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Langer Weg zum Chef

Godehard Weyerer4. Juli 2013

Taskin Özcan ist gelernter Tischler. In Deutschland erkannte man seinen türkischen Berufsabschluss lange nicht an. Doch er gab nicht auf und kämpfte. Bis zum Meister im eigenen Betrieb war es ein langer Weg.

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Taskin Özcan (Foto: DW / Weyerer)
Bild: Godehard Weyerer

Tischlermeister Taskin Özcan und sein Geselle sprechen das Arbeitspensum für den Tag durch. Das Regal für den Kindergarten muss fertig werden, die Ladentheke für einen Imbiss-Stand soll heute auch an den Kunden gehen. Der Auftragsbestand, sagt der 45-Jährige, reicht für die nächsten zwei Monate. Was danach kommt, wird sich zeigen. Nervös macht es ihn nicht. "Irgendetwas kommt immer!" In den vier Jahren, in denen er selbstständig ist, habe er gelernt, dass sich gute Arbeit herumspricht.

Der deutsche Gesellenbrief in der Hand

Taskin Özcan kam 1990 nach Deutschland. 19 Jahre war er damals alt. In der Türkei, in Istanbul, hatte er sich zum Tischler ausbilden lassen. Drei Jahre lang, genau so lange wie in Deutschland, ging er in die Lehre. Selbst Holzdübel, die es zu der Zeit längst abgepackt in deutschen Baumärkten zu kaufen gab, fertigte er in seiner Ausbildung noch eigenhändig an. Handwerklich konnte ihm keiner etwas vormachen, sein Gesellenbrief wurde in Deutschland dennoch nicht anerkannt. Taskin Özcan suchte sich andere Arbeit, verkaufte Getränke. Das war ihm auf Dauer zu wenig und er ging mit seinen Ausbildungspapieren zur Handwerkskammer Bremen.

Taskin Özcan und ein Geselle (Foto: DW / Weyerer)
Taskin Özcan und sein Geselle sprechen die Aufträge abBild: Godehard Weyerer

"Da hat man mir gesagt, wenn ich die Papiere übersetzen lasse, könnte man testen, wie mein Niveau ist." Nach erfolgreichem Test meldete er sich zur Gesellenprüfung an. Der Weg über eine deutsche Gesellenprüfung hätte jedem offen gestanden. Der berufliche Werdegang von Taskin Özcan blieb jedoch eine Ausnahme und wird auch, nachdem im April 2012 das Gesetz zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse in Kraft getreten ist, nicht zur Regel werden. Wer nach dem neuen Gesetz einen Antrag stellt, hat zumindest den Anspruch auf Beratung und Überprüfung. Metin Harmanci bearbeitet in der Handwerkskammer Bremen die einlaufenden Anfragen. "Man hatte bundesweit mit 30.000 Anträgen im ersten Jahr gerechnet. Aktuell sind es 3000."

Die Zahlen beziehen sich auf das Handwerk. In Bremen waren es im ersten Jahr 55 Anträge - quer durch alle Gewerke: Friseure, Maurer, Sanitätsanlagetechniker, Kfz-Mechaniker. 18 Frauen waren darunter. Die Hälfte der Anträge stellten Migranten aus der Türkei und aus Polen. In einem Drittel der Fälle erkannte Metin Harmanci den ausländischen Berufsabschluss an. "Zwei Drittel nicht. Bei vielen fehlten Unterlagen, bei anderen reichte die Qualifikation einfach nicht."

Anerkennungsgesetz sollte nachgebessert werden

Vorgelegt werden müssen ein lückenloser Lebenslauf, die Berufsabschlüsse und Arbeitsnachweise jeweils im Original sowie beglaubigte Übersetzungen. Das ist vor allem bei denen, die aus einem Krisenland kommen, nicht immer möglich. In Ländern wie Großbritannien, die eine duale Ausbildung nicht kennen, können sich die Immigranten in Ausbildungs- und Qualifizierungsmodulen weiterbilden und den Anschluss an heimische Standards finden. Ein wenig flexibler sollte auch das deutsche Anerkennungsgesetz werden; hier müsste nachgebessert werden - da sind Handwerkskammer-Mitarbeiter Metin Harmanci und Tischlermeister Taskin Özcan einer Meinung: "Gewisse Unterschiede gibt es sicherlich. Wenn einer wie ich damals in der Lage ist, als Geselle zu agieren, dann sollte das besser gefördert werden."

Der Betrieb von Taskin Özcan (Foto: DW / Weyerer)
Der Eingang zu Taskin Özcans BetriebBild: Godehard Weyerer

Und viele, weiß Taskin Özcan, würden viel zu früh aufgeben. Mit dem deutschen Gesellenbrief in der Hand war für ihn der Weg geebnet zum Meister und zum eigenen Chef, der nun seinerseits ausbilden darf. Drei Lehrlinge beschäftigt Taskin Özcan in seiner Tischlerei. An das Niveau des deutschen Ausbildungssystems zu kommen, sagt er, sei natürlich schwierig. "Aber es ist nicht unmöglich."