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Tanz der Kulturen

24. Mai 2010

Der alljährliche Karneval der Kulturen ist gelebtes Multi-Kulti in Berlin. Wir stellen ein deutsch-afrikanisches Kinderballett vor - eine von rund 100 Gruppen auf dem diesjährigen Umzug.

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Die Kongolesin Titi Baneck bemalt ein Kind mit traditioneller Zebola Schminke, Vorbereitung zum Karneval der Kulturen 2010 in Berlin (Foto: DW/Nadine Wojcik).
Traditionelle BemalungBild: DW/Wojcik

Odjadike ist gestresst. Eben noch hat er bemalte Banner an die Seitenwände des LKW gehängt, jetzt repariert er einen selbst gebastelten Fuhrpark - Spielzeugautos aus Afrika, zusammengesteckt aus Konservendosen, Drähten und Flaschendeckel. Kinder des "Ballet Zebola" springen um ihn herum, einige schminken sich das Gesicht mit weißer Farbe, andere spielen mit dem selbstgebastelten Spielzeug. "Guck mal, mit so was haben wir früher gespielt. Wir hatten ja nichts und mussten kreativ sein." Ein afrikanischer Vater zeigt seinem Jungen und der deutschen Mutter das bunte Recycling-Spielzeug. Der Junge ist sichtlich begeistert.

Warten auf den Startschuss

Odjadike repariert afrikanisches Spielzeugauto vor dem Startschuss des Karneval der Kulturen 2010 in Berlin (Foto: DW/Nadine Wojcik)
Odjadike und sein FuhrparkBild: DW/Wojcik

Juliette und Tomek von der Judith-Kehr-Europagrundschule warten geduldig auf der Ladefläche des LKW. Während der Kongolese Odjadike schon zum zehnten Mal beim Berliner Karneval der Kulturen mitmacht, ist es für sie eine Premiere. Es ist kurz vor Mittag, in einer halben Stunde setzt sich der Umzug mit über 100 Gruppen und rund 70 vertretenen Nationen in Bewegung. Doch noch steht der LKW, der während des mehrstündigen Umzugs hinter dem "Ballet Zebola" her fahren wird und in dem sich die Kinder ausruhen können, unbewegt in einer Parallelstraße, vor und hinter ihm parken ordentlich in Reih und Glied weitere Umzugswagen.

Juliette und Tomek vertreiben sich die Zeit mit Trommeln. "Das haben wir von Odja gelernt", sagen die beiden Grundschüler stolz. Der Musiker und Tänzer Odjadike lebt seit 15 Jahren in Berlin. Er ist nicht nur in zahlreichen Musik-Combos aktiv, sondern arbeitet auch viel an Schulen. "Mir ist es wirklich wichtig, dass wir alle voneinander lernen und gemeinsam Spaß an der Musik haben", erklärt er sein Engagement, während er einem der Kinder einen Rock aus Palmenblättern umbindet.

Das Zebola Kinderballett auf dem Karneval der Kulturen 2010 in Berlin (Foto: DW/Nadine Wojcik).
"Zebola Ballet": deutsch-afrikanisches KinderensembleBild: DW/Wojcik

Traditionelle Tänze auf den Straßen Berlins

Mit einigen Kindern der deutsch-französischen Judith-Kehr-Grundschule und seinem eigenen Kinderensemble "Tscheza Malinga", in dem auch seine zwei 9- und 11-jährigen Töchter mittanzen, hat er rituelle Tänze aus dem Kongo einstudiert. Er selbst ist innerhalb der letzten halben Stunde vor dem Startschuss des Karnevals zu einem Busch-Voodoo-Mann geworden: ein mit roter Erdfarbe bemalter Oberkörper, ein gewaltiger Rock aus Palmenblättern und traditionellen Stoffen und ein bunter Kopfschmuck aus Federn und Muscheln.

Odjadike läuft mit riesigen Schritten los, hinter ihm ein Trommler und einige Kinder, die die selbstgebastelten Spielzeugsautos vor sich herschieben. Die Menge gibt den Weg frei. "Wie süß", kommentieren vor allem Frauen das Kinderballett, Fotoapparate und Kameras werden gezückt. Odjadike schnappt sich eine Trommel, ruft den Kindern kurze Anweisungen zu. Die geben sich ganz cool, verziehen keine Miene und zeigen eine kurze Choreografie.

Busch-Voodoo-Mann Odjadike in traditionellen Kostüm und Bemalung (Foto: DW/Nadine Wojcik)
Busch-Voodoo-Mann Odjadike und sein TrommlerBild: DW/Wojcik

Das Publikum am Straßenrand belohnt die Gruppe mit Applaus. Gleich darauf stapft Odjadike wieder los, mitten in die Menschentraube hinein, die sich um das Ensemble gebildet hat, und macht so den Weg wieder frei.

Show-Down für die Karneval-Jury

Nach drei Stunden kommt der wichtigste Auftritt für die Kinder und den Busch-Voodoo-Mann. "Kinder, jetzt kommt die Jury", ruft Odjadike seinem Ballett zu. Das Team wird kurz von Einweisern aufgehalten, damit die Truppe vor ihnen, eine afrikanische Soundkarawane, ganz in Ruhe ihre Darbietungen der neunköpfigen Jury präsentieren kann.

Dann ist die Gruppe Nummer 54 dran - Odjadike und das "Zebola Ballet". 90 Sekunden haben sie Zeit, der auf einer Tribüne sitzenden Jury ihre Choreographie zu zeigen. Odjadike ruft seinen kleinen Tänzern die letzten Anweisungen zu, dann geben satte Trommelklänge den Startschuss. Die Juroren klatschen mit, einige stehen sogar auf und tanzen.

Zwei Zuschauerinnen trommeln auf einer Trommel des Zebola Balletts mit auf dem Karneval der Kulturen 2010 in Berlin (Foto: DW/Nadine Wojcik).
Multi-Kulti am StraßenrandBild: DW/Wojcik

"Das macht echt Spaß, vor allem, wenn die ganzen Leute applaudieren", sagt die achtjährige Alia zufrieden. Der Karneval der Kulturen ist in den letzten 15 Jahren zum größten Straßenfest in Berlin geworden.

Auch Odjadike ist zufrieden. "Das ist einfach Berlin für mich", sagt er. "Wir sind alle zusammen, Afrikaner, Deutsche und meine Familie, die ja auch gemischt ist - meine Frau kommt aus Deutschland. Ich hoffe, dass wir einen Preis gewinnen werden!" Das wird die Gruppe allerdings erst einen Tag später erfahren. Neben der Ehre unter den 4.500 Teilnehmern zu den Besten zu gehören, winkt auch ein Preisgeld von 500 Euro für die beste Kindergruppe auf dem Karneval der Kulturen.

Autorin: Nadine Wojcik

Redaktion: Petra Lambeck