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Türkischer Fußball im Manipulationssumpf?

16. Juli 2011

Im türkischen Fußball herrscht in diesen Tagen großes Chaos. Mehrere Vereine - darunter auch Meister Fenerbahce und Pokalsieger Besiktas - sollen Spiele manipuliert haben. Die UEFA fordert eine rasche Aufklärung.

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Spiel Besiktas gegen Fenerbahce am 20. Februar 2011 (Foto: DPA)
Der Manipulation verdächtigt - Spiel Besiktas gegen Fenerbahce am 20. Februar 2011Bild: picture-alliance/dpa

Es ist von der größten Krise im türkischen Profifußball die Rede. Funktionäre, Spieler, Trainer und Berater wurden seit dem 3. Juli 2011 verhört oder sogar verhaftet. Nach tagelangen Verhören sitzen rund 30 der Beschuldigten in Untersuchungshaft, denn mindestens 19 Spiele der vergangenen Saison sollen manipuliert worden sein. Unter den Verhafteten befinden sich auch Fenerbahce-Präsident Aziz Yildirim und Besiktas-Trainer Tayfur Havutcu.

Fenerbahce droht sogar die Aberkennung der Meisterschaft und der Zwangsabstieg in die zweite Liga, sollte sich der Verdacht erhärten. Im Visier der Fahnder stehen aber auch der Vizemeister Trabzonspor, Pokalsieger Besiktas sowie die Erstligisten Sivasspor, Eskisehirspor, Genclerbirligi, Ankaragücü und Istanbul Büyüksehir Belediyespor (Istanbul BB). Auch mehreren Vereinen aus der zweiten Liga werden der Spielmanipulationen vorgeworfen. Den verdächtigen Personen drohen im Falle einer Anklage hohe Gefängnisstrafen.

Haben Fenerbahce und Besiktas die Titel "gekauft"?

Der "große Knall" im türkischen Fußball kam Anfang Juli. Bei Razzien in mehreren Städten wurden etwa 50 Funktionäre, Spieler, Trainer und Berater unter dem Verdacht der Spielmanipulation festgenommen. Die Ermittler der Sondereinheit zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität beschlagnahmten bei ihren Durchsuchungen zahlreiche Unterlagen, die die manipulierten Resultate in der vergangenen Saison belegen sollen.

Aziz Yildirim, Präsident von Fenerbahce (Foto: DPA)
Aziz Yildirim - Der Präsident von Fenerbahce hat große ProblemeBild: picture-alliance/dpa

Laut türkischen Medienberichten soll die Staatsanwaltschaft angeblich im Besitz von Videoaufnahmen sein, die Geldübergaben zwischen Funktionären und Fußballspielern zeigen. Außerdem solle es verdächtige SMS und Aufzeichnungen von Telefongesprächen geben. Seit acht Monaten sammelt die Istanbuler Staatsanwaltschaft bereits Beweise.

Der Prominenteste unter den Verdächtigen ist Fenerbahces Präsident Aziz Yildirim. Ihm werden strafbare Handlungen in 15 Fällen vorgeworfen, darunter die Gründung und Führung einer kriminellen Vereinigung und bewaffneten Organisation sowie versuchte Spielmanipulation. Mittlerweile wurde er zusammen mit drei weiteren Fenerbahce-Funktionären inhaftiert und wartet im Istanbuler Gefängnis "Metris" darauf, dass ihm der Prozess gemacht wird. Seine Anwälte haben bereits Revision eingelegt und verlangen seine Freilassung.

Besiktas will Pokal zurückgeben

Am 11. Juli 2011 folgte dann die zweite große Razzia. Es wurden wieder mehr als 50 Verdächtige vorläufig festgenommen – unter anderem der Ex-Verbandspräsident Mahmut Özgener, der Präsident von Vizemeister Trabzonspor Sadri Sener. Außerdem verhaftet wurden der Vizepräsident von Pokalsieger Besiktas, Serdar Adali, sowie Besiktas-Trainer Tayfur Havutcu und der türkische Nationalspieler Ibrahim Akin von Istanbul Büyüksehir Belediyespor. Auch zahlreiche amtierende und ehemalige Funktionäre, mehrerer Vereine und des türkischen Fußballverbandes (TFF) sind unter den Verdächtigen. Auch hier lautet die Anschuldigung "Spielmanipulation".

Fenerbahce-Fans jubeln nach der Meisterschaft (Foto: DPA)
Fenerbahce-Fans hatten sich eigentlich nach der gewonnenen Meisterschaft gefreutBild: picture-alliance/Photoshot

Für den türkischen Pokalsieger Besiktas Istanbul steht bereits fest, dass er den errungenen Pokal an den türkischen Verband zurückgeben muss. Angeblich soll das Pokalfinale gegen Istanbul BB zu den 19 Spielen gehören, die in der vergangenen Saison manipuliert wurden. "Wir haben dem Verband mitgeteilt, dass wir den Pokal zurückgeben werden. Wir nehmen ihn erst wieder an uns, wenn die Anschuldigungen gegen uns aus der Welt sind", so Besiktas-Präsident Yildirim Demirören. Damit folgte der Verein den Aufforderungen der größten Besiktas Fangruppe "Carsi", die zuvor eine entsprechende Deklaration veröffentlicht hatte.

UEFA: Manipulation wird nicht toleriert

Mittlerweile hat sich auch die UEFA eingeschaltet. Gegenüber der türkischen Redaktion der Deutschen Welle betonte ein UEFA-Sprecher auf Anfrage, dass Manipulationen jeder Art keineswegs toleriert würden. Zugleich wies die UEFA auf ihrer Webseite darauf hin, dass die Betrugsvorwürfe eindeutig in den sportlichen Zuständigkeitsbereich des türkischen Fußballverbands TFF und der türkischen Justiz fielen.

Sadri Sener, Präsident von Trabzonspor (Foto: DPA)
Sadri Sener, Präsident von Trabzonspor - auch sein Verein steht unter VerdachtBild: picture alliance / Photoshot

Anhand der Informationen, die bisher an die UEFA weitergeleitet wurden, gäbe es keine Anhaltspunkte, die bei Berücksichtigung der UEFA-Statuten und Reglemente einen Ausschluss eines Vereins aus den europäischen Wettbewerben notwendig machten. Allerdings wies die UEFA darauf hin, dass ein Verein auch nachträglich von einem UEFA-Wettbewerb ausgeschlossen werden oder für zukünftige europäische Wettbewerbe für mehrere Jahre gesperrt werden könne. Diese Entscheidung könne jederzeit fallen, wenn sich herausstellen sollte, dass sich der entsprechende Verein durch manipulierte Spiele qualifiziert habe.

Wie geht es weiter?

Genau um diese Entscheidung wird es auch um ein außerordentliches Treffen zwischen der UEFA und dem TFF gehen. Es wird geklärt werden, ob die betroffenen türkischen Vereine an der Champions-League und an der UEFA Europa-Liga teilnehmen dürfen.

Unabhängig von einer eventuellen UEFA-Entscheidung werden die Ermittlungen durch die türkische Staatsanwaltschaft fortgesetzt. Im Laufe der Recherchen der Staatsanwaltschaft schließen Beobachter weitere Festnahmen prominenter Spieler und Funktionäre nicht aus. Denn niemand weiß, wie tief der Manipulationssumpf tatsächlich ist. Mit baldigen Gerichtsurteilen wird daher nicht gerechnet.

Autor: Murat Celikkafa
Redakteur: Baha Güngör