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Taiwan als Drehscheibe für den China-Handel?

4. Mai 2011

Mit dem Freihandelsabkommen ECFA ist die taiwanesische Wirtschaft noch enger an das chinesische Festland herangerückt. Nun hofft die Regierung, auch ausländische Investoren zu gewinnen. Doch die sind skeptisch.

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Portrait Taiwans President Ma Ying-jeou (Foto:dpa)
Taiwans President Ma Ying-jeou will Investoren anlockenBild: picture-alliance/dpa

Wenn Vertreter Taiwans derzeit Vorträge über die Wirtschaft ihres Landes halten, haben sie wenig Grund zur Bescheidenheit. Das Land hat sich mit einem Rekordwachstum aus der Wirtschaftskrise befreit. Bei bestimmten Produkten wie Notebooks oder Scannern kommt niemand auf dem Weltmarkt um taiwanesische Unternehmen herum. Auch Shih-Chao Cho hat in seiner Powerpoint-Präsentation all die Zahlen mitgebracht, die potentiellen Investoren das Herz aufgehen lassen: Dass Taiwan für europäische Ohren geradezu lächerlich niedrige Steuersätze hat zum Beispiel, oder dass hier weltweit die meisten Patente pro Einwohner angemeldet werden. Doch was Cho am meisten anpreist, sind nicht so sehr die eigenen Wirtschaftsdaten der Insel mit ihren 23 Millionen Einwohnern.

Cho wirbt vor allem für das Potential des chinesischen Festlands. Shih-Chao Cho hält einen Vortrag vor Wirtschaftsvertretern und Außenpolitik-Experten in Berlin. Er ist Generaldirektor des taiwanesischen Büros für Außenhandel und war federführend bei den Verhandlungen über ein Wirtschaftsabkommen mit Peking. Seit Anfang des Jahres ist das Freihandelsabkommen ECFA (Economic Cooperation Framework Agreement) zwischen Taiwan und Festland-China in Kraft.

Drehscheibe für den China-Handel

Portrait Shih-Chao Cho, Direktor von Taiwans Außenhandelsbüros (Foto:DW)
Shih-Chao Cho leitet das Außenhandelsbüro TaiwansBild: DW

Auch europäischen Unternehmen biete ECFA neue Möglichkeiten, sagt Cho: "Sie können in Taiwan investieren und ihre Produkte dann zollfrei nach China exportieren. Oder sie können gemeinsam mit einem taiwanesischen Unternehmen in China investieren und dort Fabriken, Firmen oder Supermarktketten aufbauen." Taiwan möchte zur Drehscheibe für den weltweiten China-Handel werden – das ist die Botschaft, die Shih-Chao Cho mitgebracht hat nach Berlin. "Die meisten europäischen Unternehmen wissen einfach nicht, dass sie gemeinsam mit taiwanesischen Unternehmen viel bessere Ergebnisse auf dem Festland erzielen können."

Um Taiwan als Handelsplatz attraktiver zu machen, möchte die Regierung in Taipeh nun möglichst schnell auch mit anderen Ländern Freihandelsabkommen schließen. Mit Singapur stehe man bereits in Verhandlung, mit Indien lote Taipeh über halboffizielle Kanäle die Möglichkeiten aus, erklärt Cho.

EU-Strategie entwickeln

Der Direktor von Taiwans Außenhandelsbüro hofft, bald mit der EU in Verhandlung zu treten. Was ihre handelspolitischen Vorstellungen betrifft, lägen beide Seiten nicht weit auseinander, glaubt auch Hosuk Lee-Makiyama vom European Centre for International Political Economy, einem Brüsseler Think-Tank für Handelspolitik. "Es wäre relativ einfach, ein solches Abkommen zu verhandeln, und es hätte große Vorteile für bestimmte Branchen", sagt er. Die europäische Wirtschaft könne auf "schnelle Ergebnisse und großes Potential" hoffen – wenn da nicht noch ein kleines Hindernis wäre: "Die Frage ist, wann Europa eine Strategie entwickelt, wie wir mit China umgehen wollen. Das entscheidet auch über unsere Beziehungen zu Taiwan." Bisher scheitern Abkommen mit Taiwan vor allem daran, dass Europa vermeiden will, Peking vor den Kopf zu stoßen.

Luftansicht von Taipeh (Foto: AP)
Taipeh soll besser in die Weltwirtschaft integriert werden und mehr ausländische Investoren anziehen.Bild: AP

Peking übt Druck auf alle seine Partner aus, nichts zu unternehmen, was den Status Taiwans aufwerten könnte. Offizielle Abkommen mit Taipeh zu schließen ist für westliche Regierungen deshalb bisher weitgehend tabu. Dass sich das nun ändert, glaubt Friedolin Strack, Asienbeauftragter beim Bundesverband der deutschen Industrie, nicht. So lange die EU kein Freihandelsabkommen mit der Volksrepublik habe, werde sie auch nicht mit Taiwan verhandeln. Und auch den Drehscheibe-Hoffnungen Shih-Chao Chos erteilt er eine Absage. "Dass deutsche Unternehmen Taiwan als Brücke zum Festland nutzen, hat an Bedeutung verloren", sagt er. Wer sich in China engagieren wolle, investiere direkt in der Volksrepublik. Für deutsche Unternehmen bleibe Taiwan vor allem als Hochtechnologie-Standort interessant – ob mit oder ohne Freihandelsabkommen.

Shih-Chao Cho wird also auch in Zukunft gut daran tun, neben den Zahlen zum China-Geschäft auch die guten alten Erfolgsstatistiken über den Technologiestandort Taiwan auf seine Reisen nach Europa mitzunehmen.

Autor: Mathias Bölinger

Redaktion: Ana Lehmann