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Klage stattgegeben

2. April 2007

Das türkische Verfassungsgericht hat der Klage der Opposition gegen die erste Runde der Wahl des Staatspräsidenten im Parlament stattgegeben. Die Richter annullierten den ersten Wahlgang.

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Schiff im Bosporus. Quelle: AP
Wohin steuert die Türkei?Bild: AP

Laut Entscheidung des Verfassungsgerichts vom Dienstag (1.5.)hätten zwei Drittel der Abgeordneten an der Abstimmung teilnehmen müssen, was nicht der Fall war. Alle weiteren Entscheidungen lägen jetzt beim Parlament, sagte Vizegerichtspräsident Hasim Kilic vor Journalisten in Ankara. Ein möglicher Ausweg aus der Krise um die Wahl eines Nachfolgers von Staatspräsident Ahmed Necdet Sezer wäre eine Neuwahl des Parlaments. Allerdings erklärte die Regierung von Ministerpräsident Tayyip Erdogan nach der Gerichtsentscheidung, dass sie an ihrem Kandidaten Gül vorerst festhalten will. Sie kündigte für Mittwoch eine neue Abstimmungsrunde im Parlament an. Dem Sprecher zufolge ist die Regierung zudem unter Bedingungen bereit Neuwahlen abzuhalten, wie von der Opposition gefordert.

Machtkampf zwischen Regierung und Armee

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und Außenminsiter Abdullah Gül. Quelle: AP
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und Außenminsiter Abdullah GülBild: AP

Die oppositionelle, weltlich ausgerichtete Republikanische Volkspartei (CHP) hatte in ihrer Klage argumentiert, bei dem Wahlgang am Freitag seien nicht genügend Abgeordnete anwesend gewesen. Eine Entscheidung war in der ersten Runde noch nicht gefallen, weil der Regierungskandidat, Außenminister Abdullah Gül, nicht die für die Wahl notwendige Stimmenzahl bekommen hatte.

Daten und Fakten zur Türkei

Die Wahl des Staatspräsidenten hat sich auch zum Machtkampf zwischen der Regierung und den Streitkräften entwickelt, die sich als Garanten der weltlichen Orientierung des Staates betrachten. Die Partei AKP von Ministerpräsident Erdogan ging aus einer islamistischen Bewegung hervor. Wegen der Mehrheitsverhältnisse im Parlament kann die AKP bestimmen, wer der nächste Staatspräsident wird. Gegen eine Wahl von Außenminister Gül hat das türkische Militär Front gemacht. Der Generalstab warnte am Freitag, die Truppen verstünden sich als Hüter des Säkularismus. Auch die Möglichkeit eines Putsches wurde angedroht.

Europäische Sorgen

Der Europarat äußerte sich besorgt über die Einmischung der Militärführung in die Präsidentenwahl. Die Streitkräfte "sollten in ihren Kasernen bleiben und sich aus der Politik heraushalten", sagte der Generalsekretär des Europarats, Terry Davis, am Montag. In einer Demokratie unterstehe das Militär demokratisch gewählten Behörden, betonte er.

Massendemonstration in Istanbul mit einem Heer türkischer Flaggen. Quelle: AP
Demonstration für die Aufrechterhaltung der Trennung von Religion und StaatBild: AP

Rund 700.000 Menschen hatten am Sonntag in Istanbul für die Aufrechterhaltung der Trennung von Religion und Staat demonstriert und ihre Sorge um ein Abrutschen des Landes in den Islamismus zum Ausdruck gebracht. Güls Kritiker fürchten um die in der Verfassung verankerte Trennung von Religion und Staat, sollte der islamische Politiker Staatschef werden.

Wirtschaftliche Auswirkungen

Der einflussreiche Unternehmerverband TÜSIAD forderte die Regierung auf, unverzüglich eine vorgezogene Parlamentswahl anzusetzen. Denn mittlerweile droht der Streit über die Präsidentenwahl auch die türkische Wirtschaft in eine Krise zu stürzen. Der führende Index für den Aktienmarkt gab am Dienstag noch einmal um 2,5 Prozent nach, nachdem er am Montag schon um 6,3 Prozent abgerutscht war. "Die Türkei ist ein ärmeres Land im Vergleich zum Freitag", sagte der Staatsminister für Wirtschaft, Ali Babacan, dem türkischen Sender NTV. "Von jetzt an ist das gesunde Funktionieren unserer Demokratie der entscheidende Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung." (wga)