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Taxifahren mit femininer Note

23. April 2009

Im Beiruter Verkehr herrscht das Gesetz des Dschungels: Der Dreistere setzt sich durch. Aber da machen Jeanette und die anderen 11 Fahrerinnen der rosa "Banet Taxi" nicht mit.

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Chauffeurin Jeanette macht sich auf den Weg durch die Straßen von BeirutBild: Birgit Kaspar
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Die Straßen in Beirut sind oft chronisch verstopft.Bild: AP

"Und dann sagen sie, Frauen können nicht fahren", schimpft Jeanette in ihrem pink-farbenen Peugeot, als ein Mann in einem alten Mercedes sie abdrängt. Beiruts rosa Taxis von Frauen für Frauen sind eine clevere Geschäftsidee. Sie chauffieren ihre weiblichen Fahrgäste ruhig, stressfrei und professionell ans Ziel. Das ganze mit einer ausgeprägt femininen Note, sagt Nawal Fakhri, die Chefin des vor rund einem Monat gegründeten Unternehmens. Sechs rosa Taxis hat sie derzeit im Einsatz, 24 Stunden täglich. Die Idee zu dem ersten Frauen-Taxi-Unternehmen im Libanon kam ihr, weil sie wie alle Mütter hier ständig ihre drei Kinder zu Geburtstagen oder anderen Aktivitäten chauffieren musste. „Ich dachte mir, wenn es ein Frauen-Taxi gäbe, dann könnte ich denen meine Kinder - darunter zwei Töchter - anvertrauen, wenn ich keine Zeit habe. Es geht nicht um Angst, aber die Kinder würden sich wohler fühlen, wenn eine Frau fährt, und ich auch.“

Boomende Geschäftsidee

Taxis in Beirut
Nawal Fakhri, die Chefin von "Taxi Banet"Bild: Birgit Kaspar

Da es im Libanon keine zuverlässigen öffentlichen Verkehrsmittel wie Busse oder Bahnen gibt, bietet der Taxi-Transport von Kindern einen stabilen Markt – auch in Zeiten der Wirtschaftskrise. Das weiß Nawal. In ihrem kleinen Büro im Ostbeiruter Vorort Rabieh und macht sich nun Gedanken, wie sie ihre Firma nach dem guten Start erweitern kann. Ihr Ziel: Büros in Beirut und vielleicht auch in anderen Landesteilen zu eröffnen. Vom Bedarf ist sie überzeugt. Kritiker wenden ein, sie fördere mit ihren rosa Taxis die Ausgrenzung von Frauen. Marie Rose Zalzal, eine Frauenrechtlerin, erklärt, es unterstützte einen Trend, den man bekämpfen wolle. "Und wenn es um den Schutz vor Übergriffen geht, dann sollte man einfach zur Polizei gehen können." Nawal Fakhri wehrt sich energisch gegen solche Vorwürfe: "Es geht weder um Diskriminierung noch darum, etwas nur für Frauen zu machen. Das ist weder meine Mentalität, noch mein Konzept." Im Gegenteil, so die Geschäftsfrau, die sich selbst für emanzipiert hält. Ihre Absicht sei vor allem, einen zuverlässigen und persönlichen, femininen Service zu bieten. Dass die Frauentaxis eventuell auch strengen moslemischen Touristen aus den Golfstaaten wie gerufen kommen, sei eine andere Sache.

"Sympathischer und weiblicher"

Rosa Taxis in Beirut
Schon macht sich Jeanette erneut auf den WegBild: Birgit Kaspar

Als Symbol tragen die Fahrerinnen alle eine rosa Krawatte auf weißer Bluse und eine künstliche rosa Blüte im Haar. "Die Blüte im Haar ist mir wichtig", sagt Nawal. Sie solle die Frauen an ihre Weiblichkeit erinnern und daran, dass sie ihren Job erhobenen Hauptes erfüllen. Die Fahrerin Jeanette holt eine 15jährige libanesisch-stämmige Französin im christlichen Villenviertel Rabieh ab. Sarah will am französischen Lycee im Beiruter Stadteil Ashrafieh eine Freundin treffen. Sie hatte von den "Banet Taxi" gehört und nutzt den Service nun zum ersten Mal. "Man hört so viele schlimme Geschichten über Mädchen in Taxis mit männlichen Fahrern. Das hier ist viel sympathischer, weiblicher, drum hat man mehr Lust, ein Taxi zu nehmen", sagt Sarah. Dass Jeanette nicht genau weiß, wo das Lycee Francais ist, stört sie nicht. Es gehört im Libanon ohnehin zur Tagesordnung, dass Taxifahrer nicht jeden Ort und jede Straße kennen. Jeanette hat zuvor als Sekretärin gearbeitet, aber sie langweilte sich hinterm Schreibtisch. Sie fahre seit 27 Jahren Auto und liebe es, sagt die 46jährige. "Es ist mir dennoch nie in den Sinn gekommen, Taxi-Fahrerin zu werden." Aber als sie die Anzeige in der Zeitung las, wusste sie, das war etwas für sie.

Rundum-Service über die Fahrt hinaus

Rosa Taxis in Beirut
Pinkfarbene Taxis vor der Zentrale im Stadtteil RabiehBild: Birgit Kaspar

Jeanette quält sich durch den chaotischen, stockenden Verkehr auf der Schnellstraße nach Beirut, die eher den Namen "Staustraße" verdient hätte. Dabei bleibt sie erstaunlich gelassen und fröhlich. In Ashrafieh angekommen fragt sie einen Soldaten an einem Checkpoint nach dem Weg zum Lycee. Das rosa Taxi windet sich unter neugierigen Blicken durch enge Gassen bis zu der Schule. Doch hier hört der Service nicht auf: Da es in Strömen regnet, bittet Jeanette die junge Sarah im Taxi zu warten bis ihre Freundin kommt. Nach ein paar Minuten kassiert sie umgerechnet rund 10 Euro und verabschiedet sich. „Jetzt habe ich das Gefühl, dass meine Tochter angekommen ist. Das ist mir wichtig.“ Jeanette lächelt zufrieden. Zwar arbeite sie gerne mit Frauen für Frauen, aber am liebsten arbeite sie für die Kinder, fügt sie hinzu. Ob der Erfolgstrend der rosa Taxis anhält, bleibt abzuwarten. Aber sie bringen auf jeden Fall etwas mehr Freundlichkeit in die raue Beiruter Verkehrshölle.

Autorin: Birgit Kaspar
Redaktion: Thomas Latschan