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Tafel gegen Leinwand

Kay-Alexander Scholz20. Juli 2003

Die Schule soll auf das Leben vorbereiten. Dazu gehört auch der richtige Umgang mit modernen Medien. In Deutschland will nun eine Initiative die weit verbreitete Filmleseschwäche schon im Klassenzimmer bekämpfen.

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Kino in der Schule

Eigentlich wollte die Expertenrunde nur 25 filmische Meisterwerke für den Schulunterricht auswählen. Die 19 Regisseure, Wissenschaftler und Filmkritiker - unter ihnen Vertreter der hohen Filmprominenz wie Volker Schlöndorff, Tom Tykwer und Andreas Dresen - konnten sich jedoch nicht einigen. So wurden es am Ende dann 35 Filme. Die Runde hatte sich die Auswahl nicht leicht gemacht. 271 Filme waren vorgeschlagen, das heißt 236 mussten in der mehrstündigen Auswahlsitzung von der Liste gestrichen werden.

"Obwohl das bewegte Bild das Leitmedium des 20. Jahrhunderts ist, findet es in den Schulen - im Gegensatz zur Literatur - noch immer nicht angemessene Berücksichtigung", begründete der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB), Thomas Krüger, die Initiative. Ziel müsse es sein, das Medium Film bereits in der Grundschule einzuführen, "um Appetit aufs Kino zu machen".

Klassische Stoffe

Aus der jüngsten Vergangenheit finden sich nur zwei Filme auf der Liste: "Alles über meine Mutter" (1999) von Pedro Almodovar und "Eissturm" von Ang Lee (1997). Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf Klassikern der Filmgeschichte wie "Nosferatu" von Friedrich Wilhelm Murnau (1922), "Panzerkreuzer Potemkin" (1925) und "Citizen Kane" von Orson Welles (1941).

Nosferatu
Filmszene aus Nosferatu (1922)

"Nicht jeder Film, der in aller Munde ist, ist das Beste, um in der Schule eingesetzt zu werden", begründete Krüger dieEntscheidung bei der Vorstellung des Kanons am 16.7.2003 in Berlin. Den Actionfilm "Matrix" auszuwählen sei absurd, erklärte Alfred Holighaus von den Berliner Filmfestspielen, besser sei es Filme auszuwählen, die zu "Matrix" hinführten. "In den Klassikern kann man viel entdecken, was heute noch relevant ist," erläuterte der Direktor des Filmmuseums Berlin, Hans Helmut Prinzler. In der Regel seien nur Filme ausgewählt worden, die seit über einem Jahrzehnt Bestand hätten. Filme jüngeren Datums müssten sich erst noch bewähren, erklärte Prinzler die Fokussierung auf die Klassiker.

Blockbuster-Regisseure wie Steven Spielberg ("ET"), George Lucas ("Krieg der Sterne") und James Cameron ("Titanic") gehören nach Expertenmeinung nicht zum Filmkanon. Wie gesagt: Nicht jeder bekannte Film sei schultauglich. Ganz auf Unterhaltung verzichten müssen die Schüler allerdings auch nicht. Dafür sorgen "Das Dschungelbuch" von Wolfgang Reitherman (1967) und "Der Zauberer von Oz" von Victor Fleming (1939).

Ist Kino Allgemeinbildung?

In den nächsten Monaten wird nun öffentlich über den Filmkanon diskutiert, sagt die BPB und bietet ab dem 21. Juli auch ein Diskussionsforum auf ihrer Website an. Damit soll die Akzeptanz für die Initiative gesteigert werden, erläutert Swantje Schütz von der BPB auf Nachfrage von DW-WORLD. An der Auswahl werde sich nichts mehr ändern. Vielmehr gehe es darum, den Eindruck zu vermeiden, der Filmkanon wäre in einem Elfenbeinturm entstanden. Mit dem erhofften positiven Feedback will sich die BPB eine gute Verhandlungsposition verschaffen, bevor die Kultusministerkonferenz der Bundesländer im Herbst das Vorhaben diskutiert.

Dass am Ende ein Fach "Film- oder Medienkunde" an den Schulen eingeführt wird, betrachtet Krüger jedoch als illusorisch. Es bedürfte der Zustimmung aller 16 Kultusminister, um ein solches Fach bundesweit einzuführen. "Das würde eine zweistellige Zahl an Jahren dauern", weiß Krüger.

Die Idee ist, das Medium Film in die Lehrpläne verschiedener Fächer aufzunehmen. Unterrichtsmaterialien, Filmkopien und Empfehlungen zur Eignung jedes Films für verschiedene Klassenstufen will die BPB liefern. Bislang haben nur - oder immerhin - Brandenburg und Nordrhein-Westfalen Filmerziehung in die Lehrpläne aufgenommen. Im Ausland sei das ganz anders, so Krüger. In Schweden gibt es seit 1921 ein Institut, dass sich mit Film und Erziehung befasst. Filmgeschichte gilt in vielen anderen europäischen Ländern als Teil der Allgemeinbildung, wird dementsprechend gefördert und als selbstverständliches Unterrichtsmittel benutzt.