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Tausende Tote nach Erdbeben befürchtet

13. Januar 2010

Nach dem schweren Erdbeben auf Haiti herrschen dort chaotische Zustände. Einheimische Rettungskräfte sind mit der Lage überfordert. Wie andere Staaten stellte auch Deutschland eine Soforthilfe bereit.

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Überlebende des Bebens auf Haiti (Foto: AP)
Nach dem Beben retteten sich verzweifelte Menschen auf die StraßenBild: AP

Über die genaue Opferzahl liegen an diesem Mittwoch (13.01.2010) noch keine genauen Angaben vor. Der Erdstoß hatte eine Stärke von 7,0, und sein Zentrum lag nahe der Hauptstadt Port-au-Prince. Nach Berechnungen amerikanischer Geologen war es das schwerste Beben seit 200 Jahren auf Haiti. Betonbauten und Elendsquartiere gleichermaßen wurden bei dem Beben zerstört.

Helfer vor Ort sprechen von einer chaotischen Lage, und es zeichne sich eine Katastrophe ab. Unzählige Häuser in der Hauptstadt mit ihren rund zwei Millionen Einwohnern seien eingestürzt, Straßen blockiert und das Telefonnetz vorübergehend zusammengebrochen. Die Rettungsmaßnahmen verliefen äußerst schwierig. Das verarmte Land hat kaum Räumgeräte. Auch eine nennenswerte Infrastruktur, wie etwa geteerte Straßen, ist so gut wie nicht vorhanden.

Bewohner tragen einen Verletzten aus den Trümmern (Foto: AP)
Bewohner tragen einen Verletzten aus den TrümmernBild: AP

Helfer befürchten, dass es vor allem in den dicht besiedelten Armengebieten viele Opfer gegeben hat. Nach Angaben des Malteser-Hilfsdienstes wurden die auf den Hügeln der Hauptstadt errichteten Slums durch eine gewaltige Schlammlawine fortgerissen.

Aber auch stabile Gebäude wie der Präsidentenpalast, das Parlament und mehrere Ministerien brachen wie Kartenhäuser zusammen. "Es fühlte sich an, als ob ein großer Lastwagen durch die Hauswand gekracht wäre. Dann hat es etwa 35 Sekunden lang gewackelt", beschrieb Frank Williams, Landesdirektor der Hilfsorganisation World Vision Haiti, das Beben. Präsident René Préval soll nach Angaben mexikanischer Diplomaten überlebt haben.

Auch das mehrstöckige Gebäude, in dem die UN-Friedensmission untergebracht ist, stürzte ein. Am Abend teilte der haitianische Präsident René Préval mit, der Chef der UN-Friedensmission in Haiti, der Tunesier Hedi Annabi, sei beim Einsturz des Gebäudes getötet worden. Zerstört wurden auch zahlreiche Hotels, Einkaufszentren, Schulen, und auch der Flughafen wurde schwer beschädigt. Ärzte berichten, die Krankenhäuser seien mit all den Opfern überfordert.

Passanten vor einem demolierten PKW (Foto: AP)
Passanten vor einem demolierten PKWBild: AP

Die Bundesregierung in Berlin stellte rund 1,5 Millionen Euro Soforthilfe bereit. Hilfsorganisationen auch aus Deutschland stellten Lieferungen zusammen. Bundespräsident Horst Köhler übermittelte sein Beileid, US-Präsident Barack Obama sagte, seine Gedanken und Gebete seien bei den Menschen in Haiti. Papst Benedikt XVI. bat um weltweite Hilfe für die Opfer.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte, es sei nicht auszuschließen, dass auch Deutsche unter den Opfern seien. Im Auswärtigen Amt in Berlin sei ein Krisenstab eingerichtet worden, der mit der deutschen Botschaft in Port-Au-Prince in Verbindung stehe.

Die EU-Kommission sagte eine Nothilfe von drei Millionen Euro zu. Frankreich, Großbritannien, Italien und weitere Länder kündigten an, Rettungsteams und Hilfsgüter zu schicken. Die Vereinten Nationen mobilisierten 30 internationale Hilfeteams. Die Hilfsorganisationen brachten mobile Krankenhäuser, tonnenweise Lebensmittel und Trinkwasser, medizinisches Personal, Bergungstrupps und Suchhunde auf den Weg.

Eine Welle der Solidarität löste das Erdbeben auch im Internet aus. In sozialen Netzwerken wie Facebook bildeten sich Gruppen, in denen Menschen das Geschehen diskutierten und zu Spenden aufriefen. Auch beim Kurznachrichtendienst Twitter war Haiti das Top-Thema.

Menschen in den Straßen von Port-Au-Prince (Foto: AP)
Menschen in den Straßen von Port-Au-PrinceBild: AP/Carel Pedre

Nach Schätzung des Roten Kreuzes wurden zehntausende Bewohner obdachlos. Kurze Zeit nach dem Beben, das am späten Nachmittag Ortszeit geschah, liefen Tausende Menschen auf die Straßen und versammelten sich auf öffentlichen Plätzen. Sie sangen religiöse Lieder oder weinten. Verstörte Menschen kletterten über die Ruinen oder irrten ziellos umher.

In ihrer Verzweiflung machten sich viele daran, mit bloßen Händen Eingeschlossene aus dem Schutt zu befreien. Von Trümmern Erschlagene lagen auf den Straßen und Bürgersteigen, Schwerverletzte riefen nach ärztlicher Hilfe - doch die war kaum vorhanden. Später bahrten die Menschen Todesopfer am Straßenrand auf.

Die Luft war auch noch Stunden nach dem Beben voller Staub der eingestürzten Gebäude, bei deren Bau sich in dem seit Jahren politisch instabilen Land kaum jemand um Vorschriften gekümmert hat. Insgesamt leben in Haiti rund neun Millionen Einwohner, die meisten davon sind bettelarm.

Karte zu Haiti (Grafik: DW)

Inzwischen sind mindestens zwölf weitere Beben gefolgt. Die Erdstöße waren bis nach Kuba zu spüren. Tsunami-Alarm war auch für die benachbarte Dominikanische Republik und die Bahamas ausgegeben worden. Über Schäden ist von dort nichts bekannt.

Haiti gilt als das ärmste Land des amerikanischen Kontinents und wurde in der Vergangenheit mehrfach von Naturkatastrophen heimgesucht. Zuletzt kamen bei Wirbelstürmen im September 2008 mehr als 600 Menschen ums Leben. Ein großer Teil der damaligen Schäden ist bis heute nicht beseitigt.

Haiti liegt im kleineren westlichen Teil der zu den Großen Antillen gehörenden Karibik-Insel Hispaniola. Im Osten liegt die Dominikanische Republik.

Autorin: Eleonore Uhlich (apn, kna,dpa,rtr)

Redaktion: Reinhard Kleber