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Telefondiplomatie auf Hochtouren

Daniel Scheschkewitz, Washington 10. März 2003

„Guten Tag, hier spricht George Bush – ich brauche ihre Stimme in den Vereinten Nationen“. So oder ähnlich klingt es derzeit bei Staats- und Regierungschefs aus dem Hörer, deren Länder im Sicherheitsrat sitzen.

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Sie sehen sich in diesen Tagen heftigen Umarmungen ausgesetzt durch die Vereinigten Staaten, in deren verzweifeltem Bemühen, doch noch die notwendigen Stimmen für eine Kriegsresolution in den Vereinten Nationen zustande zu bekommen. Präsident Bush hat bis Donnerstag (13.3.2003) alle Termine abgesagt, um Zeit zum Telefonieren zu haben. Sein Außenminister Colin Powell soll es zur Zeit auf bis zu 100 Telefongespräche am Tag bringen.

Was da im Einzelnen besprochen, versprochen oder auch schon mal gedroht wird, entzieht sich dem politischen Beobachter. Die diplomatische Kärrnerarbeit, die U6, die noch unentschiedenen Länder im Sicherheitsrat in die Mangel zu nehmen, verrichten nicht Bush oder Powell, dass ist Sache der diplomatischen Vertretungen vor Ort. Bush schmeichelt und wirbt. Wann hat zum letzten Mal ein US-Präsident sich beim Präsidenten Guineas nach dessen Nierenleiden erkundigt, so wie Bush in der letzten Woche?

Historische Gelegenheit

Gerade den armen afrikanischen Länder, Guinea, Kamerun und Angola bietet die vorübergehende Vertretung im Sicherheitsrat in dieser historischen Situation die einmalige Gelegenheit, sich und ihre Nöte in Erinnerung zu rufen. Oder aber, es sich auf lange Zeit mit dem mächtigen Amerika zu verderben. Schließlich sind sie alle auch von US-Entwicklungshilfe und Handelsvergünstigungen abhängig.

In einem besonderen Dilemma stecken dabei die ehemals französischen Kolonien Guinea und Kamerun. Sie werden genauso wie Angola vom französischen Außenminister persönlich und auf ihrem eigenen Territorium umworben. Zu einer solchen Pendeldiplomatie konnte sich die Bush-Regierung bislang nicht aufraffen. Bush selbst reist nur ungern außerhalb der Vereinigten Staaten und Außenminister Powell hat Angst bei zu langer Abwesenheit könnte das State Department noch mehr Einfluss an die ohnehin schon mächtigen Falken in der Bush-Regierung verlieren.

Vorbild James Baker

Dabei müsste Präsident Bush eigentlich nur im Familienalbum blättern, um ein erfolgreiches Vorbild für diese Art von Diplomatie zu finden. Außenminister James Baker flog in den kritischen Wochen vor dem Golfkrieg 1991 viele tausend Flugmeilen zwischen Amerika, Europa und Nahost, um eine in der Tat beeindruckende Koalition gegen Saddam Hussein zu schmieden.

Zugegebenermaßen hatte Baker damals einen leichteren Stand: Der Irak hatte sich durch die Besetzung Kuwaits einer flagranten Verletzung des Völkerrechts schuldig gemacht, während dieses mal das Völkerrecht eher von Amerika unterminiert zu werden droht. Aber es gibt noch einen anderen Unterschied. Bushs Vater war ein abwägender, eher zögerlicher Präsident, der am liebsten in Übereinstimmung mit anderen agierte. Bush senior blies damals aus Rücksicht auf die internationale Koalition am Golf den Sturm auf Bagdad ab. Bush junior dagegen ist zu Allem entschlossen. Egal, ob die Widerspenstigen noch zu Willigen werden, oder nicht.