftsbereiche, betonte Al-Mikhlafi.

Unternehmer auf der Schulbank

Vielen der Unternehmer türkischer und arabischer Herkunft ist das deutsche Ausbildungssystem nicht ausreichend bekannt. Vor allem die Duale Ausbildung - also die parallele Ausbildung in Betrieb und Berufsschule - sei ihnen nicht geläufig, sagt der Geschäftsführer des Bildungswerks Kreuzberg. Deshalb müssen sie vor Beginn der Ausbildung in ihrem Unternehmen erst einmal an Ausbildungseignungsseminaren teilnehmen: "Sie kennen sich mit den Rechten und Pflichten des Ausbilders nicht so gut aus. Das alles muss vermittelt werden, damit die Bereitschaft da ist, auszubilden", macht Sorgec deutlich.

Sorgec selbst hält viel vom Dualen System der Ausbildung in Deutschland, "weil wir es im Dualen Bildungssystem durch die Verzahnung von Schule und Beruf während der Ausbildung schaffen, Menschen auf ein international anerkanntes sehr hohes Niveau zu qualifizieren". Das möchte er auch bei den auszubildenden Jugendlichen mit Migrationshintergrund erreichen.

Autorin: Sabine Ripperger
Redaktion: Kay-Alexander Scholz