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"Durch Prohibition wird das Geschäft befeuert"

Gudrun Heise
26. Juni 2017

Zum Internationalen Tag gegen Drogenmissbrauch erklärt Suchtforscher Heino Stöver, warum die Kriminalisierung von Drogen nicht funktioniert - und was wir stattdessen brauchen.

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Deutschland Symbolbild Drogentote
Bild: picture-alliance/dpa/F. Leonhardt

Deutsche Welle: Alkohol ist eine legale Droge, aber vor nicht allzu langer Zeit gab es viele Jugendliche, die exstrem viel Alkohol konsumiert haben, Stichwort Koma-Saufen. Hat sich das geändert?

Heino Stöver: Natürlich gibt es nach wie vor das sogenannte Rauschtrinken. Es gibt nicht den Jugendlichen, der nur mal nippt und ein bisschen angetrunken sein will. Im Wesentlichen geht es bei Jugendlichen um Wirkungstrinken. Sie zielen auf die Wirkung des Alkohols ab. Erwachsenen hingegen wird eher nachgesagt, dass es darauf ankommt, sich an dem Geschmack von Wein beispielsweise zu erfreuen. Das ist natürlich ein wesentlicher Unterschied. Insgesamt aber hat das Phänomen Komasaufen  oder Binge-Drinking - wie die WHO es nennt - abgenommen.

Wie sieht es bei den illegalen Drogen aus?

Die Kriminalisierung von Konsumenten hat zugenommen. 80 Prozent der Rauschgiftdelikte sind sogenannte Konsumdelikte oder konsumnahe Delikte. 40 Prozent davon sind Jugendliche und Heranwachsende. Das heißt, wir kriminalisieren zu einem ganz großen Teil Jugendliche, und durch die polizeiliche Ermittlung  besteht natürlich eine erhebliche Stigmatisierungsgefahr vor allem bei jungen Menschen. Sie werden als Kiffer oder Junkies abgestempelt, gleichgültig welche Drogen sie nehmen. Diese Stigmatisierung führt dazu, dass sie später keine Beratungs- oder Behandlungsangebote in Anspruch nehmen. Ihnen ist der Polizeistempel aufgedrückt worden.

Welche Drogen stehen bei Drogenkonsumenten ganz oben  auf der Liste?

Suchtforscher Heino Stöver
Stöver: Drogenkonsumräume gibt es in nur sechs BundesländernBild: Fachhochschule Frankfurt

In Frankfurt sind das hauptsächlich Heroin und Crack. In anderen Städten ist es eigentlich nur Heroin. Diese Drogen können entweder gespritzt oder geraucht werden. Wir haben 24 Drogenkonsumräume in Deutschland, aber nur in sechs Bundesländern. Die anderen 10 Bundesländer haben noch nicht einmal die rechtliche Grundlage dafür erarbeitet. Dazu ist ein Drogenkonsumraum-Erlass, eine Drogenkonsumraum-Verordnung nötig. Die würde es dann erlauben, solche Modelle zu entwickeln.

Welche positiven Beispiele gibt es dafür?

Frankfurt beispielsweise. Wenn es dort in einem Drogenkonsumraum bei jemandem zu einer Überdosierung kommt, wird die Person sofort re-animiert.  Mehr Drogenkonsumräume - das ist das eine. Das Zweite: In jedem Haushalt, in dem ein Drogenabhängiger lebt, muss Naloxon vorhanden sein, also ein Anti-dot. Das wird in der Notfallmedizin verabreicht. Es bringt die Wirkung von Heroin sofort auf Null. Es reißt das Opioid vom Rezeptor. Die Menschen werden sofort nüchtern und klar.

Ist das praktikabel?

Ja. Das Umfeld muss im Umgang mit dieser Substanz instruiert und trainiert werden, oder es muss dafür gesorgt werden, dass sich Konsumenten diese Substanz untereinander spritzen können. Das geht entweder intramuskulär oder als Nasenspray, das jetzt auch bei uns auf den Markt kommt.

Was steht ganz oben auf Ihrer To-do-Liste?

In Bezug auf bestimmte Substanzen müssen wir eine intelligente Regulierung hinbekommen. Was wir jetzt machen, hat nichts mit Jugendschutz zu tun. Ein Dealer fragt in der Regel nicht, ob man schon 18 ist und ob man sich sicher ist, dass man diese Drogen kaufen will. Er gibt keine Verbraucherschutztipps, sondern er will seine schmutzige Ware loswerden. Die ist in der Regel gestreckt und hat nur einen Reinheitsgehalt von etwa fünf Prozent. Durch die Prohibition wird das Geschäft befeuert und der Dealer kann Höchstpreise verlangen. Der Punkt ist: Wir müssen uns endlich von dem Glauben an ein Verbot verabschieden, das offenbar bestenfalls zu nichts führt oder sogar kontraproduktiv ist. Wir müssen intelligente Kontrollmodelle diskutieren und umsetzen. Das steht bei mir ganz oben auf der Liste.

Heino Stöver ist Professor für sozialwissenschaftliche Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences.

Das Interview führte Gudrun Heise.