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Tabu-Thema Sex

10. Februar 2011

"Generation Porno" wird die Jugend oft genannt, weil sie angeblich ständig nach nackten Tatsachen sucht, vor allem im Internet. In Wirklichkeit ist der Befund keineswegs so eindeutig, wie immer wieder behauptet wird.

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Ein junges Mädchen bedeutet mit einer abweisenden Handbewegung, dass es nicht belästigt werden will (Foto: Klicksafe)
Bild: klicksafe/Uwe Völkner

Es ist ein Kinderspiel, an pornografisches Material heranzukommen. Ernsthaft bestreitet das niemand. Wie mit dem Thema sinnvoll und behutsam umgegangen werden kann, damit beschäftigt sich das von der Europäischen Union ins Leben gerufene Projekt "Klicksafe". Anlässlich des weltweiten "Safer Internet Days" nahm sich die EU-Initiative des viel diskutierten Themas an, unter anderem in der "Berlin Cosmopolitan School".

Schauspielerin Jennifer Ulrich mit dem ehemaligen US-amerikanischen Geschichtslehrer Ron Jones, ihren Kollegen Jürgen Vogel, Regisseur Dennis Gansel, und Schauspieler Max Riemelt (v.l.n.r.) Foto: Jens Kalaene / dpa
Gruppenbild mit Dame: Jennifer UlrichBild: picture-alliance/ dpa

Im Beisein der Schauspielerin Jennifer Ulrich ("Die Welle") diskutierten Schüler, Wissenschaftler und Pädagogen über den Umgang mit Sexualität in virtuellen Welten. Der Befund war eindeutig: Über Sex zu reden, löst bei vielen anscheinend noch immer Verklemmungen aus. Das gilt insbesondere im Verhältnis zwischen Jüngeren und Älteren. Dass es im Internet haufenweise Nacktbilder von ihr gebe, empfinde sie zwar als Problem, gab Jennifer Ulrich unumwunden zu. Sie wisse aber auch, dass sie daran kaum etwas ändern könne. Es gebe Leute, die Film-Szenen fotografierten und die Bilder dann ins Netz stellten, erzählte die Schauspielerin.

Zwischen Freude und Verantwortung

Grundsätzlich finde sie ja Plattformen wie "Facebook" toll. Aber junge Leute sollten genau darauf achten, was sie von sich im Netz preisgeben. Fotos von Partys mit Betrunkenen sollte man lieber vermeiden, rät Jennifer Ulrich, die sich ihrer Vorbild-Funktion bewusst ist. Viele Mädchen wollten so sein wie sie. "Dass ist zwar schön, bedeutet aber auch viel Verantwortung."

Das Gefühl der Verantwortung kennt der 18-jährige Younes aus einem anderen Grund. Der junge Mann aus Kiel ist Telefon-Berater in der "Nummer gegen Kummer", die Teil des EU-Projekts "Klicksafe" ist. Oft melden sich bei ihm Gleichaltrige, die über ihre Sorgen im Zusammenhang mit Sex und Porno berichten. Es werde immerzu mit dem Finger auf Jugendliche gezeigt. "Wir werden als verkommen dargestellt", bedauert Younes.

Sexsüchtige Jugend?

Natürlich kenne er die Zahlen aus Umfragen und Untersuchungen. Demnach haben fast 70 Prozent der heranwachsenden Jungen und 57 Prozent Mädchen pornografische Darstellungen im Internet gesehen. Daraus zu schließen, die Jugend sei sexsüchtig, halten Wissenschaftler aber ebenso für abwegig wie die Betroffenen selbst.

Auch die 17-jährige Katja aus Landau berät Gleichaltrige am Telefon - sie erlebt oft, dass Eltern und Kinder, Lehrer und Schüler aneinander vorbeireden, wenn es um Sexualität und Pornografie geht. Erwachsene würden oft davor zurückschrecken zu erfahren, welche Erfahrungen Jugendliche mit Pornos machen und wie sie darüber denken. "Sie meinen, dass wir beschützt werden müssten und dass wir falsch aufwachsen", glaubt Katja.

Materialien für den Unterricht

Telefon-Beraterin Katja, Wolfgang Kraft (Direktor des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg), Schauspielerin Jennifer Ulrich, Birgit Echtler ("pro familia" Bayern), Manfred Helmes (Direktor der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz) und Telefon-Berater Younes (v.l.n.r.). Im Hintergrund steht auf einer tafel: "Let's talk about Porno" Bildnachweis: klicksafe / Thomas Meyer-Ostkreuz
Reden über Porno: Telefon-Beraterin Katja, Wolfgang Kraft (Landesmedienzentrum Baden-Württemberg), Schauspielerin Jennifer Ulrich, Birgit Echtler ("pro familia" Bayern), Manfred Helmes (Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz), Telefon-Berater Younes (v.l.n.r.)Bild: klicksafe/Thomas Meyer-Ostkreuz

Um den Dialog zu entkrampfen, hat das Projekt "Klicksafe" neue Materialien für den Schul-Unterricht zusammengestellt. "Let’s talk about Porno" heißt die Broschüre - es wird also gar nicht erst um den heißen Brei herumgeredet.

Jugendliche als "Generation Porno" zu verunglimpfen, hält "Klicksafe"-Autorin Birgit Kimmel für unangemessen. Es gehe darum, sachlich mit dem Thema umzugehen. Eltern und Pädagogen müssten Jugendlichen deutlich machen, dass Pornografie inszenierte Sexualität sei, die relativ wenig mit realer Sexualität zu tun habe. "Es geht auch um Gefühl und Bindung", betont Birgit Kimmel die in Pornos ausgeblendete Seite der körperlichen Liebe. Sie räumt aber auch ein, dass es keine belastbaren Untersuchungen über die Auswirkungen von Porno-Konsum auf Kinder und Jugendliche gebe.

Sexualität und Pornografie sind anscheinend noch immer Themen, die nur sehr langsam aus der Tabu-Zone herauskommen. Daran hat sich offensichtlich auch durch virtuelle Welten im Internet wenig geändert. Möglichweise verstärkt dieses Medium den Trend zur Heimlichtuerei sogar noch.

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Kay-Alexander Scholz