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Gesellschaft

Tafeln versorgen immer mehr Rentner mit Essen

21. Dezember 2017

Die Altersarmut wächst: Bei den Tafeln stehen immer mehr Senioren für kostenlose Lebensmittel an. 350.000 sind es schon. Bestimmte Gruppen sind besonders armutsgefährdet.

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Deutschland Tafel in Berlin, Rentner
Bild: Getty Images/S. Gallup

Die Zahl der Rentner, die bei den Tafeln für kostenlose Lebensmittel anstehen, hat sich nach Angaben des Bundesverbandes der Tafeln in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. "Fast jeder vierte Tafelkunde ist mittlerweile Rentner. Das sind in etwa 350.000 Menschen", sagte der Verbandsvorsitzende Jochen Brühl der "Neuen Osnabrücker Zeitung". 2007 seien gut zwölf Prozent der Bedürftigen Senioren gewesen.

Nach Angaben des Dachverbandes gibt es in Deutschland mehr als 900 Tafeln, die regelmäßig bis zu 1,5 Millionen Menschen mit Lebensmitteln versorgen. Es sei ein Armutszeugnis für Deutschland, dass die Tafeln überhaupt notwendig seien, sagte die Präsidentin des Sozialverbandes VdK Deutschland, Ulrike Mascher der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Wenn 350.000 Senioren regelmäßig darauf angewiesen sind, bei den Tafeln für kostenlose Lebensmittel anzustehen, dann ist das ein deutlich sichtbares Signal dafür, dass die Altersarmut auf dem Vormarsch ist". 

Deutschland Tafel in Berlin, Rentner
1,5 Millionen Menschen werden von den Tafeln mit Essen versorgtBild: Getty Images/S. Gallup

"Weihnachten ist die schlimmste Zeit"

Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung ist ohne durchgreifende Reformen des Rentensystems künftig jeder fünfte Neurentner von Armut bedroht. Bis zum Jahr 2036 könnte das Risiko der Altersarmut von heute 16 auf 20 Prozent steigen.

Insbesondere sogenannte Erwerbsminderungsrentner, also Menschen, die Rente beziehen, weil sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr voll arbeiten können, leben laut der VdK-Präsidentin Mascher oft an der Armutsgrenze. "Für immer mehr Rentner werden auch hohe Mieten ein immer größeres Problem. Der soziale Wohnungsbau muss oberste Priorität haben".

In dem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" betonte Tafel-Chef Jochen Brühl auch die sozialen Aspekte der Armut. "Weihnachten ist für Menschen in Armut, für einsame Menschen, die schlimmste Zeit", sagte er. "Was bringt es, ohne Geld auf den Weihnachtsmarkt zu gehen, wenn sie sich dort keinen Glühwein oder Kakao leisten können? Dann bleiben sie eben zu Hause."

Die Tafeln: Eine soziale Bewegung

Die bundesweit agierenden Tafeln haben sich in den vergangenen 20 Jahren zu einer der größten sozialen Bewegungen in Deutschland entwickelt. Waren es 2002 noch gut 300, gibt es heute bundesweit etwa 900 Tafeln mit rund 2100 Tafel-Läden und Ausgabestellen. Bei ihnen engagieren sich circa 60.000 ehrenamtliche Mitarbeiter. Alle zusammen versorgen sie mehr als 1,5 Millionen Menschen mit Lebensmitteln, die sie als Spenden im Handel und bei Herstellern gesammelt haben.

Die Tafel-Idee stammt aus den USA. Die erste deutsche Tafel wurde 1993 von der Initiativgruppe Berliner Frauen e.V. gegründet. Der Dachverband wurde zwei Jahre später auf einer Jahrestagung in Jena ins Leben gerufen. Die Tafeln finanzieren sich ausschließlich durch Spenden und Mitgliedsbeiträge. Verteilt werden hauptsächlich Lebensmittel, in kleineren Mengen auch Kleidung, Spielsachen und Bücher. Einige Tafel-Stellen bieten auch warme Mahlzeiten an oder beliefern soziale Einrichtungen.

lh/stu (dpa, AFP, KNA)