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Taiwans Annäherung an China

Caroline Gluck / ert 29. Januar 2005

Der neu ernannte taiwanesische Regierungschef Frank Hsieh baut auf einen Dialog mit dem Erzrivalen China. Auch im eigenen Land setzt er auf eine verstärkte Kooperation mit der Opposition.

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Vor großen Aufgaben - Taiwans neuer Premier Frank HsiehBild: AP

Das taiwanesische Staatsoberhaupot Chen Shui-Bian hat den als Pragmatiker geltenden Frank Hsieh von der Demokratischen Fortschrittspartei (DDP) am Dienstag (25.1.2005) zum neuen Premierminister berufen. Zuvor war das gesamte Kabinett als Reaktion auf die Ergebnisse der Parlamentswahlen zurückgetreten, in denen die Regierungspartei nicht die Mehrheit der Sitze hatte erringen können.

Hsieh eilt ein Ruf als fähiger Verhandlungsführer voraus. Schwerpunkte will er auf die Festigung der politischen, sozialen und ökonomischen Stabilität Taiwans sowie auf die Verbesserung der Beziehungen mit dem chinesischen Festland legen. Der neue Premier, lange Zeit ein parteiinterner Rivale des Präsidenten, hat sich für eine Normalisierung der Beziehungen zu Peking auf der Basis von Pragmatismus und Flexibilität ausgesprochen.

Direktflüge als Zeichen der Annäherung

Noch unter der alten Regierung war mit China die zeitweilige Zulassung von Direktflügen zwischen Taiwan und dem chinesischen Festland ausgehandelt worden. Für die Dauer des Frühlingsfestes, einer der höchsten Feiertage in China, dürfen erstmals seit der Abspaltung Flugzeuge direkt zwischen beiden Ländern verkehren (29.1. bis 20.2.). Dies mag ein Zeichen für eine einsetzende Entspannung der Lage sein.

Hsieh steht ein hartes Stück Arbeit bevor. Die Regierungsvorhaben müssen durch das Parlament geboxt werden, in dem die Opposition nunmehr knapp die Mehrheit hält. Viele politische Beobachter sehen ihn aber als gute Wahl für den Posten. "Auf persönlicher Ebene glaube ich, dass er ein besserer Premierminister sein wird, als die Vorgänger, da er einer der herausragenderen Politiker der DDP ist und eine bessere Kommunikationsfähigkeit besitzt", sagt Emile Sheng von der Soochow Universität. "Auf politischer Ebene glaube ich, dass er einen stärkeren Einfluss auf die Regierungspolitik haben wird." Die vorangegangenen Premierminister seien meist nur den Vorgaben des Präsidenten gefolgt.

Skeptische Opposition

Hsieh muss innerhalb einer Woche ein neues Kabinett ernennen, bevor im Februar die neue Legislaturperiode beginnt. Eine größere personelle Umbesetzung ist jedoch nicht zu erwarten. Auf Überlegungen, innerhalb der DDP eine Verständigung mit den stärksten rivalisierenden Partei, der Kuomintang (KMT), anzustreben, reagieren diese mit Skepsis. Die KMT hätte gerne die Bildung eines Koaltionskabinetts gesehen, das die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse widerspiegelt.

"Der letzte Premier, Yu Shie Kyun, hatte seine Regierung als 'Kriegskabinett' bezeichnet", sagt Chang Jung Kung, Sprecher der Kuomintang-Partei. "Nun haben wir ein neue Regierung, ein so genanntes Kooperationskabinett." Es müsse abgewartet werden, was Hsieh zu tun gedenke. "Seine Verlautbarungen hören sich gut an, aber bekanntlich gibt es viel zu viele Absichtserklärungen. Also warten wir, was er tatsächlich macht", meint Kung.

Aber da sowohl der neu ernannte Premierminister als auch Präsident Chen davon sprechen einen politischen Konsens aufzubauen, könnte die Rhetorik zur Realität werden. Chen möchte nicht als führungsschwacher Staatschef erscheinen, während Hsieh seinen neuen Posten möglicherweise als Trittleiter für die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2008 ansieht.